Und nach wie vor sind die Siebziger hier nicht die siebziger Jahre, sondern die Baureihen 70 bis 79 im Nummernsystem der Deutschen Reichsbahn.
Was gab es bisher:
Teil 1: BR 70.0 (bayr. Pt 2/3),
BR 70.1 (bad. Ig)
Teil 2: BR 74.4 (pr. T12),
BR 74.13 (LBE T12)
Teil 3: BR 75.0 (wü. T5)
Nach der Unterbaureihe 75.0 folgt im DR-Nummernsystem die Unterbaureihe 75.1, die badische
Gattung VIb. Als erste deutsche Länderbahn beschaffte die Badischen Staatsbahn dreifach gekuppelte Tenderlokomotiven nach dem Vorbild der BBÖ Reihe 30 für die Wiener Stadtbahn.
Die erste Bauserie umfasste 15 Maschinen und wurde 1900 von der Lokfabrik J.A.Maffei geliefert. Ihr elegantes Aussehen war vom Chefkonstrukteur Anton Hammel beeinflusst, ihre Silhouette geprägt von Doppeldom und Verbindungsrohr (zur Vergrößerung des Dampfraums). Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h waren die Nassdampf-Maschinen vielseitig einsetzbar.
Die weiteren 10 Bauserien lieferte die Maschinenbaugesellschaft Karlsruhe. Mit 173 Maschinen war sie die Bauart mit der höchsten Stückzahl aller badischen Dampflok-Gattungen.
Nach dem 1. Weltkrieg mussten einige Maschinen als
Reparationsleistung sog. "Waffenstillstands-Loks" an die Siegermächte abgegeben werden. Zur DR kamen noch 164 Stück, die als 75 101 – 302 (mit Lücken) eingereiht wurden. Zur DB gelangten letztlich 117 Loks, von denen 75 299 als letzte ihrer Baureihe im Jahr 1962 ausgemustert wurde.
Eines der letzten Heimat-Bws der badischen VIb war Freiburg, von wo aus die Loks im Bahnhofs-Verschub und vor Nahgüterzügen eingesetzt wurden. In einem solchen Dienst konnte HS am 15.09.57 die Freiburger
75 250, eine Lok aus der 9. Bauserie, im Hauptbahnhof ablichten.
Bild 24:
Ab der 10. Bauserie (75 261) gab es einige Änderungen am Triebwerk: Der Flachschieber wurden durch einen Kolbenschieber ersetzt, das Hängeeisen durch die Kuhn’sche Schleife und der Kreuzkopf war jetzt einschienig geführt.
Ein Vertreter dieser Variante ist die Freiburger
75 290, die wir hier zwei Tage später am 17.09.57 ebenfalls im Bahnhof
Neustadt(Schwarzwald) Freiburg sehen.
Bild 25:
Die Maschinen waren im gesamten Bereich der Badischen Staatsbahn eingesetzt; unmittelbar nach Kriegsende gelangten einige Loks kurzzeitig auch nach Ehrang und Jünkerath.
Als letzte Lok der Gattung VIb wurde 75 299 des Bw Haltingen im Mai 1962 ausgemustert. Von den wenigen bei der DR-Ost verbliebenen Maschinen wurde die letzte im Mai 1965 ausgemustert.
Es blieb keine Maschine erhalten.
Mit der
Gattung VIc erfolgte auch in Baden der Übergang zur Heißdampftechnik. Im Nummernplan der DR als Baureihe 75.4 eingeordnet, hatte die VIc gegenüber ihrer Vorgänger-Baureihe um mehr als 10t an Masse zugelegt. Auf dem jetzt mit Überhitzer ausgerüsteten, größeren und höher gelegten Kessel war für Doppel-Dom und Verbindungsrohr kein Platz mehr; die Leistung der Maschine war gegenüber der VIb um ca. 50% auf fast 800 PS gestiegen; die im Durchmesser auf 1600 mm vergrößerten Treibräder erlaubten eine Höchstgeschwindigkeit von 90 km/h. Wie bei der Baureihe 75.0 war auch hier der Vorwärmer quer vor der Rauchkammer angeordnet.
Die Beschaffung der badischen VIc begann 1914 mit der zehn Maschinen umfassenden ersten Bauserie, die von der Maschinenbaugesellschaft Karlsruhe geliefert wurde. Bis 1914 wuchs der Bestand auf insgesamt 92 Loks, die sich auf 7 Bauserien verteilten. Davon mussten 28 Maschinen auf Grund des Waffenstillstands-Vertrags vom 11.11.18 an die Siegermächte abgegeben werden. Die restlichen 64 Stück wurden von der DR als 75 401 – 494 (mit Lücken) eingereiht.
Das erste VIc-Bild zeigt mit
75 405 eine Lok aus der ersten Bauserie, aufgenommen am 15.09.57 in Donaueschingen.
Weiß vielleicht einer, wo die Lok damals beheimatet war?
Bild 26:
Wir bleiben in Donaueschingen, wo
75 416 am gleichen Tag, also dem 15.09.57, mit einem klassischen Personenzug der 50er Jahre aus dem Bahnhof kachelt.
Bild 27:
Bei der Fahrzeugausstellung am 01.06.62 in Friedrichhafen anlässlich des BDEF Verbandstages wurde neben der württ. T5, 75 082 (siehe Bild 21, Teil 3), auch das badische Pendant in Form der VIc gezeigt. Leider war das Wetter an diesem Tag recht trübe, trotzdem erscheint mir die Farbaufnahme der
75 417 durchaus zeigenswert.
Bild 28:
Die ausgezeichnete Bewährung der Baureihe 75.4 veranlasste die Deutsche Reichsbahn, noch einmal zwei Bauserien der badischen VIc nachzubestellen, die 1920/21 als 75 1001 – 1022 und 75 1101 – 1120 in Dienst gestellt wurden. Abgesehen von einem verstärkten Rahmen und dem dadurch geringfügig höheren Gewicht gab es keine wesentlichen technischen Änderungen. Die Einordnung in eine neue Hunderter-, ja sogar Tausender-Nummerngruppe ist daher aus heutiger Sicht nicht mehr nachvollziehbar.
Am 13.09.57 verlässt die 4. Lok der Nachbauserie, die Karlsruher
75 1004 mit Volldampf den Hauptbahnhof ihrer Heimat-Dienststelle.
Bild 29:
Für eine Sonderfahrt anlässlich des 125-jährigen Bestehens der deutschen Eisenbahnen sind zwei Maschinen der BR 75.4/10 am Wasserkasten mit einem entsprechenden Aufkleber versehen. Vorne wieder die
75 1004, die Nummer der 2.Lok ist leider nicht bekannt. Wie so oft bei solchen Veranstaltungen war der Wettergott den Fotografen leider nicht wohl gesonnen. Bw Karlsruhe, 09.12.60.
Bild 30:
Ein Vertreter der 9. und letzten Bauserie (=2. Nachbauserie) ist
75 1108, vmtl. vom Bw Radolfzell, die am 28.05.64 in Singen auf den Film gebannt wurde. Höchst beachtlich finde ich neben dem gelungenen Lokporträt auch die im Hintergrund sichtbaren Niederflurwagen für Lkw-Transporte. Ich hätte nicht gedacht, dass es solche Wagen 1964 schon gab – und was machen die dann ausgerechnet in Singen, fern ab von den großen Güterverkehrs-Magistralen?
Bild 31:
Das letzte Bild dieses Teils zeigt die letzte VIc,
75 1120 vor einem Nahverkehrszug in Bruchsal. Die Aufnahme entstand am 20.05.61 aus dem fahrenden Zug heraus gewissermaßen als Notschuss.
Bild 32:
Die VIc waren nicht nur in Baden tätig; zehn Maschinen wurden Ende der 20er Jahre probeweise auf der Berliner Stadtbahn eingesetzt, wo sie aber nicht mit den pr. T12, BR 74.4, mithalten konnten! Diese Maschinen wurden danach an die RBD Schwerin abgegeben, wo sie sich so gut bewährten, dass der Bestand später noch um weitere 25 Loks aufgestockt wurde.
Die letzten drei Maschinen der DB wurden im Mai 1966 beim Bw Radolfzell ausgemustert. Im Gegensatz zur Reihe VIb hat eine VIc überlebt. Die Ulmer Eisenbahnfreunde haben die 75 1118 mustergültig aufgearbeitet; sie wird außer auf ihrer Stammstrecke Amstetten-Gerstetten auch bei anderen Gelegenheiten eingesetzt.
Soviel zu den badischen 75ern. Im nächsten Teil geht’s dann weiter mit …– nein, nicht mit der 78.0, die kommt noch lange nicht.
Schönen Tag noch,
Ulrich B.
Hier geht’s weiter zum
nächsten Teil
Edit: Im Bemühen um historische Korrektheit wurde der Hinweis von 03 1008 unverzüglich eingepflegt. Danke, Helmut.
7-mal bearbeitet. Zuletzt am 2017:06:24:12:18:49.