Für die Verlängerung der 1887 eröffneten Schmalspurbahn Tua - Mirandela nach Bragança benötigte die portugiesische Companhia Nacional (CN) zusätzliche Lokomotiven. Mit den sechs 1887 von Emil Kessler in Esslingen gelieferten 1'C-Tenderlokomotiven hatte man ausgesprochen gute Erfahrungen gemacht. So wurden 1904 und 1907 je zwei grundsätzlich gleichartige, aber etwas verstärkte Lokomotiven in Esslingen nachbestellt. Der Lieferant hiess jetzt Maschinenfabrik Esslingen. Bei den Nachbauten wurden die im Laufe der Zeit bei den ersten Maschinen ausgeführten Verbesserungen von Anfang an berücksichtigt: geschlossener Führerstand, vergrösserte Vorräte in den nach vorn verlängerten seitlichen Wasserkästen, im Bereich der Zylinder nach oben versetzte Gürtellinie zwecks bessserer Zugänglichkeit der Flachschieber. CN 7 "Vilalva" wurde von Esslingen mit der Fabr.-Nr 3288 geliefert, sie trug später die Nummer 21, ab 1947 hiess sie E 111. Im Juli 1974 traf ich sie im Depot Mirandela beim Wasserfassen.
Aus heutiger Sicht ist es mir unverständlich, dass ich E 111 kein einziges Mal von vorn fotografierte, Gegenlicht hin oder her. Im Juni 1976 stand E 111 fast an der gleichen Stelle, aber sie war etwas gealtert.
Am Tag zuvor hatte ich bei Regenwetter mit dem GmP 6555 eine Fahrt von Mirandela (Abfahrt 17.45) nach Azibo und mit dem Dieseltriebwagen zurück nach Mirandela gemacht. Der Zug war gut ausgelastet, und schon nach wenigen hundert Metern, in der steilen Ausfahrkurve, nahm die "Geschwindigkeit" des Zuges stetig ab, bis er sich fast nicht mehr von der Stelle bewegte. Obwohl ich kein Portugiesisch verstand, war mir sofort klar, was der Zugführer von den Fahrgästen im einzigen Personenwagen am Zugschluss erwartete: Aussteigen und schieben! Ein paar jüngere Männer, grössere Schulbuben, zwei englische Eisenbahnfans und ich stiegen aus, verteilten uns längs des Untergestells und schoben mit aller Kraft und grosser Begeisterung. Wir halfen dem GmP im strömenden Regen durch den übelsten Abschnitt (beginnende Gegenkurve), dann ertönte ein langer Pfiff der führenden E 81 (Esslingen 2189), und der Zugführer winkte uns zum Einsteigen auf den langsam, aber stetig beschleunigenden Zug. Da wir sowieso schon nass waren, rissen die Engländer und ich die Fenster auf und schauten nach vorn, an den vielen beladenen Güterwagen vorbei, zur fast 90-jährigen Zuglokomotive, die immer wieder durchdrehte, aber doch zuverlässig an Fahrt gewann. Jetzt schaffte sie es ohne uns.
Da am nächsten Tag die Sonne schien, nahm ich mir vor, den GmP 6555 an genau der gleichen Stelle zu fotografieren. Zuglok war diesmal die frisch verpflegte E 111, der GmP war ordentlich lang, aber auf den nun trockenen Schienen hatte die alte Esslingerin keinerlei Probleme, ihre Fuhre zu beschleunigen.
E 111 wurde zum Ende des planmässigen Dampfbetriebes auf der Tua-Linie im Januar 1979 ausgemustert. Sie steht heute im Museum Bragança.
Edit: W.J.K. Davies meldet in seinem Buch "Narrow Gauge Railways of Portugal", die beiden 1904 gelieferten Esslinger Lokomotiven hätten das geschlossene Führerhaus wahrscheinlich erst nachträglich erhalten.
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