Besuch der Rheinelbe Werksbahn in Gelsenkirchen-Ückendorf am 25.4.1966
Wiederbelebung mit Bildern und adaptiertem Text: 19.IX.2022
An diesem Apriltag besuchte der bekannte holländische Eisenbahnfotograf HG Hesselink die Werksbahn der Rheinelbe Bergbau AG. Diese Gesellschaft firmierte bis zur Entflechtung der großen Montankonzerne 1953 unter dem bekannteren Namen Gelsenkirchener Bergwerks AG (GBAG), Gruppe Gelsenkirchen und betrieb ein ausgedehntes Netz in den Städten Essen, Gelsenkirchen, Wattenscheid und Gladbeck. Blicken wir kurz auf die Historie dieser Gesellschaft:
Die Geschichte der GBAG ist wechselhaft und sehr kompliziert und wird deshalb im Folgenden nur kurz umrissen: Nach ihrer Neugründung im Jahre 1933 war die GBAG als Bergwerksgesellschaft der Vereinigten Stahlwerke AG (VSt) die größte Gesellschaft des Ruhrbergbaus. Von 1926 bis 1933 war sie schwerpunktmäßig ein reines Bergbauunternehmen, welches auch als GBAG (alt) bezeichnet wird. Mit Gründung der VSt (1926) wurde diese alte GBAG einerseits Hauptaktionär der VSt, andererseits betrieb sie die Zeche Monopol, die nicht mit in die VSt eingebracht wurde, als Bergbaugesellschaft weiter. Darüber hinaus gliederte sie sich zwischen 1926 und 1933 weitere Zechen, wie zum Beispiel die Adler Bergbau AG, an. 1930 fusionierten die GBAG (alt) mit den alten Essener Steinkohlenbergwerken AG, wobei wiederum eine Vielzahl von Zechen zur GBAG kamen. Im Zuge der Umorganisation der VSt im Jahre 1933 wurde die vormalige Werksgruppe Bergbau der VSt in die neugegründete GBAG (neu) umgewandelt und als selbständige Bergbaugesellschaft der VSt betrieben, nachdem die nicht in den Konzernverbund der VSt integrierbaren Schachtanlagen zuvor in die Essener Steinkohlenbergwerke AG (neu) ausgegliedert wurden.
Die GBAG (neu) von 1933 betrieb vier räumlich getrennte Zechengruppen, nämlich die Gruppen Hamborn, Gelsenkirchen, Bochum und Dortmund, die im engen Konzernverbund mit den VSt-Stahlwerken standen. Innerhalb der Gruppen Gelsenkirchen, Bochum und Dortmund trugen die Lokomotiven vor dem zweiten Weltkrieg Zechennummern, wohingegen die Lokomotiven der Gruppe Hamborn von den späteren Gemeinschaftsbetrieben Eisenbahnen und Häfen (vormals Gewerkschaft Deutscher Kaiser) gestellt wurden. Loktäusche zwischen den verschiedenen Zechengruppen und innerhalb der einzelnen Zechengruppen einerseits und den Stahlwerken dieses Konzerns andererseits sind bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges sehr häufig vorgekommen.
Nach dem Kriege wurde dieser gewaltige Montankonzern auf alliierte Anordnung (z.B. Gesetz No. 27) unter anderem in selbständige Einzelkonzerne entflochten. Die Neuordnung wurde zum 01. Juli 1953 durchgeführt. Die Gruppe Hamborn wurde als Hamborner Bergbau AG (mit der Sondergesellschaft Friedrich Thyssen Bergbau AG) völlig aus dem Konzern ausgegliedert. Aus der Gruppe Gelsenkirchen wurde 1952 die Rheinelbe Bergbau AG (mit der Sondergesellschaft Graf Moltke Bergbau AG), aus der Gruppe Bochum die Bochumer Bergbau AG (mit der Sondergesellschaft Carolinenglück Bergbau AG) und aus der Gruppe Dortmund die Dortmunder Bergbau AG (mit der Sondergesellschaft Hansa Bergbau AG). Diese drei Nachfolgegesellschaften waren jedoch nach wie vor vollständig im Konzernverbund der GBAG verblieben. Die Sondergesellschaften hingegen befanden sich lediglich zu 50% im Besitz des GBAG-Konzerns, die andere Hälfte lag in Händen von fremden Hüttenunternehmen, die Betriebsführung wurde jedoch - wie schon in der Vorkriegszeit - von den 3 Nachfolgegesellschaften durchgeführt.
Folgende Zechen und Nebenbetriebe wurden von der Rheinelbe Bergbau AG betrieben:
Schachtanlagen:
-Zollverein, Essen-Katernberg
- Nordstern, Gelsenkirchen-Heßler
- Bonifacius, Essen-Kray
- Holland, Wattenscheid
- Pluto, Wanne-Eickel
- Graf Moltke, Gladbeck
- Rheinelbe/Alma, Gelsenkirchen-Ückendorf
Kokereien:
- Zentralkokerei Nordstern (+ 1967),
- Zentralkokerei Alma (+ 1963),
- Kokerei Zollverein (+ 1993)
(aus Drehscheibe Sonderheft 17: Leitsch/Sydow/Hake- Bergbaudampflokomotiven in NRW, Köln 1997)
Die ersten Bilder dieses Bilderbogens zeigen die Lok D 12 (Henschel 29896/48, Type D 600) und sind auf Alma entstanden. Im Hintergrund sehen wir die Hochöfen und Anlagen des Schalker Vereins neben dem Gelsenkirchener Hauptbahnhof. Interessant ist der niedrige und dicke Schlot, welcher für eine D 600 sehr untypisch ist.
Lok D 12
Auch die nachfolgend porträtierte E 6 (Henschel 24844/51, Typ E 800) ist wie ihre halb angeschnittene Schwesterlok E 4 (Henschel 22697/35, Typ Gelsenkirchen) auf Alma auf die Platte gebannt worden. Gerade beim zweiten Bild fallen die imposanten Anlagen des Schalker Vereins bald noch mehr ins Auge als die Lok.
Lok E 6
Die soeben gezeigte E 6 gehörte ja schon der Nachkriegstype E 800 an, ihr Vorkriegsvorläufer hörte auf den Typennamen Gelsenkirchen. Die Lok E 4 (Henschel 22697/35, Typ Gelsenkirchen) gehörte dieser Type an und wurde natürlich auch ausgiebigst abgelichtet. Im Gegensatz zu den bislang gesehenen Maschinen hat die E 4 noch Gußschilder an den Wasserkästen, die aber so verschmutzt sind, daß sie nicht lesbar sind - erst ein genaues Hinsehen auf die Rauchkammer im untren Bild verrät ihre Identität.
Lok E 4
Doch nicht nur solch dicke fünfachsige Brocken hatte die Rheinelbe Bergbau im Bestand, sondern auch noch zwei kleine zweiachsige Dampfspeicherloks. Eine davon war die B 10, unschwer als ein Hohenzollern-Produkt zu erkennen (Hohenzollern 1394/01; Typ Hohenzollern). Diese Lok wurde 1955 mit einem neuen Speicherkessel versehen, der von der Firma Schraubstahlwerke Kreuztal stammt und die Fabrikummer 21567/55 trug. Die Lok erlebte sogar noch RAG-Zeiten war bis zum 18.05.1971 im Einsatz und wurde dann abgestellt. Hier sehen wir sie aber noch in voller Schönheit auf der Zeche Holland in Wattenscheid unter Dampf.
Lok B 10
Sodann suchte man den Zechenbahnhof Bonifacius in Essen-Kray auf. Abgebildet ist eine Lok der Hohenzollern Werkstype Oberhausen, hier die C 4 (Hohenzollern 3653/17). Diese Type ist ursprünglich für den Schlackenverkehr der Gutehoffnungshütte Oberhausen entwickelt und gebaut worden und zeichnet sich durch einen extrem kurzen Achsstand von nur 2500 mm aus; mit einem Dienstgewicht von fast 58 t gehörte diese Loktype aber keinesfalls zu den kleinen Hopsern. Bei dem zweiten Bild achte man auch mal auf die beiden Wagen mit Grubenholz im Hintergrund.
Lok C 4
Ein wunderschönes Zechenbahnbild gelang HG Hesselink im Zechenbahnhof Bonifacius. Die schon eben porträtierte C 4 rangiert hier einen langen Zug aus OOt-Wagen unter der Wäsche hervor. Warum er aber das Gerüst von Schupp und Kremmer über Schacht 2 rechts so abschnitten hat, wird wohl auf ewig sein Geheimnis und für den heutigen Betrachter ein Ärgernis bleiben. Das im Hintergrund sichtbare Gerüst über Schacht 1 steht auch heute noch, der Rest dieser Anlagen ist natürlich zur Gänze verschwunden.
Lok C 4
Auch die Schwesterlok C5 (Hohenzollern 3813/18; Type Oberhausen) konnte HG Hesselink am Südende des Zechenbahnhofes Bonifacius porträtieren - im Hintergrund sind schwach Kohlenbunker und Bandbrücken zu erkennen, die schon zur Kokerei Dahlbusch gleichnamiger Gesellschaft in Gelsenkirchen-Rotthausen gehören.
Lok C 5
Nach dem Kriege wurde aber die Firma Henschel der Haus- und Hoflieferant für die Rheinelbe Bergbau AG. Vor einem Kohlenbunker der Zeche Bonifacius wurde die 550 PS starke Lok C 17 (Henschel 25372/52) der Werkstype C 550/Minister Stein abgelichtet.
Lok C 17
Von Boni ging es nach Ziollverein in Essen-Katernberg. Zunächst konnte die D 15 (Henschel 29887/46; Type D 600) abgelichtet vor der steilen Waschbergehalde am Lokschuppen abgelichtet werden.
Diese Lok kam 1960 von der stillgelegten Zeche Prinz Regent der Schwestergesellschaft Bochumer Bergbau (vormals GBAG, Gruppe Bochum) zur Rheinelbe Bergbau AG. Das neben der Zeche Prinz Regent in Bochzum Weitmar gelegene Kraftwerk Springorum war ja schon mehrmals hier im HiFo im Zusammenhang mit den Jumbos thematisiert worden.
Lok D 15
Das die Schwesterlok D 11 (Henschel 29891/48; Type D 600) auf Zollverein abgelichtet wurde, steht völlig außer Frage. Der geneigte Eisenbahnfreund sollte auch einmal den einen oder anderen Blick auf die unterschiedlichen Werkswagen werfen !
Lok D 11
Ebenfalls auf Zollverein begegnete HG Hesselink der E 10 (Henschel 23757/38, Type Gelsenkirchen). Im ersten Bild sehen wir im Vordergrund den Schacht Zollverein 1 mit dem Gerüst (schon wieder abgeschnitten *grrr*) und im Hintergrund Schacht Zollverein 2 mit dem Förderturm. Auf dem zweiten Bild ist der illustre Wagenpark sehenswert, ganz im Hintergrund steht noch eine Lok der Krupp-type Bergbau.
Lok E 10
Das bahntechnisch interessanteste an der Zeche Zollverein war aber der dortige Ringlokschuppen mit dazugehöriger Drehscheibe. Beides sollte eigentlich nach Stillegung der Schachtanlage unter Schutz gestellt und der Nachwelt erhalten werden, ist aber nach Vandalismus-Verwüstung des Schuppens den Baggern zum Opfer gefallen. Heute ist hier die Zufahrtsstraße zum Parplatz des Welterbes.
Im April 1966 war beides aber noch unverzichtbar und so sehen wir mit der C 15 (He nschel 11948/13) eine teilmodernisierte Lok der Henschel-Werkstype Bismarck an dieser Lokstation:
Lok C 15
Auch die Henschel D 13 (Henschel 25720/49; Type D 600) gönnt sich vor dem Ringlokschuppen auf Zollverein eine kleine Pause vom harten Rangiergeschäft.
Lok D 13
Von Essen-Katernberg ging es dann nach Gelsenkirchen-Horst zur Zeche Nordstern. Vor imposanter (und größtenteils noch vorhandener!) Kulisse posiert die E 8 (Henschel 25940/54; Typ Gelsenkirchen) für den Fotografen. Diese Lok ist eine der wenigen, die es noch bis zu RAG-Zeiten geschafft hat, denn sie wurde erst 1972 zerlegt.
Lok E 8
Ebenfalls auf Nordstern wurde die offensichtlich frisch hauptuntersuchte D 8 (Henschel 25374/41; Type Burbach) mit ihrem Kübelzug porträtiert. Dies ist keine D 600, sondern deren Vorläufertype, nämlich eine Maschine der Type Burbach. Auch diese Lok kam noch zur RAG und wurde sogar noch als D-372 umgezeichnet, allerdings wurde sie Mai 1973 zerlegt.
Lok D 8
Vermutlich auch auf Nordstern enstand dieses Porträt einer Lok aus dem Hause Jung Jungenthal. Die E 9 (Jung 6222/36) wurde 1959 gebraucht von der WLH Reuschling gekauft. Die WLH übernahm diese Lok unter dem 08.05.1959 von der KFBE, wo sie als Lok 36 unterwegs war.
Lok E 9
Zum Abschluß noch mal ein wunderschönes Übersichtsbild der Zeche Nordstern mit der schon bekannten Lok D 8 (Henschel 25374/41; Type Burbach). Die Dieselablösung in Form der Dd 4 (Henschel 29723/64; Type DHG1000) steht aber schon bereit. Innerhalb weniger Jahre schrumpfte der riesige Dampflokbestand der Rheinelbe Bergbau AG durch die Verdieselung auf einige wenige Exemplare. Die meisten hier gezeigten Dampfloks erlebten trotz ihres guten Erhaltungszustandes das Geburtsjahr 1969 der RAG nicht mehr, sondern nahmen den Weg allen alten Eisens.
Loks D 8 und Dd4
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