Krupp zum Dritten!
Für Neueinsteiger:
Teil 1 mit Übersichtskarte siehe hier,
Teil 2 siehe hier.
Die
Probestrecke war ein wichtiges Teil der Infrastruktur der Kruppschen Werkseisenbahn. Hier konnten die Lokomotiven in Betrieb genommen oder geprüft werden. Zu diesem Zweck besaß die Probestrecke die unterschiedlichsten Spurweiten, von 1676mm (Indien) über Normalspur 1435mm und Kapspur 1067mm (Indonesien, Afrika) bis hin zu 1000mm (Burma). Die Länge der Probestrecke betrug etwa 1100m, wobei nicht alle Spurweiten über die gesamte Länge durchliefen. Für die elektrische Inbetriebsetzung konventioneller Elloks war sie mit einer Fahrleitung ausgerüstet, die mit 15kV 16 2/3Hz oder 25kV 50Hz versorgt werden konnte. Die Fahrleitung reichte jedoch nur bis zur Brücke über die Köln-Mindener Strecke. Die letzten Elloks, die dort Einstellungsfahrten unternahmen, waren die Loks der Reihe 111. Sämtliche folgenden Drehstromloks wurden an anderen Orten elektrisch in Betrieb gesetzt.
Der Weg von der Fertigung in M3 zur Probestrecke führte über die bekannte Brücke der Werkseisenbahn über die Bottroper Straße. Zunächst jedoch musste die Helenenstraße gekreuzt werden, deren Schrankenbäume am 13.10.86 bereits außer Dienst waren, als Lok 4 der Werkseisenbahn die gerade fertiggestellte Lok DD 1211 zur Probestrecke auf dem Gelände M1 überführte. Hierzu gab es mehrere Spezialwagen, die mit Schienen diverser Spurweiten versehen werden konnten (
Bild 16).
Wenige Augenblicke später konnte die Fuhre bei der Fahrt über die damals noch nicht modernisierte Brücke von unten betrachtet werden (
Bild 17). Lok DD 1211 war die erste Lok einer Serie von 8 dieselhydraulischen Lokomotiven für die Burma Railways Corporation (Nummern DD 1211 – 1218, Fabriknummern 5587 – 5594), die im Jahre 1987 gefertigt wurden.
Das Abladen der Schmalspurloks gestaltete sich recht einfach. Der Transportwagen wurde einfach an eine Rampe gefahren und die Lok konnte dann mit eigener Kraft auf die Probestrecke hinüberfahren. Im
Bild 18 war gerade DE 1001 der Tazara angelandet und wird gleich den Transportwagen verlassen, der hier von der DB ausgeliehen war (31 80 485 4 111-0, Typ Sas 709, heute Samms 709). DE 1001 entstammt einer Serie von neun Lokomotiven der Betriebsnummern DE 1001 bis DE 1009 (Fabriknummern 5532 – 5540), die im Jahre 1983 für die Tanzania-Zambia-Railway-Authority gefertigt wurden. Es handelt sich um einen Lizenzbau der Type U30C von General Electric, der mit 20t Achslast und 120t Gesamtgewicht eine der schwersten und leistungsfähigsten schmalspurigen Diesellokomotiven weltweit darstellte (24.8.83).
Am 22.7.80 waren die ersten beiden Loks der schon bekannten Serie für Thailand, Lok 4204 (vorne, Fabriknummer 5476) und 4202 (Fabriknummer 5475), auf der Probestrecke unterwegs. Bei diesen Versuchsfahrten wurde unter Anderem die Doppeltraktionssteuerung geprüft (
Bild 19).
Lok 1 der Werkseisenbahn (Krupp 3648/58) fährt nach Überstellung der Lok 4204 am Lokgespann vorbei in Richtung "Heimatdienststelle" (
Bild 20, 22.7.80).
Auch im
Bild 21 sind wir Zeuge von Versuchsfahrten für Doppeltraktion auf der Probestrecke. Die beiden ersten Loks B-D 001 und B-D 002 einer Serie von 12 dieselelektrischen Loks für Botswana (Nummern B-D 001 bis 012, Fabriknummern 5520 – 5531) waren ebenfalls nach GE-Lizenz gefertigt und repräsentieren den Typ UM22C. Sehr schön ist hier das Mehrschienengleis der Probestrecke zu erkennen; die Spurweite der "Kapspur" von 1067mm wird durch die linke Schiene und die zweite von rechts gebildet (28.6.82).
Dieselhydraulische Lokomotiven mussten einen speziellen Leistungstest über sich ergehen lassen, wie in
Bild 22 zu sehen ist. Lok DD 1211, die wir schon von den Bildern 16 und 17 kennen, hängt "am Zughaken". Hierzu wurde der normalerweise im unteren Gleis liegende Hebel nach oben hochgeschwenkt, um dann mittels Drahtseil mit dem Zughaken der Lok verbunden zu werden. So konnte Leistung aufgeschaltet werden und die entwickelte Zugkraft bis zur Reibungsgrenze mittels Messdose ermittelt sowie die Leistungsfähigkeit der Kühlanlage geprüft werden (14.10.86).
Am 27.10.1986 wurden lauftechnische Versuchsfahrten bis 80 km/h auf der Probestrecke durchgeführt. Zu diesem Zweck wurde die Meterspur auf etwa 1100m Länge verlängert. Sie reichte damit bis kurz hinter die Brücke der Probestrecke über die Vogelheimer Strecke der DB.
Lok DD 1211 ist hier bereits mit Messwertaufnehmern bestückt und verkabelt auf einem Bild von Ulrich Budde auf der Probestrecke zu sehen. Die Meterspur wird hier – wie man sieht – aus der rechten und der mittleren Schiene gebildet (
Bild 23).
Auf diesem seltenen
Bild 24 hat Ulrich die Lok auf der Brücke über die Köln-Mindener Eisenbahn erwischt. Man erkennt auch, wo die alte Fahrleitung der Probestrecke endet.
Während der Versuchsfahrten wurde bis kurz vor die Brücke über die Vogelheimer Strecke gefahren. Ulrich Budde fotografierte die Lok hier bei der Fahrt über die Brücke Hafenstraße. Die Flutlichtanlage im Hintergrund gehört zum bekannten RWE-Georg-Melches-Stadion (
Bild 25).
"Hier muss sie durch!" - Auch sogenannte "Gauging-Tests", die Durchfahrt durch das Begrenzungsprofil für die Lokomotiven, wurden auf der Probestrecke durchgeführt. Im
Bild 26 sehen wir Lok 1360 der ONATRA, die zweite einer Serie von fünf Lokomotiven (Nummern 1359 – 1363, Fabriknummern 5595 – 5599), die 1987 an die Schifffahrtsgesellschaft ONATRA (Office National des Transports) nach Zaire geliefert wurden. Das Begrenzungsprofil wurde aus Holz gefertigt und an der Probestrecke aufgebaut. Und siehe da: Lok 1360 passte durch! (8.4.87).
Dass auch Elloks mit eigener Kraft die Probestrecke befahren konnten, ist im
Bild 27 gezeigt. Die soeben fertiggestellte 111 200 unternimmt am 24.1.83 Probefahrten.
Am 15.3.85 kam es zu einem Fototermin mit dem ersten Triebkopf des Intercity Experimental auf der Probestrecke, dem 410 001 (
Bild 28). Da – wie weiter oben angemerkt – der Triebkopf noch nicht fahrfähig war, musste für Fotozwecke der Stromabnehmer mittels einer Holzstange hochgestellt werden, die jedoch auf dem Foto nicht sichtbar sein durfte. Es hat geklappt...
Wenige Tage später, am 19.3.85, wurde 410 001 in einer Feierstunde dann der DB übergeben.
Falls jemand wissen möchte, wie die Probestrecke heute aussieht, schaue man sich
dieses Linkverzeichnis an.
Die riesige
Fertigungshalle M1, in der bis etwa 1975 die ehemalige Lokfertigung untergebracht war, wurde Anfang der 80er Jahre nur noch als Bauteilelager sowie als Verpackungsort für Übersee-Lokomotiven benutzt. Zuletzt waren nach Räumung der Halle nur noch einige entkernte Lokkästen der BR 119 (Umbau in 229) dort gelagert. Anschließend wurde sie abgerissen.
Zum Aufnahmezeitpunkt von
Bild 29 war die Halle M1 jedoch noch vollständig in Gebrauch und die Lokfertigung war dort noch in vollem Gange. Dieses Bild war das Titelbild eines Werbeprospektes für die Lokomotiv-Export-Union (LEU), in der sich Krupp, Krauss Maffei und die MaK (damaliger Name noch "Atlas-MaK") zusammen gefunden hatten, um deren Produkte gemeinsam zu vermarkten. Wir erkennen in der linken Fertigungsstraße die E50-Fertigung; vorne ein auf dem Kopf liegender Hauptrahmen, bei dem man die Drehzapfen erkennt; anschließend ein "richtig herum" liegender Hauptrahmen, der bereits die Seiten und das mittlere Dach besitzt. Weiter hinten erkennen wir fertige Führerhäuser bis hin zu einer fast fertigen Lokomotive, noch im Grundieranstrich.
Die rechte Fertigungsstraße zeigt alle sieben Exportlokomotiven der Reihe V43 für die Ungarische Staatsbahn MÁV (Fahrzeugnummern V43,1001 – 1007, Fabriknummern 4384 – 4390), die im Rahmen der 50-Hz-Arbeitsgemeinschaft im Jahre 1963 gefertigt wurden. Der elektrische Teil stammt von Alsthom, damals noch mit "h" geschrieben. Am Ende sehen wir weitere DB-Einheitselloks. Der Platz zwischen den beiden Fertigungsstraßen wird als Lagerraum für Lokbauteile genutzt; in der Mitte hinten erkennt man sogar einen weiteren E50-Rohbau.
Aufgrund der gezeigten Fertigung der MÁV-V43 kann man den Aufnahmezeitraum ziemlich zuverlässig auf Ende 1962 / Anfang 1963 datieren.
Diese Zeiten waren am 7.10.80 bereits vorbei, als die Halle M1 nur noch als Lager und Verpackungsort für Übersee-Lokomotiven benutzt wurde. Im
Bild 30 sehen wir zwei der schon bekannten Thailand-Lokomotiven, vorne 4210 und hinten 4212, die in der Halle seefest gemacht wurden. Die Lokomotiven wurden auf den Flachwagen oder auf Rollböcken, wie im Bild, ins nördliche Querschiff der Halle M1 gefahren und mittels der riesigen Traverse in das Längsschiff umgesetzt. Dort begann dann die Verpackungsarbeit.
Bild 31 zeigt das Resultat der Verpackung noch etwas genauer. Am 3.9.80 waren die Loks 4208, 4206 und 4204 (v.l.n.r.) in Arbeit. Während Lok 4204 bereits fertig verpackt in einer roten Folie eingehüllt ihren Abtransport erwartet, sind die beiden anderen noch nicht soweit. Lok 4206 in der Mitte steht jedoch bereits kurz vor der Vollendung; die Scheiben und Lampenkästen sind durch Spanplatten geschützt. Die rote Folie ist schon auf dem Dach gelagert. Bei der linken, Lok 4208, hat man erst die Führerstandsseitenfenster verschlossen. Die übrigen Arbeiten müssen noch durchgeführt werden.
Nach dem Verpacken wurden die Loks dann via Probestrecke in den Essener Hafen transportiert, dort auf ein Binnenschiff umgeladen und nach weiterem Umladen in einem Seehafen, meist Rotterdam, über See verschifft.
Auch die beiden ONATRA-Loks 1352 und 1351 (hinten), die ersten beiden eines Loses über acht Loks Typ GE U15C (Loknummern 1351 – 1358, Fabriknummern 5512 – 5519) wurden in M1 seefest verpackt. Der Verpackungszustand vom 9.2.82 wurde im
Bild 32 festgehalten.
Am 22.7.82 hing B-D 002 für Botswana Railways zusammen mit der Traverse im Kran, als das
Bild 33 aufgenommen wurde. In diesem Bild werden die Höhenmaße der riesigen Halle M1 so richtig deutlich. Die Krankapazität eines Krans reichte für die Anhebung einer kompletten Lokomotive (hier Gewicht 96t plus Traverse!) problemlos aus. In der Halle M3 hingegen mussten für das Umsetzen kompletter Lokomotiven stets zwei Kräne herhalten.
Mein letzer Blick in die Halle M1 vor ihrem Abriss datiert vom 7.1.92, als ausgeschlachtete sowie bereits sandgestrahlte und grundierte Lokkästen von Lokomotiven der Reihe 119/229 der Deutschen Reichsbahn in der Halle anzutreffen waren. Notiert habe ich mir die Loknummern 119 184, 181, 186, 188 und 190, die aber nicht alle zu sehen sind. Die bereits grundierten Lokkästen trugen keine Nummern und waren damit unidentifizierbar (
Bild 34).
Der nächste Teil folgt in Kürze.
Martin W.
Edit: Links wieder gangbar gemacht
Edit2: Einzelne Bilder neu gescannt
Meine DSO-Beiträge: [
www.drehscheibe-foren.de]
2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2015:05:14:08:38:03.