Heute geht es mal wieder ins Ruhrgebiet. Zunächst etwas fürTunnelfreunde. Eisenbahntunnels gab es im Ruhrgebiet gleich mehrere - obwohl die gesamte Region als eher Flach zu bezeichnen ist: kurz vor Herdecke im Zuge der Rheinischen Strecke nach Hagen, in Hattingen den Welper Tunnel im Zuge der Ruhrtalbahn, in Bochum der Baaker- Mulde-Tunnel von der Zeche Friedlicher Nachbar an die Strecke Dahlhausen-Weitmar, der Tunnel der Neubaustrecke Dortmund – Witten, der mehrere andere Strecken und ein paar Straßen in Bochum-Langendreer unterquert - und dann gibt es noch den rund 700m langen Hohewardtunnel bei Herten. Dieser weist eine Besonderheit auf: normalerweise baut man eine Bahnlinie durch einen störenden Berg hindurch. Hier nun baute man einen Berg über eine störende Bahnlinie hinweg. Mitte der 80er Jahre wurden zwei nebeneinander liegende Bergehalden zusammengelegt, um den Unmengen an Waschbergen der Zechen Ewald, Schlägel & Eisen und Westerholt Herr werden zu können. Durch die automatisierten Abbaumethoden unter Tage hat seit den 60er Jahren der Anteil an unerwünschtem Gestein, das mit der Kohle zu Tage gehoben wird, einen Anteil von etwa 50% an der gesamten Fördermenge angenommen. Bei den jährlichen Förderleistungen einer heutigen Zeche von etwa 2-3 Millionen Tonnen Kohle kann man sich ausrechnen, welch gigantischen Materialberge es loszuwerden gilt. Verkaufen lassen sich max. 20% für irgendwelche Bauprojekte. Der Rest wandert auf Halde.
Um bei unserem Tunnel zu bleiben: Um die anfallenden Bergemassen unterbringen zu können, wurde eine Wohnsiedlung komplett beseitigt. Die Zechenbahn von Westerholt nach Ewald wurde dagegen noch gebraucht! Folglich kam nur ein Tunnel unter der der zukünftigen Halde hindurch in Frage.
Hier sehen wir den Beginn der Bauarbeiten.
Noch fahren die Züge auf ihrer alten Trasse, während die Siedlung (früher vor der Bahn gelegen) bereits Geschichte ist. Der Zug fährt in Richtung Ewald, bzw. zur Berge-Umladeanlage am Fuß der Halde. Im Hintergrund die Stadt Recklinghausen.
Ein paar Monate später ist Die Tunnelröhre bereits fertig. Gerade eben wurde das noch blanke alte Gleis abgeklemmt. Mit der Aufschüttung der Halde kann aber noch nicht begonnen werden...
...denn es fehlt noch eine Wasserabweisende Schicht zum Schutz des Betons. Diese ist im folgenden Frühjahr aber bereits fertig und besteht aus ausgemusterten Förderbändern, wie sie im Bergbau zu Hauf eingesetzt werden. Die Berge-Berge rücken bis an die alte Trasse links neben der Röhre heran und über das südliche Portal wurde bereits eine Werksstraße geschüttet, über die das Material verteilt werden soll.
Hier sehen wir bereits einen ansehnlichen Hügel oberhalb der Röhre:
Die damals noch der Ruhrkohle gehörende Knapsack war bei den sommerlichen Großveranstaltungen im Hespertal stets gern gesehender Gast. Die Überführung besorgte dann eine RAG-Diesellok (hier die 444), wobei die Knapsack unter Dampf stand und teilweise die Traktion übernahm, so z.B. auf dem WHE-Abschnitt zwischen Wanne ÜBF und Westhafen, wo ansonsten Kopfmachen angesagt gewesen wäre. Eigenartigerweise habe ich bei diesen Überführungen überhaupt nie andere Fotografen getroffen (der unten im Gestrüpp stehende Herr „Winnetou“ O. war mit mir angereist).
Im Frühjahr 2000 war die Stillegung der Zeche Ewald beschlossene Sache. Grund genug, noch schnell ein paar Fotos zu machen! Und schon nach ein paar Minuten Wartezeit kam die einzige blaue G1206 der RAG mit dem BuH-Bereisungswagen vorbei, fuhr einmal durchs Glesidreieck und verschwand kurz drauf wieder dort hin, wo sie hergekommen war. Da wir die Situation schnell genug erfasst hatten, konnten wir den Zug an beiden Portalen aufnehmen. Hier das schöner im Licht liegende Südportal. Links die Verbindung zur Zeche Ewald, rechts geht es u.a. in Richtung Wanne-Westhafen. Die Halde erreicht mittlerweile eine Höhe von ungefähr 140 Meter!
Nach Stillegung von Ewald wurde es auch im Tunnel still. Noch bediente man ab und zu zwei Kohlelager, aber bald fuhren zwischen Westerholt und Ewald nur noch ein paar Baufahrzeuge.
Die Gleise sind hier bereits ziemlich verrostet, die Oberleitung wurde auch schon zuvor entfernt. Und heute wird man wohl vergeblich irgendwelche Gleise suchen...
Folgt man der oben gezeigten Strecke über Westerholt weiter nach Westen, erreicht man nach etlichen Kilometern das Gelände der damaligen Veba-Ruhröl. Bis Mitte der 90er Jahre setzte dieses Werk noch drei Dampfspeicherloks ein: Je einen B-, C- und D-Kuppler, alle von Henschel. Natürlich kam mir damals der D-Kuppler (Typ D-fl 25/3,5) am interessantesten vor, jedoch habe ich diese Maschine nie unter Dampf erlebt. Bei meinen Besuchen war entweder sie gerade ausgefallen oder mein Auto gab auf dem Weg dorthin den Geist auf... Wenigstens habe ich sie 1985 beim Tag der offenen Tür bei der ZuH in Gladbeck ablichten können, hier zusammen mit der Dahlhausener ex-Hibernia 41-E, die damals noch nicht vor der Starlightexpresshalle aufgestellt war.
Zurück zur Veba. Von außen kam man überhaupt nicht heran, aber netterweise wurden meine Anfragen betreffs Fotografieren jedes Mal positiv beantwortet. Bai allen Besuchen war es der C-Kuppler, der jeweils gerade einsatzbereit war.
Diese Maschine (Henschel 25273/1940) entstammt einer Serie von vier Maschinen mit jeweils aufeinaderfolgenden Fabriknumern (25270-25273), die an die Firma Wolff in Walsrode geliefert wurden. Von dort gelangte eine Maschine zur Zeche Consolidation (dort später D-506), eine zu einer Kaligrube in Bad Salzdetfurth, eine weitere gelangte nach Albanien (wo sie übrigens immer noch zu sehen sein soll) und eine eben zur Ruhröl. So weit die gesicherten Erkenntnisse. Aber jetzt müßt ihr mir weiterhelfen. Sowohl bei der D-506, als auch bei unserer Lokomotive liest man immer wieder, die Maschinen seien ehemalige rostgefeuerte Loks vom Typ Minister Stein, die angeblich in den 50er Jahren bei Henschel zu Dampfspeicherloks umgebaut worden sein sollen. Danach sieht es aber ganz und gar nicht aus: Antrieb auf der mittleren Achse, gänzlich andere Zylinder (dazu noch schräg stehend), allgemeines Aussehen einer ganz gewöhnlichen „Aufblasbaren“ vom Typ XIII – all das läßt die Hypothese von ehemaligen Minister Steins wanken. Nun ja, auf Consolidation existierten mit Lok D-502 und D-509 tatsächlich zwei zu (Hochdruck-) Dampfspeicherloks umgebaute Minister Steins. Aber diese sehen eben gänzlich anders aus und auch das Triebwerk entspricht der Urversion. Die D-506 war dagegen mit unserer Veba-Maschine baugleich. Sollte es eine bloße Verwechslung sein, die immer wieder abgeschrieben wurde? Daß unsere beiden Loks in den 50er Jahren tatsächlich bei Henschel gewesen sein könnten (evtl. zur allgemeinen HU o.Ä.), wäre nicht ungewöhnlich – viele Hersteller bauten nicht nur neu, sondern besserten auch aus. Aber woher kommen die meist detaillierten und immer wieder zitierten Umbauangaben? Waren unter diesen Nummern vielleicht einmal Minister Stein-Typen geplant, deren Bau dann aber storniert worden ist? Wenn das tatsächlich ein Umbau war, ist von der alten Maschine offensichtlich gar nichts übrig geblieben. Schließen wir dies also aus – sonst würde man das irgendworan erkennen. Wer kann das auflösen? Joachim??? Naaaaa???
Noch schöner wird die ganze Geschichte durch die Tatsache, daß ich vom Bahnbetriebsleiter damals Kopien der Typenblätter der einzelnen Maschinen bekam. Für den C-Kuppler gab es eigenartigerweise aber kein Blatt, das einen Typ XIII darstellt, sondern den Nachfolgetyp C-fl18/3...
Wie auch immer – beobachten wir also noch ein bisschen den Übergabeverkehr der Ruhröl mit der RAG! Hier ist gerade ein Zug mit einer der nagelneuen zweimotorigen RAG-DE1003 ins Werk gekommen.
Die RAG-Lok war noch so neu, daß noch keine Nummer angeschrieben war. Später wurde diese Type als 660-664 eingenummert.
Tja, wenn die Loks anders herum gestanden hätten, wäre der Sonnenstand ungleich besser gewesen. Aber wer fragt mich denn schon... Im Hintergrund das Kraftwerk Scholven mit seinen zahlrichen Kühltürmen.
Zum Schluß werfen wir einen Blick auf den Lokschuppen, in dem sich der B- und der D-Kuppler (vorne) höchst unfotogen verbergen.
Alle drei Vebaloks blieben nach ihrer Ausmusterung gegen Mitte der 90er Jahre erhalten und stehen heute im ehemaligen BW Bismarck. Ich hoffe, der sie betreuende Verein weiß sie zu schätzen und schickt sie nicht - wie viel zu viele andere Vereine dies nach ein paar jahren mit Dampfspeicherloks zu tun pflegen - irgendwann auf den Schrott.
So, und jetzt die Gewissensfrage: Die gezeigten Aufnahmen sind überwiegend Kleinbilddias, die ich mit eigentlich nicht passendem Gerät eingescannt habe. Da das Nachbearbeiten große Mühe macht, will ich nun von euch wissen, ob sich die Mühe überhaupt lohnt. Soll ich also weitere Kleinbilddias mit Werksbahnmotiven aus den 80er Jahren bringen? Die Qualität wäre wie oben gesehen. Bis dahin müßt ihr euch mit den neulich angekündigten EBV-Bildern von 1992 begnügen. Aber vorher kommt noch eine Reise nach Indien.
Beste Grüße, Christoph