Auch wenn die Aufrufzahlen des ersten Teils eine deutliche Sprache sprechen, möchte ich Euch den zweiten Teil nicht vorenthalten. Einige Interessenten für britische Eisenbahnen scheint es ja doch zu geben.
Im ersten Teil hatte ich einige Aufnahmen aus London, Paddington und Euston Station, sowie aus Paignton in Südwestengland gezeigt.
In der dritten Augustwoche 1966 wurde die Rückreise angetreten. In London gab’s zwei Tage Unterbrechung mit umfangreichem Besichtigungsprogramm. Die verbleibende persönliche Freizeit nutzte ich dazu, diverse Londoner Bahnhöfe aufzusuchen, während die anderen lieber die Carnaby Street nach mehr oder meist weniger sinnvollen Souvenirs abgrasten.
Bild 15
Der nächste Bahnhof nach Euston St. war Waterloo Station. Auf dem Bahnsteig, der am weitesten ins Vorfeld hinausragte, stand man leider lichtmäßig auf der falschen Seite. Dementsprechend finster wurden die Aufnahmen der im Minutentakt ein- und ausfahrenden Stromschienen-ET’s. Aber die Fähigkeiten von Photoshop sind ja zum Glück sehr vielseitig ;-). Als Wagennummer meine ich auf der Seitenwand
S 14075 5 zu entziffern, und über dem Stirnfenster eine
5038. Frage nur, ob und wie das zusammenpasst.
Bild 16
Und noch ein verdunkelter ET bei der Einfahrt nach Waterloo. Die Bauart scheint ähnlich der des ET von Bild 11 (1.Teil) zu sein. Die Nummer über der Tür lautet
2041. Und wie heißt die zugehörige Wagennummer?
Bild 17
Nach diesen Erfahrungen half nur noch ein Stellungswechsel. Auf den weiter westlich gelegenen Bahnsteigen fuhr zwar nicht die Masse der Triebwagen, dafür aber lokbespannte Züge. Und Loks interessierten mich ohnehin mehr. Noch recht neu muss
E 6016 zum Aufnahmezeitpunkt gewesen sein. Das E vor der Betriebsnummer weist sie unzweifelhaft als Ellok aus. Tatsächlich, die Maschine ist sogar eine Zweikraft-Lok, die neben dem aus der Stromschiene gespeisten E-Antrieb auch noch einen vollwertigen Dieselantrieb besitzt. Die Lieferung der 2. Serie (E 6007 – 6049) erfolgte ab 1965.
Bild 18
In den Abstellgleisen neben dem Bahnhof Waterloo, dort wo sich heute die Anlagen für die Eurostar-Züge befinden, fand sich auch noch eine kleinere vierachsige Diesellok.
D 6512 gehört zur Class 33, die zumindest zu der Zeit nur in der Southern Region unterwegs war.
Bild 19
Und dann kam das Highlight des Tages, zumindest aus meiner damaligen Sicht. Ich kann heute nicht mehr sagen woher, aber ganz überraschend tauchte plötzlich eine Dampflok auf. Eine englische Dampflok im Betrieb auf einem Londoner Bahnhof - davon hätte ich nicht zu träumen gewagt. Die 1’C2’ Tenderlok mit der Nummer
80 143 hat zwar nicht mehr den allerbesten Zustand, aber bemerkenswert finde ich die dünnen weißen und roten Zierlinien an den Wasserkästen – so etwas gab’s bei der DB nun gar nicht mehr.
Bild 20
Der interessanteste der von mir besuchten Bahnhöfe war m.E. King’s Cross Station. Es begann auch gleich mit einem weiteren Highlight: Als ich die Bahnhofshalle betrat, stand ganz links außen am Bahnsteig eine "Deltic" am Prellbock. Auch wenn ich nicht viel von britischen Eisenbahnen kannte, diese berühmte Baureihe war mir schon ein Begriff. Noch während ich am Zug entlang ging, um aus der dunklen Halle heraus an die Bahnsteigspitze zu kommen, setzte sich der Zug in Bewegung, dicht gefolgt von der Deltic
D 9003 "Meld". Jetzt war Beeilung angesagt. Schnell nach vorn gelaufen, Kamera hoch und abgedrückt – leider etwas zu früh und so ist die Lok ein wenig beschnitten. Als ich die Filme aus der Entwicklung zurückbekam, habe ich mich schwarz geärgert ob dieses Missgeschicks, ausgerechnet bei dieser Aufnahme. Aber das ist halt das Lehrgeld, das man als Anfänger zahlen muss.
Bild 21
Vorn an der Bahnsteigspitze hatte man einen prima Blick auf das neben dem Bahnhof gelegene Depot (oder war es nur ein Lok-Abstellplatz in Bahnhofsnähe?). Hier herrschte ein reges Kommen und Gehen. Als erstes sehen wir
D 6750, eine English Electric Type 3. Von dieser Co’Co’ de wurden immerhin 309 Maschinen gebaut. Leider hatte auch hier wieder die Automatik meiner Kamera so ihre Probleme mit der Belichtung ;-(
Bild 22
Und noch ’ne Deltic!
D 9011 hört auf den klangvollen Namen "The Royal Northumberland Fusiliers".
Bild 23
D 270 ist eine Engish Electric Typ 4. Mit der Achsfolge (1Co)’(Co1)’ ist das wirklich ein kapitaler Brocken. 134 t auf 8 Achsen für 2000 PS und 145 km/h zeigen deutlich auf, wie schwer und voluminös die klassische dieselelektrische Antriebstechnik im Vergleich zur Dieselhydraulik war (und ist): Die V200 (etwa gleiches Konstruktionsjahr) brachte für 2200 PS und 140 km/h nur 81 t auf die Waage!
Bild 24
Zur Abwechslung noch ein Bild vom regulären Zugverkehr. Warum es nur zu diesem einen Triebwagen gereicht hat, kann ich heute nicht mehr sagen. Leider auch nicht, um was für einen Typ es sich hier handelt. Ich meine auf dem Originaldia die Wagennr.
E 51428 zu erkennen, sicher ist das aber nicht.
Bild 25
Danach wieder ein Sechsachser, der aus dem Depot kommt:
D 5643 gehört zum Brush Typ 2 und wurde später in die Class 31 eingereiht. Natürlich ist auch das wieder eine dieselelektrische Baureihe, erstes Baujahr 1957, und mit 1170 PS Leistung am Radumfang motorisiert wie eine V100. Mit sechs Radsätzen konnte allerdings erheblich mehr Zugkraft auf die Schiene gebracht werden.
Bild 26
Nach all den Schlachtschiffen – gemeint sind jetzt nicht die Warships aus Teil 1, sondern die dicken sechs- und achtachsigen Diesel-Brummer – lässt auch einmal ein kleine vierachsige Lok sehen: Die dieselelektrische
D 5908 gehört zu den sog. "Baby-Deltics" der Class 23, von der insgesamt nur 10 Exemplare gebaut wurden. Da habe ich ja anscheinend richtig Glück gehabt, so eine zu erwischen.
Bild 27
Unmittelbar neben King’s Cross liegt als weiterer Kopfbahnhof St. Prancras Station. Hier habe ich seltsamerweise nur eine einzige Aufnahme gemacht, und zwar von
D 75. Das ist auch wieder so ein achtachsiges Schwergewicht, der sog. Sulzer Type 4 von 1962, später Class 45.
Bild 28
Hinterhof-Atmosphäre bei St. Pancras. Wo genau das Bild der
D 5586 entstand, kann ich heute nicht mehr mit Gewissheit sagen, auf jeden Fall aber im Nahbereich der Bahnhöfe St. Pancras oder King’s Cross. Das triste Londoner Wetter unterstreicht in diesem Fall ganz passend das traurige Ambiente.
Damit bin ich am Ende des Bildberichts über meine Englandreise 1966 angekommen. Alle genannten Aufnahmedaten wurden, darauf möchte ich noch einmal ausdrücklich hinweisen, nachträglich recherchiert bzw. rekonstruiert. Ich freue mich deshalb über alle Hinweise, die zur Richtigstellung oder Ergänzung meiner Unterlagen beitragen. Ein herzliches Dankeschön geht daher an Christoph H. und Dick (Sir Nigel Gresley), die zum ersten Teil schon eine Menge sehr nützlicher Informationen beigesteuert haben.
Eine sehr kompakte Darstellung der britischen Diesellok-Baureihen findet sich bei Wikipedia unter dem Stichwort
British Rail diesel locomotives. Dorther stammt auch der Großteil der hier von mir verbreiteten "Weisheiten" zu den einzelnen Typen.
Schönen Abend noch,
Ulrich B.
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2015:06:28:15:04:10.