Die Geschichte der Eisenbahn auf Sri Lanka
Teil 7: Durch Teeplantagen in die Spirale – Der zweite Bergabschnitt der Main Line (Peradeniya Junction – Badulla)
Liebe HiFo-Leser,
Im
letzten Beitrag waren wir auf der Main Line im Bahnhof Peradeniya Junction angekommen. Nun folgte der letzte Abschnitt der Main Line bis zum Endbahnhof in Badulla. Viel Spaß beim Lesen.
Inhaltsverzeichnis
1. Geografie Sri Lankas
2. Geschichte Sri Lankas
3. Geschichte der Eisenbahn
3.1 Erster, erfolgloser Versuch zum Bau einer Eisenbahn (1842 – 1856)
3.2 Die erste Eisenbahnstrecke auf Sri Lanka (1856 - 1867)
3.3 Das Netz streckt vorsichtig seine ersten Fühler aus (1867 - 1880)
3.4 Das Netz wächst in fast alle Himmelsrichtungen (1881 - 1899)
3.5 Breit in den Norden und schmal in die Berge (1900 - 1905)
3.6 „Colombo 20“ und der gescheiterte Brückenschlag nach Indien (1906 - 1918)
3.7 Zaghafte Erweiterungen nach dem Krieg (1919 - 1926)
3.8 Endlich ist auch die Ostküste dran (1927 - 1938)
3.9 Mit dem Krieg kommen die ersten Streckenstilllegungen (1939 - 1945)
3.10 Unabhängigkeit, Wiederaufbau und Stilllegungen (1946 - 1948)
3.11 Modernisierung und Verdieselung (1949 - 1964)
3.12 Die letzten Friedensjahre – Stilllegungen, Neueröffnungen und Dampfende (1965 – 1981)
3.13 Zwischen den Fronten – Die Bahn im Bürgerkrieg (1982 - 2002)
3.14 Das schwerste Zugunglück der Geschichte und Wiederaufbau nach dem Bürgerkrieg (2003 - 2018)
3.15 Zwischen Aufbruch und Pleite (2019 - heute) )
4. Eisenbahnstrecken auf Sri Lanka
4.1 Staatsbahn (CGR/SLR)
4.1.1 Main Line (Colombo – Badulla)
a) Colombo – Rambukkana
b) Rambukkana – Peradeniya
c) Peradeniya - Badulla
4.1.2 Coastal/Southern Line (Colombo – Beliattha)
4.1.3 Northern Line (Polgahawela Junction – Kankasanturai)
4.1.4 Matale Line (Peradeniya Junction – Matale)
4.1.5 Puttalam Line (Ragama – Noor Nagar)
4.1.6 Mannar Line (Medawachchiya – Talaimannar Pier)
4.1.7 Batticaloa/Trincomalee Line (Maho Junction – Gal Oya – Batticaloa/Trincomalee)
4.1.8 Mihintale Line (Mihintale Junction - Mihintale)
4.1.9 Kelani Valley Line (Colombo – Avissawella – Yatiyantota/Opanayake)
4.1.10 Uda Pussellawa Line (Nanu Oya – Ragala)
4.2 Straßenbahn
5. Rollendes Material
5.1 Dampflokomotiven
5.1.1 Schlepptenderlokomotiven in Breitspur (1676mm)
5.1.2 Tenderlokomotiven in Breitspur (1676mm)
5.1.3 Schmalspurlokomotiven (762mm)
5.2 Diesellokomotiven
5.2.1 Klein- und Rangierlokomotiven (1676mm)
5.2.3 Diesel-elektrische Streckenloks (1676mm)
5.2.3 Diesel-hydraulische Streckenloks (1676mm)
5.2.4 Schmalspurlokomotiven (762mm)
5.3 Triebwagen
5.3.1 Dampftriebwagen Breitspur (1676mm)
5.3.2 Dampftriebwagen Schmalspur (762mm)
5.3.3 Dieseltriebwagen (1676mm)
5.3.4 Dieseltriebzüge (1676mm) S1-S8 [/u][/url] und
S9 – S14
5.4 Personenwagen
5.5 Güterwagen
6. Privatbahnen
7. Signalwesen und Stellwerke
Zur besseren Orientierung nochmals die Streckenkarte und das Höhenprofil der Main Line. In diesem Beitrag bereisen wir wie gesagt den Abschnitt von Peradeniya Junction bis zum Endbahnhof in Badulla.
Bild 1: Streckenkarte Main Line (für eine bessere Auflösung bitte auf das Bild klicken).
Bild 2: Das Höhenprofil der Main Line. Bis Rambukkana verläuft die Strecke weitgehend flach, ehe die erste Steilrampe bis Peradeniya folgt. Ab Peradeniya geht es dann mit kurzen Unterbrechungen steil hinauf bis nach Pattipola, wo auf 1.898,1m der Scheitelpunkt der Strecke erreicht wird. Danach fällt die Strecke wieder bis zum Endpunkt in Badulla auf ca. 650m.ü.d.M. hinab.
Der Abschnitt Peradeniya Junction – Badulla wird auch als „Uva Railway“ (Eisenbahn zum Mond) bezeichnet, da der Bau einer breitspurigen Strecke hinauf in das über 2.000m hohe Bergland zunächst so utopisch wie der Bau einer Eisenbahnstrecke zum Mond erschien. Hauptgrund für die Erschließung des Berglandes mit der Eisenbahn waren die zahllosen Teeplantagen im Hochland. Die Plantagenbesitzer hatten eine starke Lobby und viele leitende Kolonialbeamte waren oder wurden selbst Plantagenbesitzer. Der Bau des Bergabschnitts zog sich über fast 60 Jahre und zahlreiche geografische und klimatische Hindernisse mussten neben mehr als 1.000 Höhenmetern bezwungen werden. Der erste Abschnitt der Strecke von Peradeniya Junction nach bis Nawalapitiya verläuft noch relativ eben durch das Tal des Mahaweli-Flusses, folglich gingen diese 27,4km bereits 1874 in Betrieb. Danach mussten auf den nächsten rund 33,4km nach Hatton fast 800 Höhenmeter überwunden werden, erst 1884 ging dieser Abschnitt in Betrieb. Hinter Hatton geht es dann zunächst wieder leicht bergab in das Tal des Agra Oya-Flusses bis Talawakele. Von dort geht es dann in mehreren Schleifen weitere 400 Höhenmeter hinauf bis nach Nanu Oya, das 1885 nach weiteren 32km Streckenkilometern erreicht wurde. Hier war dann erst einmal Schluss, erst 1893 wurde die Strecke um weitere 41km bis nach Haputale verlängert. Dazu mussten bis Pattipola auf knapp 1.900m.ü.d.M. nochmals fast 300 Höhenmeter überwunden werden, von dort verläuft die Bahnstrecke entlang eines Bergkammes bis nach Haputale. Von Haputale geht es dann hinab nach Bandarawela, das nur noch auf rund 1.200m liegt, diese 11km gingen dann 1894 in Betrieb. Danach trat, auch aufgrund des Ersten Weltkrieges, eine längere Baupause ein. Die 12,6km zwischen Bandarawela und Ella gingen erst 1918 in Betrieb. Hinter Ella muss die Bahnstrecke weitere 400 Höhenmeter verlieren, was die Ingenieure vor große Herausforderungen stellte. Über ein großes Viadukt und einer Spirale erreicht die Strecke nach weiteren rund 21km das auf 650m gelegene Badulla, erst 1924 fuhr der erste Zug nach Badulla. Die Anlage des Bahnhofs in Badulla lässt vermuten, dass eine weitere Streckenverlängerung, z.B. hinab bis zur Süd- oder Ostküste geplant war, belastbare Aussagen dafür habe ich aber nicht gefunden. Im Gegensatz zu den beiden vorherigen Berichten konnte ich leider kaum frei verfügbare, historische Aufnahmen dieses Streckenabschnitts auftreiben, ihr müsst euch daher mit aktuelleren Bildern begnügen. Das sollte aber hoffentlich akzeptabel sein, zumal sich an der Strecke und den Bahnhöfen seit dem Bau praktisch kaum etwas verändert hat.
Bild 3: Wir beginnen unsere Reise am Bahnhof Peradeniya Junction. Aus Richtung Kandy kommt gerade ein Expresszug. Noch befindet er sich auf der Matale Line und hat eben die Signalbrücke an der Einfahrt passiert. Gleich wird er aber nach rechts auf die Main Line in Richtung Endstation Badulla einschwenken.
Bild 4: Der Abschnitt bis Nawalapitiya durch das Tal des Mahaweli-Flusses ist unspektakulär, daher schauen wir uns gleich mal die Einfahrt in den Bahnhof Nawalapitiya an, der von 1874 bis 1884 Endbahnhof war. Hinter Nawalapitiya beginnt der steile Anstieg hinauf ins Bergland, daher verfügte der Bahnhof einst über zahllose Gleise, da hier zu Dampflokzeiten fast alle Züge mit Vorspann- und/oder Schubloks versehen werden mussten. Auch ein großes BW gab es hier einstmals, u.a. waren hier alle Garratts der sri-lankischen Staatsbahn stationiert (Details dazu in einem der folgenden Beiträge). Zu Spitzenzeiten gab es mehrmals täglich einen Kohlenzug aus Colombo, um den Hunger der zahllosen Dampfloks zu sättigen. Das ist alles längst Geschichte. Reine Güterzüge gibt es auf dem Bergabschnitt nicht mehr und die Dieseltriebwagen sowie die kurzen „mixed trains“ (PmGs) schaffen es ohne Unterstützung über den Berg, auch wenn bei Steigungen bis 1:44 und Minimalradien bis zu 120m (bei Breitspur!) selten schneller als 40km/h gefahren wird.
Bild 5: Der mächtige Fußgängersteg lässt erahnen, welche Bedeutung der Bahnhof einst hatte. Für den heutigen Betrieb reichen die drei Bahnsteiggleise locker aus, neben den fünf bis sechs Fernverkehrszugpaaren gibt es im Nahverkehr noch ein paar Zugpaare zwischen Kandy und Nawalapitiya. Das große BW, etwas außerhalb des Bahnhofs gelegen, ist inzwischen ein reiner „lost place“, wie man auf Neudeutsch sagt. Nur verwaltungstechnisch ist Nawalapitiya bis heute von großer Bedeutung. Das Netz der Staatsbahn ist in drei Direktionen aufgeteilt, eine davon hat bis heute ihren Sitz in Nawalapitiya. Sie verwaltet neben der Main Line von Rambukkana bis zum Endbahnhof Badulla auch die Matale Line.
Bild 6: Direkt nach dem Bahnhof Nawalapitiya überquert die Bahnstrecke den Mahaweli-Fluss, um zur Höhengewinnung ein Seitental auszufahren. Hier oben ist es ein eher unscheinbares Flüsschen, tatsächlich ist er aber der längste Fluss Sri Lankas. In der Regenzeit verwandelt sich der Fluss in einen reißenden Strom, eine weitere Herausforderung, die die Erbauer der Strecke meistern mussten. Bis heute sorgen die vor allem in der Regenzeit auftretenden Erdrutsche und Überschwemmungen für einen hohen Wartungsaufwand der Strecke.
Bild 7: Das Seitental wurde fast ausgefahren und in Kürze wird die Strecke wieder in das Tal des Mahaweli-Flusses einschwenken. Vorher machen wir aber am Bahnhof Galboda halt. Einst hatte der Bahnhof große Bedeutung im Güterverkehr, gab es doch im Umfeld zahlreiche Teeplantagen und Teefabriken. Zudem gab es in einem Brunnen nahe dem Bahnhof wohl sehr reines Wasser, das abgefüllt wurde und mit dem Zug direkt nach Colombo transportiert wurde, wo es unter anderem im Gouverneurspalast ausgeschenkt wurde. Um die Durchgängigkeit der Strecke zu erhöhen, wurden von Anfang an alle 3-5km ein Bahnhof mit Ausweichgleisen angelegt. So konnte trotz der Eingleisigkeit ein dichter Betrieb abgewickelt werden. Die Infrastruktur wird im Gegensatz zur DB bis heute gepflegt, auch wenn insbesondere der Güterverkehr massiv zurückgegangen ist. Aber immerhin kann man so Zugkreuzungen flexibel verlegen, da Verspätungen von teils mehreren Stunden durchaus vorkommen (da unterscheidet sich dann die Bahn auf Sri Lanka nicht von der DB 😉).
Bild 8: Jetzt sind wir wieder im Tal des Mahaweli, der Flus liegt inzwischen aber rund 200m unter uns. Im Vordergrund sind auch schon die ersten Teesträucher zu sehen.
Bild 9: Unser Zug hat die Außenbezirke von Hatton erreicht, das bereits 1.200m.ü.d.M. liegt. Die Teesträucher reichen hier bis an die Bahnlinie heran.
Bild 10: Der Bahnhof Hatton wurde 1884 eröffnet und war für ein Jahr Endstation, ehe die Verlängerung bis Nanu Oya in Betrieb ging. Mit drei Bahnsteiggleisen ist er für den heutigen Betrieb überdimensioniert.
Bild 11: Kurz hinter dem Bahnhof Hatton folgt der 1.835 Fuß (560m) lange Pool Bank Tunnel, der bis zur Eröffnung der Neubaustrecke auf der Southern/Coastal Line der längste Eisenbahntunnel auf Sri Lanka war. Anschließend gönnt sich die Bergstrecke eine kurze Atempause und verläuft in leichtem Gefälle durch eine Hügellandschaft hinab nach Talawakele. Hier wird auf rund 1.200 Höhenmetern bis heute intensiver Teeanbau betrieben. Einst Hauptgrund für den Bau der Strecke, wird der Tee inzwischen längst per LKW transportiert. Zwischen den Hügeln liegt ein kleines Teepflücker-Dorf, gut erkennbar am bunten Hindutempel in der Dorfmitte. Die Bevölkerungsmehrheit auf Sri Lanka sind die buddhistischen Singhalesen, die seit vielen Jahrhunderten auf der Insel lebenden Tamilen leben vor allem im Norden und Nordosten der Insel. Da die Einheimischen keine Lust hatten, für die britischen Kolonialherren den Tee zu pflücken, holten sich die Briten dann eben die Teepflücker aus Südindien, vor allem hinduistische Tamilen. Sie bilden in den Hochburgen des Teeanbaus im Südwesten der Insel oft die Bevölkerungsmehrheit. Bis heute gehören sie zur ärmsten Bevölkerungsschicht und die Wirtschaftskrise mit Staatspleite in den vergangenen Jahren hat die Situation noch verschlimmert. Um wertvolle Devisen zu sparen, beschränkte die Regierung den Import von Düngern und Pestiziden, stattdessen sollte der Teeanbau komplett „bio“ erfolgen. Mit desaströsen Ergebnissen. Die Ernte ging massiv zurück und auf dem Weltmarkt wollte keiner mehr Geld für Bio-Tee bezahlen. Hauptsächlich ausbaden mussten es die sowieso schon armen Teepflücker(innen).
Bild 12: Auf den knapp 13 Streckenkilometern zwischen Talawakele und Nanu Oya muss die Bahnstrecke nochmals 400 Höhenmeter (!) gewinnen. Alles in Breitspur ohne Zahnrad oder andere Hilfsmittel. Erreicht wird dies durch mehrere Schleifen und fast durchgängiger Steigung von bis zu 1:44. Rot-weiß gestrichelt ist bei Nanu Oya die schmalspurige Uda Pussellawa Line eingezeichnet, die von 1903 bis 1948 in Betrieb war.
Bild 13: Der Bahnhof Watagoda liegt in etwa halber Strecke zwischen Talawakele und Nanu Oya auf knapp 1.350m Höhe. Seit dem Bau der Strecke hat sich abgesehen vom Lautsprecher und der Energiesparlampe praktisch nichts verändert. Der Bahnhofsvorsteher in weißer Uniform schaut mit seinem Assistenten in schwarzer Uniform dem Treiben auf dem Bahnsteig zu. Auch der kleinste Haltepunkt im Nirgendwo ist mit massig Personal besetzt. Mit mehr als 14.000 Angestellten (macht etwa zehn Angestellte pro Streckenkilometer!) ist die sri-lankische Staatsbahn einer der größten Arbeitgeber auf Sri Lanka und einer der größten Verlustbringer für den Staatshaushalt.
Bild 14: Zwischen Watagoda und Great Western schlängelt sich der Zug durch tiefgrüne Teeplantagen.
Bild 15: Der Bahnhof Great Western liegt mitten im Nirgendwo abseits jeglicher Zivilisation. Seine Existenz verdankt der gleichnamigen Teeplantage, in der er liegt. Bis heute haben die Teeplantagen hier Namen wie Great Western, Edinburgh, Somerset, Palmerston, Holyrood oder St. Clair.
Bild 16: Unser Zug hat eben den Bahnhof Radella verlassen, der am linken Bildrand noch zu erahnen ist. Im Hintergrund thront der 2.216m hohe Great Western Peak. Er ist nicht der höchste Berg, das ist der rund 10km weiter nordöstliche liegende Pidurutalagala mit 2.524m.
Bild 17: Kurz vor dem Bahnhof Nanu Oya überquert die Strecke noch einen kleinen Bach, der sich zur Regenzeit in einen reißenden Strom verwandelt. Fast alle Brücken im Bergland sind als Stahlfachwerkbrücken mit gemauerten Pfeilern ausgeführt. Einst waren die Stahlgitterbrücken filigraner, für den Einsatz der Garratt-Loks mussten die Brücken dann allerdings verstärkt werden.
Bild 18: Die Einfahrt in den Bahnhof Nanu Oya, selbstverständlich gesichert durch Formsignale, die von der „signal box“ im Hintergrund aus bedient werden.
Bild 19: Nanu Oya ist bis heute nichts anderes als eine Ansammlung von einer Handvoll Häusern. Warum verfügt es dann über einen der größten Bahnhöfe an der Main Line (zumal das BW mit Drehscheibe links außerhalb des Fotos liegen!)? Nun, von 1885 bis 1893 war es Endstation an der Linie, dementsprechend mussten hier Loks gedreht und Züge neu zusammengestellt werden. Die zahlreichen Teeplantagen im Umland sorgten von Anfang an für umfangreichen Güterverkehr (teilweise wurden in Nanu Oya Anfang des 20. Jahrhunderts bis zu 20 Millionen Pfund Tee pro Jahr in Züge verladen!) und auch im Personenverkehr spielte der Bahnhof eine wichtige Rolle. Etwa 4km nordöstlich von Nanu Oya liegt am Fuße des oben bereits erwähnten höchsten Berges Sri Lankas das Städtchen Nuwara Eliya. Einst auch nur eine Ansammlung von Hütten, machten es die Kolonialherren auf der Suche nach einer kühlen Zuflucht in den schwül-heißen Sommermonaten zu ihrer präferierten Sommerresidenz. Wie es sich für eine ordentliche britische „hill station“ gehörte, gab es einen Park, einen Golfplatz und natürlich auch eine Pferderennbahn. Mit dem Zug konnte man nun komfortabel bis kurz vor das Ziel reisen. Natürlich reichte das den Kolonialherren nicht und so baute man ausgehend von Nanu Oya eine Schmalspurbahn mit 762mm Spurweite, die neben der „hill station“ Nuwara Eliya auch die Teeanbaugebiete nördlich von Nanu Oya erschloss (ähnliche Bahnen in Indien wie Kalka-Shimla und die Darjeeling-Bahn lassen grüßen). Seit 1903 war Nanu Oya damit auch Abzweigbahnhof. Lange währte das Glück der schmalspurigen Uda Pussellawa Railway (UPR) aber nicht, 1948 wurde sie endgültig eingestellt und abgebaut (auch diese Bahn werde ich noch näher vorstellen). Die drei im Foto ganz rechts zu sehenden Bahngleise waren einst Gleise der schmalspurigen UPR. Nach dem Abbau der UPR legte man hier breitspurige Abstellgleise an. In dem blauen Häuschen auf dem Inselbahnsteig befindet sich übrigens die „signal box“ für das südliche Bahnhofsende, die nördliche „signal box“ hatte ich ja schon in Bild 18 gezeigt. Für die heutigen Betriebsanforderungen (einfache Zughalte von täglich fünf bis sechs Zugpaaren, keinerlei Güterverkehr) sind die Betriebsanlagen hoffnungslos überdimensioniert.
Bild 20: Wir steigen hinab zum Bahnhof und werfen nochmals ein Blick auf den Inselbahnsteig. Dort warten bereits an die hundert Touristen auf die Ankunft des Expresszuges aus Colombo zur Weiterfahrt nach Ella. Eine Fahrt mit dem Zug auf dem Bergabschnitt gehört quasi zum Pflichtprogramm eines jeden Sri Lanka Urlaubers, vor allem seit der Lonely Planet vor einigen Jahren die Fahrt mit dem Zug in irgendwelchen „must-see“ Listen ganz nach oben „gerankt“ hatte. Immerhin wird so das Überleben dieser teils atemberaubenden Bahnlinie gesichert.
Bild 21: Rein zufällig wurde ich bei meinem Besuch 2024 in Nanu Oya von einem dampfbespannten Sonderzug überrascht. Er verkehrte anlässlich der Eröffnung des letzten Streckenabschnitts der Main Line nach Badulla genau 100 Jahre zuvor. An Bord des Zuges durfte nur der Eisenbahnminister samt geladenen Gästen und Botschaftern. So begnügte ich mich mit einem Foto von außen, als die Dampflok B2B 213 (Vulcan Foundry, 1922, #3555, 2‘C) den Sonderzug aus dem Bahnhof Nanu Oya in Richtung Badulla zog. Bis COVID verkehrte dieser als „Viceroy Express“ vermarktete, dampfbespannte Sonderzug fast wöchentlich für betuchte Touristen.
Bild 22: Die Bahnhofsausfahrt von Nanu Oya Richtung Badulla nochmals aus anderer Perspektive. Hier kann man gut erkennen, dass die Strecke noch im Bahnhofsbereich steil ansteigt. In den Bahnhof fährt gerade ein „mixed train“ aus Richtung Badulla ein. Täglich gibt es ein solches Zugpaar auf der Strecke. Neben den drei Personenwagen führt der Zug meist immer einen Packwagen für Stückgut mit. An dem Tag gab es wohl viel Stückgut, zusätzlich kam noch ein Kesselwagen dazu. Durch da Be-/Entladen von Stückgut an den Unterwegsbahnhöfen sowie gelegentlich notwendigen Rangiermanövern fangen sich diese Züge oft mehrere Stunden Verspätung ein. Neben der vielfältigen Natur Sri Lankas zeigt dieses Bild auch die religiöse Vielfalt: links oben eine christliche Kirche, an den Gleisen im Hintergrund das Tor zu einem buddhistischen Tempel und am rechten Bildrand ein in Bau/Renovierung befindlicher Hindutempel. Mit ein bisschen mehr Weitwinkel hätte ich auch die am linken Rand liegende Moschee noch mit draufbekommen.
Bild 23: Hinter Nanu Oya wird die Streckenführung wieder etwas weniger spektakulär. Es geht durch dichtes Busch- und Dschungelland hoch über einem tief eingeschnittenen Tal. Deswegen gehen wir gleich weiter zum Bahnhof Pattipola, mit 1897,1m der höchstgelegene Bahnhof Sri Lankas und damit angeblich auch der am höchsten gelegene Bahnhof an einer Breitspurstrecke. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob inzwischen eine der Neubaustrecken in Nordwestindien diesen Rekord gebrochen hat.
Bild 24: Kurz hinter Pattipola durchquert die Strecke einen Bergkamm, gleichzeitig hat die Strecke hier ihren Scheitelpunkt auf 1.898,1m (6.226 Fuß). Der Bergkamm bildet eine Wetterscheide, er ist eine natürliche Barriere für die aus Westen aus der Küstenebene aufsteigenden, sehr warmen und feuchten Luftmassen. Während das eine Tunnelportal in dichten Nebel und heftigen Regenfall eingehüllt ist, scheint auf der anderen Seite oft die Sonne. Der klimatische Unterschied sowie der Ruß der hier eingesetzten und seit Anfang der 1950er-Jahre auf Ölfeuerung umgebauten Garratts brachten die Betonverschalung des Tunnels 1951 zum Einsturz. Bis heute ist der Tunnel eines der größten Sorgenkinder der Staatsbahn unter allen Eisenbahntunnels. Mit 1.054 Fuß (321m) Länge ist der Scheiteltunnel der drittlängste Tunnel. Bis zum nächsten Bahnhof Ohiya folgen noch drei weitere Tunnel mit Längen zwischen 125 Fuß (38m) und 894 Fuß (273m). Während es auf den 225km von Colombo bis Pattipola gerade mal 17 Tunnel gibt (die meisten im Abschnitt der Steilrampe von Rambukkana nach Kadugannawa), folgen auf den nächsten 15km hinter Pattipola gleich 18 Tunnel. Das liegt daran, dass die Strecke hier direkt unterhalb oder teilweise sogar direkt auf dem Bergkamm verläuft, zum anderen war die Tunnelbautechnologie mehr als 30 Jahre nach der Eröffnung des ersten Streckenabschnitts viel weiter fortgeschritten.
Bild 25: Zwischen Pattipola und Idalgashinna verläuft die Strecke direkt unterhalb oder teilweise sogar auf dem Bergkamm, der hier auf der rechten Seite zu sehen ist. Hier oben auf knapp 2.000m Höhe wachsen viele Nadelbäume und teilweise wähnt man sich eher in einer europäischen Mittelgebirgslandschaft denn auf einer tropischen Insel.
Bild 26: Wir erreichen den Bahnhof Ohiya auf 1.791m Höhe, der mitten im Nirgendwo liegt. Allerdings steigen hier auch einige Touristen aus, denn von hier aus ist es nicht weit zu den Horton Plains, einem Nationalpark, der mir auch sehr gut gefallen hat.
Bild 27: Hier nutzen wir mal die Gelegenheit, um die Tablet-Übergabe zu dokumentieren. Einer der beiden Lokführer (auf der Main Line sind immer mindestens zwei Lokführer im Führerstand!) übergibt dem Assistenten das Tablet, das in einem Ledertäschchen des „Tennisschlägers“ steckt. Hinter mir steht bereits der Bahnhofsvorsteher mit den „Tennisschläger“ und dem Tablet für den nächsten Abschnitt. Mit dem erhaltenen Tablet kann der Bahnhofsvorsteher nun den Abschnitt für den Gegenzug, der auf dem linken Gleis bereits wartet, freischalten.
Bild 28: Im sehr gepflegten Bahnhof Ohiya (generell sind alle Bahnhöfe in Sri Lanka sehr gepflegt, aber der Bahnhof Ohiya sticht noch einmal heraus) hängt dieses alte Foto des Bahnhofs, das kurz nach der Eröffnung dieses Streckenabschnitts 1893 entstand.
Bild 29: Dieses historische Bild zeigt den folgenden Abschnitt zwischen Ohiya und Idalgashinna. Gleich 14 Tunnel und dutzende Brücken mussten angelegt werden, damit die Strecke dem Bergkamm folgen kann.
Bild 30: Einer der 14 Tunnel zwischen Ohiya und Idalgashinna.
Bild 31: Der Bahnhof Idalgashinna liegt dann direkt auf dem Bergkamm. Dieses Bild hängt dort am Bahnhof und zeigt einen sehr seltenen Zustand. Denn an fast allen Tagen des Jahres ist der Bahnhof in dichten Nebel gehüllt, denn hier an der niedrigsten Stelle schwappt die feuchtwarme Lust aus den im Hintergrund sichtbaren Küstenebenen über den Bergkamm. Bei meinem Besuch im März 2024 konnte man teilweise kaum noch die Hand vor dem Gesicht erkennen.
Bild 32: Hinter Idalgashinna erlässt die Strecke dann den Bergkamm und schlängelt sich weiter hinab in Richtung Haputale. Im Hintergrund kann man ganz gut erkennen, wie die feuchtwarmen Luftmassen aus den westlichen Küstenebenen hier über den Bergkamm schwappen.
Bild 33: Der Bahnhof Glenanore ist ein weiterer Bahnhof, der seine Existenz nur der gleichnamigen Teeplantage verdankt, in der er liegt.
Bild 34: Der Bahnhof Haputale liegt dann schon wieder mehr als 400 Höhenmeter unter dem Scheitelpunkt. Er wurde 1893 eröffnet, erst ein Jahr später konnte man von hier dann auch weiter bis nach Bandarawela reisen. Zwischen Bild 33 mit strahlendem Sonnenschein und diesem Bild mit Nebel lagen übrigens nur wenige Minuten. So schnell ändert sich hier das Wetter in der Nähe des Bergkamms.
Bild 35: Zur Abwechslung mal wieder eine Karte, diesmal vom Bahnhof Bandarawela, der von 1894 bis 1918 Endstation der Main Line war. Man kann ganz gut erkennen, dass der Bahnhof dereinst durchaus als Endbahnhof geplant war. Erst knapp 25 Jahre nach der Eröffnung wurde dann die Verlängerung nach Ella rechts unten in Betrieb genommen.
Bild 36: Und schon sind wir in Ella angekommen. Lange Zeit ein unscheinbares Kaff oben in den Bergen, das von 1918 bis 1921 Endstation der Main Line war, bis es der Lonely Planet auf irgendeine Liste der zehn schönsten Orte der Welt oder so gesetzt hat. Seither überrollen Backpacker den Ort auf der Suche nach Pizza, Burgern, billigem Alkohol und Streaming-Möglichkeiten der aktuellsten Netflix-Serien. Warum man dafür hier hoch in die Berge fährt, erschließt sich mir nicht. Aber sei’s drum, die Bahn freut es. Sie bietet sogar zweimal die Woche einen speziellen Backpacker-Expresszug zwischen Colombo und Ella an.
Bild 37: Direkt hinter Ella müssen auf kurzer Distanz nochmals rund 400 Höhemeter bergab absolviert werden, was die Ingenieure vor große Herausforderungen stellte. Die Eröffnung der letzten 20km bis Badulla zog sich daher noch mehr als sechs Jahre hin. Eines der notwendigen Bauwerke war das Gotuwala Viadukt, auch Nine Arches Bridge genannt (es sind tatsächlich neuen Bögen, auch wenn man auf dem Bild nur sieben sieht). Ein Selfie mit der Brücke und Zug ist für alle Backpacker ein absolutes Muss, die Brücke ist inzwischen eine der wichtigsten Touristenattraktionen Sri Lankas und taucht in fast allen Werbebroschüren und Imagefilmen auf. Dabei ist es ein Steinviadukt, wie man es an zahlreichen anderen Eisenbahnstrecken der Welt findet. Allenfalls die Umgebung ist vielleicht nicht immer so spektakulär. Das Viadukt ist 100 Fuß (30m) hoch, 400 Fuß (122m) lang und liegt in einer Kurve mit Steigung. Die Bögen haben jeweils eine Spannweite von 30 Fuß (9m). Die meisten Brücken auf der Main Line wurden ja als Stahlgitterbrücken auf gemauerten Pfeilern ausgeführt. In der Literatur findet man mehrere Gründe, warum das Gotuwala Viadukt ausgerechnet komplett in Stein ausgeführt wurde. Angeblich war es zum Zeitpunkt des Baubeginns 1917 unmöglich, die notwendigen Stahlteile aus Großbritannien zu importieren, andere verweisen auf die komplexen Eigenschaften (enger Kurvenradius mit Steigung) und die Tatsache, dass passende Steine und Sand direkt an der Baustelle reichlich zur Verfügung standen.
Bild 38: Eine weitere Ansicht der Nine Arches Bridge. Kurz zuvor hatte es einen heftigen Regenschauer gegeben, daher hielt sich der Touristenandrang in Grenzen. Auf der Brücke sind inzwischen drei Bahnpolizisten im Dienst, um den Zügen auf der Brücke den notwendigen Platz im Lichtraumprofil zu verschaffen.
Bild 39: Weiter geht’s zum Bahnhof Demodara, der sich, abgesehen von der Satellitenschüssel auf dem Dach noch genau präsentiert wie zu seiner Eröffnung im Jahr 1921. Direkt unter dem Bahnhof liegt übrigens ein Eisenbahntunnel, denn in Demodara wurde eine Spirale angelegt. Die Gleise umrunden hier einmal einen Hügel, um dann den Bahnhof eine Ebene tiefer zu unterqueren.
Bild 40: Hier noch eine Karte der Spirale von Demodara.
Bild 41: Nun sind wir am Endpunkt der Strecke in Badulla angekommen. Rund 60 Jahre nach der Eröffnung des ersten Abschnitts der Main Line von Colombo nach Ambepussa am 2.10.1865 erreichte am 5.2.1924 der erste offizielle Zug den Endbahnhof in Badulla, rund 650m.ü.d.M. (A.Savin, FAL, via Wikimedia Commons).
Bild 42: Das Empfangsgebäude präsentiert sich noch immer weitgehend wie im Eröffnungsjahr 1924 (A.Savin, FAL, via Wikimedia Commons).
Bild 43: Der Gleisplan des Bahnhofs Badulla riecht ganz stark danach, dass er nicht als Endbahnhof, sondern eher als Durchgangsbahnhof geplant war. Zu einer damals geplanten Streckenverlängerung konnte ich allerdings keinerlei Informationen finden.
Damit habt ihr es geschafft und seid die gesamte Main Line von Colombo bis Badulla gereist. Die Expresszüge benötigen für die 291km rund 12 Stunden (sofern es keine Verspätung gibt, was aber selten vorkommt). Ich hoffe, dass ich euch nicht ganz so viel Zeit mit den drei Berichten gestohlen habe. Im nächsten Beitrag stelle ich dann die anderen Strecken auf Sri Lanka vor. Aber keine Sorge, es wird nicht mehr so ausführlich werden. Denn zum einen sind die Strecken bei weitem nicht so spektakulär, zum anderen habe ich viele davon auch gar nicht bereist und frei verfügbare, historische Aufnahmen finden sich auch nur recht wenige. Ich würde mich trotzdem freuen, wenn ihr dann wieder mit einsteigt.