siehe auch:
[CH] Die Roten Pfeile der SBB, RAe 2/4 1001, Teil 1 (11B) [
www.drehscheibe-online.de]
[CH] Die Roten Pfeile der SBB, RAe 2/4 1001, Teil 2 (10B) [
www.drehscheibe-online.de]
[CH] SBB RBe 2/4 1002: Als der Rote Pfeil das Militärkonzert rettete [
www.drehscheibe-online.de]
[CH] Die Roten Pfeile der SBB, RBe 2/4 1002 mit Anhänger! (13B) [
www.drehscheibe-online.de]
[CH] Die Roten Pfeile der SBB, RAe 2/4 1002 im alten Bahnhof Bassersdorf (9B) [
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Die 1935-1938 in Betrieb genommenen Roten Pfeile wurden aus dem Stand bei der gesamten Schweizer Bevölkerung ausserordentlich populär, gewissermassen zu Sinnbildern der modernen SBB.
Für grössere Gruppen liessen die SBB 1938/39 einen zweiteiligen Roten Pfeil mit 112 Sitzplätzen bauen. Von den einteiligen Roten Pfeilen übernahm der Re 4/8 301 die charakteristischen Vorbauten. Eine kleine Küche samt Anrichte bereicherte die luxuriöse Innenausstattung. Das Gebläse der Heizung konnte mit Trockeneis an heissen Sommertagen auch zur
Kühlung des Innenraumes verwendet werden, ein erster Anflug von „Klimaanlage“ in einem Schweizer Eisenbahnfahrzeug!
Der 46,2 m lange und 93 t schwere Doppeltriebwagen wies mit 1140 PS Stundenleistung etwas mehr als die doppelte Leistung der einteiligen Vorgänger auf. Im Hinblick auf die Schweizerische Landesausstellung 1939 wurde die Höchstgeschwindigkeit auf prestigeträchtige
150 km/h festgesetzt.
Die neuartigen, stufenlosen Gleittransformatoren waren in den Vorbauten untergebracht, sie waren von den 1937/38 in Betrieb genommenen, ebenfalls rot gestrichenen Schnelltriebzügen Re 8/12 501-502 „Schienenblitz“ übernommen worden. Diese Züge sind selbst unter Experten kaum mehr bekannt, weil nach schweren Brandfällen vier der einst sechs Fahrzeugteile 1964 zu einem Schnelltriebzug RABDe 8/16 1041 „Tatzelwurm“ zusammengestellt wurden, der dann seinerseits nur noch bis 1968 durchhielt.
Die „Landi 39“ wurde vom Ausbruch des Zweiten Weltkrieges überschattet. Als der elegante "Doppelpfeil" Re 4/8 301 nach der Ausstellung dem Betrieb übergeben wurde, war der Gesellschaftsreiseverkehr völlig zusammengebrochen.
Die grosse Zeit des Doppeltriebwagens begann erst 1946, nachdem er durch zahlreiche Presseberichte über Extrafahrten für den englischen Premier
Sir Winston Churchill grosse Popularität erlangt hatte. Eisenbahner und Volk nannten ihn nun den „Churchill-Pfeil“! Nur während der Landesausstellung „Expo 64“ in Lausanne leistete der Zug planmässige Einsätze um Winterthur, sonst stand er ausschliesslich für Extrafahrten zur Verfügung.
Von Ende 1967 bis Juni 1969 wurde der nun RAe 4/8 1021 genannte Doppeltriebwagen in der SBB-Hauptwerkstätte Zürich revidiert und leicht modernisiert. Die bisherigen Chrombuchstaben wichen gelben Aufschriften, eine Zierlinie auf Wagenbodenhöhe verlieh ihm zusätzliche Eleganz.
Als Besonderheit besass RAe 4/8 an den Stirnwänden der Personenabteile eine Geschwindigkeitsanzeige, die bis 150 km/h reichte. In der Literatur wird verschiedentlich behauptet, der RAe 4/8 1021 habe im regulären Gesellschaftsreiseverkehr gar nie 150 km/h erreicht. Das ist definitiv nicht wahr, mindestens zwischen zwischen 1969 und 1978 ist der Zug auf geeigneten Streckenabschnitten im Wallis und in der Ostschweiz so schnell gefahren. Selber erlebt habe ich eine Fahrt mit bis zu 150 km/h im RAe 4/8 1021 am 27. August 1977, auf der Strecke Visp - Leuk.
Obwohl das Buschtelefon zuverlässig fast alle Fahrten des „Churchill-Pfeils“ ankündigte, gelang es mir nur ein einziges Mal, rechtzeitig vor Ort zu sein und den bewunderten Zug zu fotografieren, im Mai 1978.
In Lenzburg Stadt ist RAe 4/8 1021 auf ein Abstellgleis gefahren, um dort die Rückkehr der Reisegruppe vom Mittagessen in der Altstadt abzuwarten.
Der mit einem modernisierten Wagenkasten versehene Gepäcktriebwagen De 4/4 1663 schiebt einen Pendelzug mit typischen Seetal-Personenwagen am abgestellten Roten Pfeil vorbei Richtung Wildegg. Der Bahnhof Lenzburg Stadt ist längst verschwunden. Er lag an der historischen Strecke der 1922 verstaatlichten Seetalbahn. Im Bildhintergrund ist der Damm der SBB-Heitersbergstrecke zu erkennen, der die Schnellzüge Zürich - Bern hoch über die Gleise der alten Seetalbahn führt.
Das nördliche Ende der alten Seetalbahn befand sich in Wildegg, wo die Strecke in die ursprüngliche West-Ost-Hauptstrecke der SBB über Brugg einmündete. RAe 4/8 1021 führt von Lenzburg Stadt her in den Bahnhof Wildegg ein. Rechts stellt eine rote De 6/6, ein sogenanntes „Seetal-Krokodil“, den Güterzug Richtung Seetal zusammen.
Wenige Monate nach diesen Aufnahmen zwang ein Transformatorschaden den RAe 4/8 1021 in die Werkstätte. Die Probefahrt nach der Reparatur verlief nicht erfolgreich, und der „Churchill-Pfeil“ wurde auf Ende 1979 ausrangiert. Private retteten das einzigartige Triebfahrzeug vor dem Abbruch. Für die Wiederinbetriebnahme 1996 bei der Mittel-Thurgau-Bahn MThB mussten die nicht reparierbaren Gleittransformatoren von 1939 ersetzt werden. Von der leider konkurs gegangenen MThB gelangte RAe 4/8 1021 im Jahre 2002 wieder an die SBB.
Der legendäre „Churchill-Pfeil“ hat die alten Chrombuchstaben zurückerhalten, die Zierlinie auf Fussbodenhöhe behalten. Der Einbau von Tischen und Lämpchen in allen Abteilen gefällt nicht allen Eisenbahnfotografen, erleichtert aber die Vermarktung des einzigartigen Zuges. RAe 4/8 1021 auf der Sitterbrücke bei Bischofszell.
RAe 4/8 1021 bei Gossau SG.
Gute Fahrt, Churchill, bis in alle Ewigkeit!
Fortsetzung folgt.
Gruss, Werner
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3-mal bearbeitet. Zuletzt am 02.02.25 19:05.