Dieser Beitrag in eine zweite Fortsetzung zu den von Oebisfelde ausgehenden Nebenbahnen und behandelt die Strecke in Richtung Beetzendorf / Salzwedel, beschränkt auf den Nahbereich um Oebisfelde. Für die normalspurige Kleinbahn in Richtung Rühen / Wittingen wird eine weitere Fortsetzung folgen.
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Link zu Teil 2
Zunächst noch einmal eine Übersichtskarte und der Gleisplan des Bahnhofs Oebisfelde zur besseren Orientierung – Norden ist im Gleisplan unten, auf der Karte hingegen, wie üblich, oben:
Bild 1: Die Gesamtsituation im Osten des „Zonengrenzbahnhofs“, wie sie sich 1945 darstellte. Alle Strecken sind noch eingetragen. Mit der rot gepunkteten Linie habe ich versucht, die grobe Lage des Neubauabschnitts im Verlauf der Strecke nach Salzwedel darzustellen. Die blauen Punkte verdeutlichen die „Fotostandpunkte“ dieses Beitrags.
Bild 2: Der Gleisplan von Oebisfelde in den späten 1930er Jahren. Noch Nordosten verlässt die Strecke nach Salzwedel den Bahnhof, nach Nordwesten die Kleinbahn in Richtung Wittingen.
Die 1889 in Betrieb genommene eingleisigen Nebenbahn Oebisfelde – Salzwedel war eine Verbindung zwischen den Hauptbahnen Hannover – Berlin (Lehrter Bahn) und der Strecke Berlin – Stendal – Uelzen als Teil der sogenannten „Amerika-Linie“. Erschlossen wurde damit das nur gering besiedelte Gebiet der Altmark, auch mit im Anschluss an die Betriebsaufnahme entstanden weiteren Klein- und Nebenbahnen unter privater Regie.
Anders als die bereits behandelten Strecken wurde die Salzwedeler Bahn 1945 nicht von der Demarkationsgrenze zertrennt, was den mit ihr in Verbindung stehenden Kleinbahnstrecken zum Teil nicht erspart blieb.
Auch nach der Wende 1989 blieb die Strecke zunächst im Güter- wie auch im Personenverkehr in Betrieb, musste aber im Bereich unmittelbar im Anschluss an den Bahnhof Oebisfelde gravierende Veränderungen mitmachen. Grund war die bereits vor der Wende angedachten, in den 1990er Jahren unter Regie der DB AG dann durchgeführten Baumaßnahmen in Verbindung mit der ICE-Schnellfahrtrasse zwischen Lehrte und Berlin-Spandau. Die elektrifizierte zweigleisige Schnellfahrstrecke erhielt eine eigene Trasse und wurde von der eingleisig und im Dieselbetrieb befahrenen Nahverkehrsstrecke baulich getrennt. Der Bahnhof Oebisfelde wurde zwar mit der Schnellfahrstrecke über Weichenstraßen verbunden, wird aber vom Fernverkehr normalerweise nicht angefahren. Zu- bzw. Ausstiegsmöglichkeit bietet der Bahnhof Oebisfelde lediglich den Nahverkehrszügen. Im Bereich des Bahnhof ist das private Eisenbahn-Betriebsunternehmen Altmark Rail ansässig sowie im früheren Güterbahnhof und dem benachbarten ehemaligen Bahnbetriebswerk mit BBL Technik ein Eisenbahn-Logistikunternehmen. Auf diese Unternehmen wird im vierten Teil des Beitrags noch kurz eingegangen werden.
Bild 3: Erst unmittelbar am Ortseingang von Wassendorf findet man eine Stelle, an der die Gleislage der Salzwedeler Strecke nachvollziehbar ist. Der Abschnitt bis zum Bahnhof – im Rücken des Fotografen – ist wegen der umwälzenden Veränderungen durch die Neubaustrecke entweder überbaut oder bis zur Unkenntlichkeit verändert. Der Blick geht hier in Richtung Salzwedel. In Höhe des schwarzen Pkw lag das Gleis unmittelbar neben der Straße. Ab dort, wo die Mittel-Striche in der Fahrbahn beginnen, ist die Lage der Straße verändert worden (wegen der Neubaustraße/Ortsumgehung). Im Vordergrund wird das Gleis in Höhe der Insel gelegen haben.
Bild 4: Ortseingang Wassendorf. Das Gleis lag hier unmittelbar links neben der Straße und beschrieb hinter dem Baum eine Linkskurve, um den Ort zu umfahren.
Bild 5: Ortseingang Wassendorf, selbe Position wie in Bild 4, Blick in die Gegenrichtung auf Salzwedel zu.
Dem Bau der Schnellfahrstrecke, die an der Nordseite des Bahnhofs Oebisfelde verläuft, fiel nicht nur die Anbindung der früheren Kleinbahn aus Richtung Wittingen / Rühen zum Opfer, sondern auch ein Teil der Trasse der Salzwedeler Strecke. Diese Strecke verlief ursprünglich auf Wassendorf zu und umfuhr das Dorf an der westlichen und nördlichen Bebauungsgrenze entlang, um anschließend geradlinig auf die Brücke über den Mittellandkanal zuzustreben.
Bild 6: Nach wie vor am Ortsanfang von Wassendorf. Ein Tele-Blick auf die Umgehungskurve der Bahnstrecke hart am Grünbewuchs entlang. Am linken Bildrand ging die Trasse dann in eine Rechtskurve über, in deren Verlauf der BÜ Haubestraße / Kreisstraße 1124 lag (nächstes Bild).
Bild 7: BÜ Haubestraße / K 1144, Ortslage Wassendorf, Blick in Richtung Oebisfelde. Die Bahn verlief links der kleinen Fichte.
Da die Schnellfahrstrecke unmittelbar östlich von Oebisfelde auf die Südseite der Regionalbahn wechselt, war dort ein Überwerfungsbauwerk notwendig. Während die Schnellfahrgleise auf der oberen Ebene die Regionalbahn queren, verlassen im unteren Bereich zwei Streckengleise den Bahnhof: Blickt man nach Osten, so liegt linkerhand das Streckengleis nach Salzwedel und rechts das nach Gardelegen. Unmittelbar hinter dem Überwerfungsgleis schwenkt die Salzwedeler Strecke nördlich ab, um in einem eleganten s-förmigen Bogen nordöstlich von Wassendorf wieder an die ursprüngliche Trasse anzuschließen. Mit dieser Neubaustrecke zwischen Oebisfelde und dem Mittellandkanal verbunden war die aufwändige Anhebung der Landstraße Wassendorf – Kusey, die mittels einer Spannbetonbrücke die Bahnlinie überquert. Die alte Trasse westlich und nördlich von Wassendorf wurde überflüssig und nach der Inbetriebnahme des Neubauabschnitts abgebaut.
Bild 8: Südöstlich von Wassendorf quert die Kreisstraße 1124 sowohl die Schnellfahrstrecke (links zu sehen) wie auch die Regionalbahnen in Richtung Gardelegen (rechtes Gleis) und Salzwedel (linkes Gleis). Im Hintergrund ist das Überwerfungsbauwerk zu erkennen. Was wie eine zweigleisige Hauptbahn aussieht, sind allerdings zwei getrennte eingleisige Strecken, wie das nächste Bild zeigt.
Bild 9: Unter dem Überwerfungsbauwerk erkennt man nicht nur den Prellbock im Gleis Richtung Salzwedel, sondern auch, dass das Gleis unmittelbar dahinter nach links schwenkt. Am unteren Bildrand sieht man die Hektometertafel 0.0 in Richtung Salzwedel. Der verbliebene Gleisstumpf ist mit Gleissperrsignal gesichert, kann also noch befahren werden.
Bild 10: Blick aus der Luft auf das Überwerfungsbauwerk. Oebisfelde liegt weiter rechts und ist nicht sichtbar.
Bild 11: Im Anschluss an das Überwerfungsbauwerk nähert sich das Streckengleis nach Salzwedel der neu gebauten Bundesstraße 188. Als die Strecke noch in Betrieb war, gab es die Straßenpiste noch nicht. Sieht man sich das Verkehrsaufkommen an, fragt man sich, warum sie überhaupt gebaut werden musste. Wo Gleis und Bahntrasse aufeinandertreffen hätte in jedem Fall ein Brückenbauwerk, verbunden mit einer deutlichen Anhebung der Straße, errichtet werden müssen, da das Gleis nicht tief genug lag. Dieses Bauwerk hat man sich offenbar gespart.
Bild 12: Drohnenblick in Richtung Nordosten. Ganz rechts die Schnellfahrstrecke, dann das Streckengleis nach Gardelegen und daneben in eine Linkskurve übergehend die Strecke nach Salzwedel, die durch die B 188 und einen parallel verlaufenden Feldweg unterbrochen wird. Weiter links von der Straße kann man den weiteren Verlauf gut nachverfolgen. Dort liegt das Gleis noch ein Stück weit und ist mit dem im Text erwähnten Schwellenvorrat und Schienen belegt.
Die rund vier Kilometer lange Neubaustrecke muss schon vor der Betriebsaufnahme des Schnellverkehrs genutzt worden sein, da die Umfahrung Wassendorf durch die Baustelle der Neubaustrecke unmöglich gemacht wurde. Der große finanzielle Aufwand, der mit diesem Neubaustück einhergegangen sein muss, steht allerdings dann in keinem sinnvollen Verhältnis zur Nutzungsdauer, denn Ende Oktober 2004 wurde die Strecke stillgelegt, da einerseits kaum noch Verkehrsbedarf bestand, andererseits aber wegen der Verbreiterung des Mittellandkanals dort ein neues Brückenbauwerk erforderlich geworden wäre. Trotz der millionenschweren Investitionen in den Neubaustreckenabschnitt hatten DB AG und Land Sachsen-Anhalt kein Interesse mehr an der Strecke. Dass die Deutsche Regionaleisenbahn DER die Strecke anschließend übernahm, besserte die Situation natürlich nicht, denn die anliegenden Kommunen ließen jegliches Interesse am Bahnverkehr vermissen. So kam es im Mai 2022 schließlich dazu, dass die DER die Strecke zur Übernahme ausschrieb, da den Unterhaltungskosten keinerlei Einnahmen entgegenstanden. Die Stilllegung erfolgte dann im Dezember 2022.
Große Teile der Durchgangsgleise dieser Strecke liegen noch, wenn auch teilweise sehr stark zugewachsen; lediglich zwischen dem Mittellandkanal und der Einmündung in den Bahnhof Oebisfelde wurde das Gleis entfernt. Zunächst wurde die Bundesstraße 188 im Bereich Oebisfelde im Zuge einer Ortsumgehung neu trassiert und parallel dicht an die Schnellfahrtrasse verlegt. Dadurch wurde auch das Gleis nach Salzwedel „berührt“ – mit der Folge, dass das dort erforderliche Brückenbauwerk nicht errichtet, sondern das Gleis auf etwa 100 m Länge entfernt und Schwellen sowie Schienen in einer Art „Vorrat-Stapel“ auf der Trasse gelagert wurden. Bis zum nächsten Feldwegübergang liegt das Neubaugleis noch und dient so als Lagerfläche, die ein wenig an die in der DDR-Zeit üblichen strategischen Umgehungskurven und -bahnen erinnert, die in Kreuzungsbereichen ausgespart blieben, während die zugehörigen Gleisjoche zum „Lückenfüllen“ daneben gestapelt wurden. Weiter in Richtung Salzwedel ist das Gleis dann aber mindestens bis zum Mittellandkanal komplett abgebaut und die abgeräumte Trasse dient als Feldweg.
Bild 13: Die Situation vom parallel zur B 188 verlaufenden Feldweg erlaubt den Blick auf die gelagerten Schwellen und den alten Bahndamm.
Bild 14: Aus der Vogelperspektive bietet sich dann dieses Bild. Gut zu erkennen ist, dass das Gleis auch weiter in Richtung Salzwedel noch liegt – aber nur bis zum nächsten Feldweg (vgl. Bild 17).
Bild 15: An der Senke in der kleine Mauer hätte das Gleis die Straße kreuzen müssen. Der Blick geht in Richtung Oebisfelde, im Hintergrund ist die über das Überwerfungsbauwerk verlaufende Schnellfahrstrecke zu erkennen.
Bild 16: Aus etwas größerer Höhe noch einmal der Blick auf die Salzwedeler Neubautrasse. Das nächste Bild zweigt dann den Kreuzungspunkt zwischen der Trasse und dem in der linken unteren Ecke verlaufenden Feldweg.
Bild 17: Von rechts nach links müsste eigentlich hier in Bildmitte das Gleis von Oebisfelde (rechts) nach Salzwedel (links) den Feldweg kreuzen, aber Gleis und Schotter sind hier und auch weiter bis zum Mittellandkanal bereits entfernt. Geht man bis zu früheren BÜ und wendet sich nach rechts, hat man den im nächsten Bild gezeigten Blick
Bild 18: Der Blick geht in Richtung Oebisfelde. Auf den letzten Schienenmetern lagert ein Schwellenstapel, dessen Sinn sich mir nicht erschließt.
Bild 19: Mitten durch die Felder verlief die Bahntrasse zwischen Mittellandkanal (unten) und Oebisfelde (oben rechts) in einer elegant geschwungenen S-Kurve. Heute dient sie nur noch als Feldweg.
Bild 20: Mit ziemlichem Aufwand wurde die Landstraße 22 östlich von Wassendorf auf einer Länge von mehreren hundert Metern mit Hilfe eines aufgeschütteten Damms angehoben und die Gleistrasse mit einer Spannbetonbrücke gequert. Der Blick geht in Richtung Salzwedel. Von links kann man erahnen, dass sich entlang des hellen Geländestreifens die alte Trasse aus Richtung Oebisfelde nähert.
Bild 21: Noch einmal die heute völlig überflüssige Straßenbrücke, diesmal aus der entgegengesetzten Richtung. Der Blick folgt der ehemaligen Bahntrasse in Richtung Oebisfelde.
Bilder 22 und 23: Annäherung der alten Trasse aus Richtung Oebisfelde (von links unten kommend entlang der Gebüschreihe) in Richtung Mittellandkanal / Salzwedel. Rechts nähert sich die ehemalige Trasse der Neubaustrecke.
Die Bahnanlagen in Oebisfelde haben mich sehr stark in ihren Bann gezogen, schon in den 1990er Jahren beim ersten Anblick der vorgelagerten Abzweigstelle Grafhorst. Insgesamt fünf Besuche waren erforderlich, um das hier und in den vorherigen Beiträgen gezeigte Bildmaterial zusammenzustellen, da zunächst nicht geplant war, nach der Abhandlung über die Strecke nach Schandelah auch die Übrigen ausführlich zu dokumentieren. Mehrfach habe ich dann meine eigenen Vorstellungen erweitert, Karten- und Luftbildstudium führten schließlich bei mir zu dem Wunsch nach Mehr. Ich hoffe, meine mitunter breiten Ausführungen langweilen nicht – und wenn doch: einfach weiterklicken! Wem’s gefällt, der kann ja gerne ein paar anerkennende Worte hinterlassen – es würde mich freuen!
In diesem Sinne grüßt
Der ex-Bergische und Neu-Wendländer!
2-mal bearbeitet. Zuletzt am 02.10.24 18:19.