Gruß
Rolf Hafke
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*** Strassenbahnen aus Belgien“ „Les Tramways Belges en Egypte 1894 – 1960“ von Roland Dussart-Desart, Brüssel 2020, 172 Seiten im Format 21,5 x 30,0 cm, gebunden, Herausgeber: Tramania asbl, Preis: 47,00 €
Heute kaum mehr wahrnehmbar war das kleine Land Belgien einst hochindustrialisiert, wobei besonders die durch Kohle und Erzvorkommen begünstigte Stahlerzeugung sehr stark war und diesen Werkstoff verarbeitenden Industrien nach sich zog. In der Herstellung von Lokomotiven, aber auch anderen Schienenfahrzeugen war Belgien seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein wichtiger Lieferant. Allein am Bau von Straßenbahnwagen waren etwa 30 Firmen beteiligt. Durch seine Kolonien war das Land weltweit gut vernetzt und konnte die dort hergestellten Produkte in mehrere Erdteile exportieren. So fanden zwischen 1894 und 1960 auch zahlreiche in Belgien hergestellte Straßenbahnwagen den Weg nach Ägypten, wo sie bei den dortigen Betrieben von Alexandria, Heliopolis und Kairo noch bis in die 1980er Jahre hinein zum Einsatz kamen. Ein weiterer großer Absatzmarkt war das russische Zarenreich, zu dem es auch eine entsprechende Veröffentlichung (aus 2019 ***] ) gibt.
Das nun vorliegende Buch beschreibt Bau, Export und Einsatz der entsprechenden Fahrzeuge und lüftet dabei endlich so manches Geheimnis, welches mangels Unterlagen oder möglicher Verständigung bestand. Es behandelt aber auch die Entstehung der ägyptischen Straßenbahnbetriebe, denn nicht nur die Fahrzeuge kamen zumeist aus Belgien aber z.T. auch aus Deutschland (MAN), auch mit Kapital, Knowhow und dem Bau der Systeme unterstütze Belgien den Aufbau. Das geht bis in Pferdebahnzeiten zurück, aber auch die dampfbetriebenen Schmalspurbahnen nach Vorbild der nationalen Kleinbahngesellschaft SNCV wurden an den Nil exportiert. Aber auch deren elektrische Weiterentwicklung mit schweren Vierachsern wurde dort heimisch.
Vor allem der Belgische Industrielle Baron Edouard Empain, an den in Heliopolis ein prächtiger Palast erinnert, fungierte als Finanzier der mit belgischem Kapital gegründeten Aktiengesellschaften, die als sehr solide galten und an denen sich die gesamte internationale Finanzwelt gerne beteiligte. Seine in Frankreich aktive „Chemins de Fer Economique du Nord“ (CEN) gehörte auch am Nil zu den einflussreichen Gesellschaften und Betreibern von Nebenbahnen. Das ungehinderte Engagement Belgiens erstaunt, da Ägypten von 1882 bis 1922 unter britischer Herrschaft stand und man eher den Einfluss der britischen Krone auf die wirtschaftliche Entwicklung des Landes vermutet hätte. Überall wo Geld fließt, sind Affären und Skandale aber nicht weit, sie sind also keine Erfindung der Neuzeit und sie werden auch in diesem Buch beschrieben.
Zum Verstehen dieses äußerst vielfältigen Themas sind Kenntnisse der französischen Sprache von großem Vorteil. Es ist erstaunlich, was der Autor zu diesem Thema in belgischen, englischen aber auch ägyptischen Quellen alles zutage gefördert hat. Illustriert ist das Buch reichhaltig mit zahlreichen Abbildungen in Form von Fotos, Ansichtskarten und zeitgenössischen Faksimiles, aber auch Stadtplänen und Streckenkarten. Das Buch ist so nicht nur eine Dokumentation über den Fahrzeugeinsatz, sondern auch über die Entstehung und Entwicklung der Straßenbahnen in Ägypten überhaupt. Ein außergewöhnliches Buch zu einem wahrlich exotischen Thema, welches einen wichtigen Mosaikstein zur Vervollständigung der Themenvielfalt im Bereich des schienengebundenen Nahverkehrs liefert. (reu)
**] Bereits in 2019 erschienen:
„Les Tramways Belges en Russie“ von Roland Dussart-Desart, Brüssel 2019, 84 Seiten im Format 21,5 x 30,0 cm (mehr als 120 Farb-Abbildungen), gebunden, Herausgeber: Tramania asbl, Preis: 27,00 €
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Inhalt: (ab Seite – Thema)
4 1880 – 1914: l’essor des tramways belges en Russie
18 Vos billets, svp
20 La révolution de 1905
35 Simféropol, ultime jalon de la Belle Epoque
44 Tableau et carte des entreprises belges de tramway en Russie 1880 – 1917
48 1914 – 1920: la fin des tramways belges en Russie
67 ‚Aprés la révolution
78 Les vestiges d’une épopée
80 La restauration d’un dernier témoin: la motrice TV 57
82 Bibliographie