... veraltet leider recht schnell. Physikalisch-technische Grundlagenwerke werden auch historische Sachverhalte nicht mit grossformatigen "schönen" bunten Bildchen schmücken, sondern allenfalls, aber nicht notwendigerweise, farbig ausgelegten Diagrammen.
1) Ich habe es als Eisenbahnfreund nach dem Buch von Prof.Dr.-Ing. Zarko Filipovic (NICHT zu verwechseln mit dem mehrbändigen Grundlagenwerk gleichen Titels von K.Sachs)
"ELektrische Bahnen - Grundlagen, Triebfahrzeuge, Stromversorgung", 4. Auflage, Berlin/Heidelberg: Springer 2004, ISBN 3-540-21310-4
für mich aufgegeben, weiter mit dem Bücherschrank hinterherhecheln zu wollen: IGBT-Technik ist noch nicht komplett drinne, sondern wird noch als "gleichwertig" mit dem GTO-Thyr. beschrieben (S.149), das ist allenfalls im Rückspiegel noch so. Ansonsten ist fast alles drinne. Keine historisierenden Abhandlungen, aber durchaus im Bewusstsein, dass Zukunft ohne Herkunft nicht möglich ist. Kap.5.8 die verschiedenen "klassischen" Wechselstromschaltungen zur Rekuperationsbremsung unter Zitat u.a. von Leyvraz (s.u.!) und Schacher zur Re6/6.
Die wesentlichen Punkte zur IGBT-Technik haben sich aber seit dem VDE-Fachbericht 50 (1994) m.E. nicht nennenswert verändert, auch wenn das Prof. Steimel anders sehen mag. Nur war halt auch 1994 noch das Rennen mit dem GTO offiziell "offen", inzwischen fliegt der GTO 'raus, wo's iwesten geht. Scottschaltung (Verminderung der Schieflastigkeit bei Einphasenlast am Drehstrom-Landesnetz, v.a. eingleisiger Strecken) ist drin. Über 100 Jahre altes Prinzip.
2) Solide [bis auf den "Cos Phi > 1" auf S.87 , ansonsten hervorragende Darstellungen der Grundlagen, Anwendungen und zeitgenössische Fallbeispiele!], ist Dr.Siegfried Müller,
"Elektrische und Dieselelektrische Triebfahrzeuge - Leistungsfähigkeit - Wirtschaftlichkeit - Arbeitsweise"
Basel/Stuttgart: Birkhäuser 1979, ISBN 3-7643-1033-2.
Die schweizerischen Resonanz-Rekuperationsbremsungen wird als "sehr kompliziert" nur kurz erwähnt; diese Darstellung bleibt dem Grundsatzartikel von P.Leyvraz in Glasers Annalen 95(1971)7/8, S.207-212, 242 vorbehalten. Dieses "konventionelle", doch erfolgreiche Thema passte damals wie heute nicht ins Weltbild der Bahnlieferanten-Industrie und wird daher inzwischen leider weitgehend totgeschwiegen, siehe auch die 5 derart ausgerüsteten 141er der DB. Scottschaltung ist drin, wenngleich nur knapp.
3) Konventionelle Technik fasste die deutsche Ausgabe des Buches von F.J.G.Haut "Die Geschichte der elektrischen Lokomotive" ganz gut zusammen; Birkhäuser, Basel 1972. Hier insbesondere unter Berücksichtigung der bis in die 1930er Jahre weltweit zusammen mit der Schweiz führenden US-amerikanischen Einphasen-Wechselstromtechnik. Letztere gerade mit der VOR K.Kando in höchsten Leistungen realisierten Phasenspalter-Umformertechnik.
3.a) Ergänzungen dazu findet man in D.W.&M.Hinde: "Electric Traction Systems and Equipment", Oxford: Pergamon Press 1968 - knapp drin ist dabei noch die Drehstrom-Versuchslok "Hawk" von Brush, 1967.
3.b) und c) Englische Originalausgabe des "Haut" fiel m.E. deutlich hinter die deutsche und polnische Ausgabe zurück. Ich konnte beide 1980 bzw. 1994 einsehen; die polnische Ausgabe stellt einen wesentlichen Abriss der nationalem Bahngeschichte in einem eigenen Teil dar, während die deutsche Ausgabe vom Schweizer Lektorat auf den bis ca. 1970 aktuellen Stand "aufgepeppt" und um auch historische Faltblatt-Zeichnungen ergänzt worden war.
Man kommt aber nicht umhin, zu den Einzelthemen darin in die Originalliteratur einzusteigen (Beispiel: Virginian Electrification: "Electric Railway Journal" Jge. 1922 - 1930). Der Autor klassifiziert nicht nach Sachthemen wie z.B. Umformer / Phasenspalter (USA: Westinghouse, Ungarn: Ganz/Kando), sondern nach Ländern und Einzelvorgängen. Das ist offenbar der angelsächsischen Sichtweise auf "Einzelstrecken-Elektrifizierungen" geschuldet, welcher der Aspekt der Vernetzungen und Systemwechselstellen weitgehend fehlt(e). Die Bremsstrom-Rückspeisungen DC->AC durch Hg-Umrichter-Unterwerke (statt mittels rotierender Umformer) z.B. in Südafrika ab 1938 oder am Mont Cenis bleiben leider komplett unberücksichtigt, gehörten jedoch m.E. kritisch (Leistungsfaktor, Oberwellen!) gewürdigt zu einer historischen Darstellung dazu: A.J.G.Gosling: "Railway Electrification in the Republic of South Africa", Glas.Ann.06/1962, S.226-235, v.a. 229/39. Wir sind heute kaum weiter: Beim Thema "Bremsstrom-Rückspeisung in die Versorgungsnetze" findet sich auch heute immer jemand, der die Probleme zur Lösung sucht, bzw. die Technik von Fördergeldern abhängig macht und an der möglichst falschen Stelle (ebene Strecken) einbaut, um die Nicht-Wirtschaftlichkeit zu "belegen".
4) Woimant, Nouvion, Machefert-Tassin: "Histoire de la Traction Electrique", T.1, T.2: Bis 1987 eigentlich alles drin, mit Ausnahme der Strassenbahntechnik, die für die Autoren 1950 (PCC Washington D.C.) aufhört; schon sehr merkwürdig, wenn man den "Schinken" 1989 in Grenoble gekauft hatte ... dafür ist die Rheinbraun mit drin. Natürlich ein nationaler Unterton mit Hervorheben der 50Hz-Vorteile usw. Bemerkt man, muss man drüber hinwegsehen. Dafür die Rolle der Rückspeisung aus Gleichstrombahnen ins Drehstromnetz durch "reversible" Unterwerke gut dargestellt. Die Autoren bleiben beim Thema, und damit kommen verschiedene Länder (oder die Rheinbraun) unter verschiedenen physikalisch-technischen Aspekten mehrfach vor. Die deutsche 120 ist ja nun definitiv kein grosser Wurf geworden. Dafür ist die US-Technik bis zu ihrem Endpunkt (Ignitrons) voll drin, auch die ersten Drehstromantriebe von Garrett (US) und Brush (UK). Scott-Schaltung auch. Dennoch aus heutiger Sicht etwas "technologische Patina" dran.
Keines dieser Werke konnte natürlich auf das (mit Anfang 2021 ablaufenden Patenten eigentlich in den Startlöchern sitzende) Thema "PET" (Mittelfrequenz-Transformatorenkaskade; "Schaltnetzteile"; Alstom, ABB) eingehen. Auch hierzu muss man sich durch Firmendarstellungen und Patente hindurchwühlen.
In keinem der Werke fand ich etwas Solides zum "Deri"-Motor. Doch, etwas in Woimant/Nouvion/Machefert-Tassin T1. Sicher wie auch Kando ein Thema von vorgestern. Aber dennoch m.E. so spannend wie die Phasenspalter-Loks der N&W oder "Virginian".
Das Problem ist, dass viele Autoren ihr national, bahnsystem- oder firmenspezifisch geprägtes Welt- oder zumindest Erfahrungsbild einbringen. Daher muss wie eigentlich immer bei Medien davor gewarnt werden, sich nur mit einem Werk zu begnügen und dieses als Basis zu benutzen. Vor allem muss man sich bewusst sein, welchen Redaktionsstand und welche Aufgabenstellung solch ein Werk hat. Rein historische Fallbeispiele oder eher auf Bildqualität Wert legende Darstellungen sind meist nicht geeignet, den aktuellen Stand von Technik zu vermitteln. Ausnahmen gibts immer.
OK, kann sein, dass "Steimel" (s.Hinweis in vorigen Beiträgen) besser ist, mir reicht erstmal vollkommen der "Filipovic": Bevor ich den nicht aus dem Handgelenk beherrsche, und das tue ich nicht, werde ich nicht nach weiteren Sternen greifen.
Der Unglaeubige Thomas
3-mal bearbeitet. Zuletzt am 2019:07:10:19:07:38.