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EK-Buch "Straßenbahn-Großraumwagen" [Edit: neue Einschätzung!]

geschrieben von: ehemaliger Nutzer

Datum: 23.04.17 14:34

Moin in die Runde,

gestern habe ich (knapp zwei Jahre nach der Bestellung) endlich das im Betreff genannte Buch von Klaus Meschede, Axel Reuther und Josef Schöber erhalten. Den beim ersten Durchblättern entstandenen Eindruck möchte ich Euch nicht vorenthalten. Bereits vor dreieinhalb Jahren erschien der Band "Der klassische DÜWAG-Gelenkwagen" von demselben Autorenteam. Ich zähle mich zu den sehr gut informierten Kennern der (BRD-)Straßenbahngeschichte der 1950er bis '80er-Jahre, aber das Gelenkwagenbuch vermittelte mir doch zahlreiche neue Erkenntnisse -- von den vielen zuvor unveröffentlichten Aufnahmen ganz zu schweigen. Kein Wunder also, dass ich die Neuerscheinung mit entsprechend hohen Erwartungen aufgeblättert habe.

Sicherlich ist auch das neue Buch ein umfassendes Kompendium und das Resultat einer bewundernswerten Fleißarbeit. An die enorme Professionalität des Vorgängers kommt es aber nicht heran. Dass der Mitautor Klaus Meschede (im DSO-HiFo bekannt als User "Borsig 0310") schon 2015 durch Krankheit ausfiel, scheint sich leider bemerkbar zu machen. Ich sage das mit aller Vorsicht, da auch Axel Reuther zweifellos zu den "altgedienten" und hochkompetenten Straßenbahn-Fachautoren zählt.

Schon beim flüchtigen Blättern und Querlesen einiger Kapitel fielen mir ein paar Fehler und Nachlässigkeiten auf, die einem "endgültigen" Standardwerk nicht wirklich gut stehen. So wird z. B. der aus den frühen 1940er-Jahren stammende Entwurf "Hanno" des damaligen Direktors Kremer der Üstra mit keinem Wort erwähnt. Der Zeichnungssatz darf eigentlich als allgemein bekannt gelten, auch aus den DSO-Foren. Er basierte auf italienischen Vorbildern, von denen er z. B. die Tür-/Fensterteilung übernahm, die sich schließlich 1951 genauso in den ersten Düwag-Prototyp-Großraumwagen für Hannover und Düsseldorf wiederfand. Das ist umso bemerkenswerter, als frühe Rheinbahn-Entwürfe sehr viel breitere Fenster vorgesehen hatten. Laut Buch seien diese Fenster konstruktiv nicht zu realisieren gewesen. Das kann allerdings nicht stimmen, denn die zeitgleich entwickelten ersten ZR-Großraumwagen der Düwag hatten sehr wohl deutlich breitere Fenster. Offenbar hatte sich also bei den Einrichtern die kleinteilige Verglasung nur deshalb durchgesetzt, weil deren "Ur-Blaupause", nämlich der "Hanno"-Plan sie von den römischen Vierachsern übernommen hatte.

Im Kapitel Bonn heißt es, die Großraum-Tw 205-214 mit dem "Kieler Grundriss" und daher nur 13.400 mm Länge hätten viel besser zum Bonner Gleisnetz mit seinen vielen engen Kurven gepasst als die Vorserie 201-204. Hier wird leider übersehen, dass auch diese Tw bereits entsprechend verkürzt waren. Dabei hätte die Standardlänge 14.100 mm sehr wohl gepasst -- die SWB mochten ihrem Fahrpersonal aber nicht die harten Seitenausschläge bei schneller Kurvenfahrt zumuten und legten daher Wert auf einen deutlich zurückversetzten Fahrerplatz.

Soweit mein erster Eindruck. Wie gesagt: zwei Macken, die schon beim flüchtigen Durchschauen zutage traten. Ich hoffe sehr, bei der vertiefenden Lektüre nicht auf noch mehr Schnitzer dieses Kalibers zu stoßen. Und bitte nicht missverstehen: Straßenbahnfreunde machen mit dem Kauf sicherlich nichts falsch; als Bereicherung der Fachbibliothek geht der Titel allemal durch.

Beste Grüße aus HH
Helmut



3-mal bearbeitet. Zuletzt am 2017:06:07:16:03:51.

Re: EK-Buch "Straßenbahn-Großraumwagen"

geschrieben von: Samba Tw 303

Datum: 23.04.17 15:02

H2U schrieb:



Im Kapitel Bonn heißt es, die Großraum-Tw 205-214 mit dem "Kieler Grundriss" und daher nur 13.400 mm Länge hätten viel besser zum Bonner Gleisnetz mit seinen vielen engen Kurven gepasst als die Vorserie 201-204. Hier wird leider übersehen, dass auch diese Tw bereits entsprechend verkürzt waren. Dabei hätte die Standardlänge 14.100 mm sehr wohl gepasst -- die SWB mochten ihrem Fahrpersonal aber nicht die harten Seitenausschläge bei schneller Kurvenfahrt zumuten und legten daher Wert auf einen deutlich zurückversetzten Fahrerplatz.


Wirklich sicher?

Die Serie 201 - 204 enstsprach hinsichtlich ihrer Abmessungen auf jeden Fall den Frankfurter L-Serienwagen. Die Längenmaße der Frankfurter L-Serienwagen hab ich gerade nicht zur Hand. Die Wagen 201 - 204 müssen auch aus folgenden Gründen länger gewesen sein als die Serie 205 - 214: Die jeweils drei Fenster zwischen den Türen sind allein schon mit dem bloßen Auge wesentlich breiter zu erkennen. Auch die Front und das Heck sind mit der ZR-GT6 Front länger als bei der Front mit eingedrückter Scheibe. Die Türen hatten beide dieselben Maße. Insofern ist für mich rätselhaft, wo die Serie 201 - 205 die gleiche Wagenlänge wie die der Serie 205 - 214 gehabt haben soll. Nachmessen kann man es leider nicht mehr, die letzten beiden Wagen der ersten Serie wurden vor einigen Jahren erst in Sofia verschrottet

Re: EK-Buch "Straßenbahn-Großraumwagen"

geschrieben von: GT6GÜ

Datum: 23.04.17 15:36

...eingedrückte Scheibe?

Dat Ding häet einen Namen: PCC-Front, weil vom entsprechenden amerikanischen Vorbild inspiriert 😁😎

Ich denke aber hinsichtlich der kontroversen Abmessungsfrage das hier sicherlich sehr vieles eher möglich als unmöglich sein dürfte - handelt es sich im Groben, wie später auch bei den Gelenkwagen, um einen "Baukasten" aus dem DÜWAG ganz nach Kundenfasson und -Wunsch alles möglich zu machen versuchte. So unterscheiden sich etwa nicht nur die Kölner GT6 und GT8 von den entsprechenden Vertretern in vielen anderen Städten hinsichtlich des Tür-/Fensterteilers und der Breite der Fenster, sondern auch der Hannoveraner GT6 (ursprünglich vorne nur einfachbreite Türe und ein Minifenster bevor die eigentlichen Seitenfenster vor Tür2 kommen und sechs statt fünf Seitenfenster auf der türlosen Seite des Nachläufers. In etwa in dieser Weise waren die beiden türlosen Hälften der Lohner Sechsachser in Innsbruck gestaltet, bei denen es sich ja um DÜWAG-Lizenzbauten handelte. Oder die Rotterdamer Achtachser in DÜWAG-Lizenz, deren B-Teil vollkommen anders geartet war...

Also warum soll es bei der Ausgestaltung der Grossraumwagen anders gewesen sein?



2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2017:04:23:15:38:20.

Re: EK-Buch "Straßenbahn-Großraumwagen"

geschrieben von: ehemaliger Nutzer

Datum: 23.04.17 15:37

Hallo,

ich habe das mit den verkürzten SWB-Tw 201-204 vor vielen Jahren in einer hannoverschen Buchhandlung in einem hervorragend gemachten Buch über die Geschichte der Bonner Straßenbahn gelesen. Leider habe ich @#$%& das Ding damals nicht gekauft. Es war auch eine sehr gute, komplett bemaßte Typenskizze dabei, die den Text voll bestätigte. Dass es sich ansonsten aus Kostengründen um einen technisch völlig unveränderten Nachbau der Frankfurter L-Serie handelte, ging aus der Beschreibung ebenfalls hervor, das hatte ich bis dahin auch nicht gewusst.

Mit den Fenstern habe ich auch so meine Probleme. Lange Zeit verbaute die Düwag nämlich bei den Vollabteilfenstern ihrer GR- und Gel-Tw nur zwei Standardbreiten: ~1150 mm (z. B. Kiel und zweite Serie Bonn) sowie ~1350 mm. Letzteres Maß wäre in der Tat für die Tw 201-204 (wenn sie denn verkürzt waren) zuviel, zumindest an der Türseite. 1250 käme eher hin. Aber die Feinmaße, die ebenfalls aus der Zeichnung hervorgingen, habe ich mir nicht gemerkt.

Vielleicht lässt sich das ganze Dilemma ja irgendwann auf DSO klären

[Edit: speziell für GT6GÜ hänge ich mal wieder meine Signatur an ;-)]



2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2017:04:23:15:40:15.

Re: EK-Buch "Straßenbahn-Großraumwagen"

geschrieben von: Samba Tw 303

Datum: 23.04.17 20:04

H2U schrieb:

Hallo,

ich habe das mit den verkürzten SWB-Tw 201-204 vor vielen Jahren in einer hannoverschen Buchhandlung in einem hervorragend gemachten Buch über die Geschichte der Bonner Straßenbahn gelesen. Leider habe ich @#$%& das Ding damals nicht gekauft. Es war auch eine sehr gute, komplett bemaßte Typenskizze dabei, die den Text voll bestätigte. Dass es sich ansonsten aus Kostengründen um einen technisch völlig unveränderten Nachbau der Frankfurter L-Serie handelte, ging aus der Beschreibung ebenfalls hervor, das hatte ich bis dahin auch nicht gewusst.

Mit den Fenstern habe ich auch so meine Probleme. Lange Zeit verbaute die Düwag nämlich bei den Vollabteilfenstern ihrer GR- und Gel-Tw nur zwei Standardbreiten: ~1150 mm (z. B. Kiel und zweite Serie Bonn) sowie ~1350 mm. Letzteres Maß wäre in der Tat für die Tw 201-204 (wenn sie denn verkürzt waren) zuviel, zumindest an der Türseite. 1250 käme eher hin. Aber die Feinmaße, die ebenfalls aus der Zeichnung hervorgingen, habe ich mir nicht gemerkt.

Vielleicht lässt sich das ganze Dilemma ja irgendwann auf DSO klären



Es müssten mindestens drei unterschiedliche Größen sein.

- die "kleinen" Seitenfenster (wie bei Großraumwagen Düsseldorf, Dortmund, Duisburg, Mülheim, Großteil Essen, Hannover 300er)
- etwas größere Seitenfenster (wie Kiel und Bonn Serie 205 - 214)
- die großen Seitenscheiben (wie Bonn 201-204, Frankfurter Serienwagen, Bremerhaven und in Essen gab es davon drei; dürften auch etwa identisch mit dem Maße der GT6 und GT8 sein.

Re: EK-Buch "Straßenbahn-Großraumwagen"

geschrieben von: kaufhalle

Datum: 23.04.17 20:26

GT6GÜ schrieb:
Ich denke aber hinsichtlich der kontroversen Abmessungsfrage das hier sicherlich sehr vieles eher möglich als unmöglich sein dürfte - handelt es sich im Groben, wie später auch bei den Gelenkwagen, um einen "Baukasten" aus dem DÜWAG ganz nach Kundenfasson und -Wunsch alles möglich zu machen versuchte. So unterscheiden sich etwa nicht nur die Kölner GT6 und GT8 von den entsprechenden Vertretern in vielen anderen Städten hinsichtlich des Tür-/Fensterteilers und der Breite der Fenster, sondern auch der Hannoveraner GT6 (ursprünglich vorne nur einfachbreite Türe und ein Minifenster bevor die eigentlichen Seitenfenster vor Tür2 kommen und sechs statt fünf Seitenfenster auf der türlosen Seite des Nachläufers. In etwa in dieser Weise waren die beiden türlosen Hälften der Lohner Sechsachser in Innsbruck gestaltet, bei denen es sich ja um DÜWAG-Lizenzbauten handelte. Oder die Rotterdamer Achtachser in DÜWAG-Lizenz, deren B-Teil vollkommen anders geartet war...

Auch wenn es jetzt nicht zum Thema gehört: Lass bitte die Legende vom Baukasten ruhen. Den gab es nicht. Es gab Standardtypen in Standardlängen und für 2,20 m und 2,35 m, und es gab abweichende Sonderbauarten. Leider wird das immer wieder vermengt, und dann kommen Leute auf die Idee, nach Unterschieden zwischen z. B. den Dortmunder und den Heidelberger Achtachsern zu suchen. Dieser Ansatz ist aber nicht hilfreich. Ebenso sollte man sich davon trennen, die Lizenzbauarten als 1:1-Nachbauten zu betrachten. Die Lohner/SGP-Wagen hatten z. B. eine völlig andere Gestaltung des Hecks; und gerade die Fenster waren völlig andere. Und selbst was scheinbar genau gleich aussah, wie z. B. die SGP-Wagen nach Typ-Mannheim-Muster in Graz und die Gebrauchtwagen aus Duisburg hatte dann plötzlich unterschiedliche Fahrzeuglängen.

Re: EK-Buch "Straßenbahn-Großraumwagen"

geschrieben von: Samba Tw 303

Datum: 24.04.17 12:04

kaufhalle schrieb:

GT6GÜ schrieb:
Ich denke aber hinsichtlich der kontroversen Abmessungsfrage das hier sicherlich sehr vieles eher möglich als unmöglich sein dürfte - handelt es sich im Groben, wie später auch bei den Gelenkwagen, um einen "Baukasten" aus dem DÜWAG ganz nach Kundenfasson und -Wunsch alles möglich zu machen versuchte. So unterscheiden sich etwa nicht nur die Kölner GT6 und GT8 von den entsprechenden Vertretern in vielen anderen Städten hinsichtlich des Tür-/Fensterteilers und der Breite der Fenster, sondern auch der Hannoveraner GT6 (ursprünglich vorne nur einfachbreite Türe und ein Minifenster bevor die eigentlichen Seitenfenster vor Tür2 kommen und sechs statt fünf Seitenfenster auf der türlosen Seite des Nachläufers. In etwa in dieser Weise waren die beiden türlosen Hälften der Lohner Sechsachser in Innsbruck gestaltet, bei denen es sich ja um DÜWAG-Lizenzbauten handelte. Oder die Rotterdamer Achtachser in DÜWAG-Lizenz, deren B-Teil vollkommen anders geartet war...

Auch wenn es jetzt nicht zum Thema gehört: Lass bitte die Legende vom Baukasten ruhen. Den gab es nicht. Es gab Standardtypen in Standardlängen und für 2,20 m und 2,35 m, und es gab abweichende Sonderbauarten. Leider wird das immer wieder vermengt, und dann kommen Leute auf die Idee, nach Unterschieden zwischen z. B. den Dortmunder und den Heidelberger Achtachsern zu suchen. Dieser Ansatz ist aber nicht hilfreich. Ebenso sollte man sich davon trennen, die Lizenzbauarten als 1:1-Nachbauten zu betrachten. Die Lohner/SGP-Wagen hatten z. B. eine völlig andere Gestaltung des Hecks; und gerade die Fenster waren völlig andere. Und selbst was scheinbar genau gleich aussah, wie z. B. die SGP-Wagen nach Typ-Mannheim-Muster in Graz und die Gebrauchtwagen aus Duisburg hatte dann plötzlich unterschiedliche Fahrzeuglängen.

Wie kommen eigentlich überhaupt solche Unterschiede zustande. Hätte Lohner/SGP 1:1 sich an die Düwag-Pläne gehalten, würden sie ja doch auch aussehen wie ein Düwag. Auch in Köln ist es ja so, dass die WU B-Wagen vom Wagenkasten insbesondere am Heck aber auch etwas im Frontbereich anders sind als die Düwag 2200er...

Re: EK-Buch "Straßenbahn-Großraumwagen"

geschrieben von: ehemaliger Nutzer

Datum: 24.04.17 13:12

Samba Tw 303 schrieb:

Es müssten mindestens drei unterschiedliche Größen sein.

- die "kleinen" Seitenfenster (wie bei Großraumwagen Düsseldorf, Dortmund, Duisburg, Mülheim, Großteil Essen, Hannover 300er)
- etwas größere Seitenfenster (wie Kiel und Bonn Serie 205 - 214)
- die großen Seitenscheiben (wie Bonn 201-204, Frankfurter Serienwagen, Bremerhaven und in Essen gab es davon drei; dürften auch etwa identisch mit dem Maße der GT6 und GT8 sein.

Sorry, ich hatte mich etwas missverständlich ausgedrückt. Selbstverständlich meinte ich nur die Fenstergrößen der Gelenkwagen sowie der gleichzeitig entwickelten Großraumwagen der 2. Generation (ab Ffm Typ L). Dass die ER-Großraumwagen der 1. Gen. quadratische Fenster hatten (1x1 m), weiß ich. War übrigens in meinem Ursprungsposting schon das wesentliche Thema.

Re: EK-Buch "Straßenbahn-Großraumwagen"

geschrieben von: safadino

Datum: 24.04.17 21:10

Samba Tw 303 schrieb:

Die Serie 201 - 204 enstsprach hinsichtlich ihrer Abmessungen auf jeden Fall den Frankfurter L-Serienwagen. Die Längenmaße der Frankfurter L-Serienwagen hab ich gerade nicht zur Hand.



14100 ohne und 15040 mit Kupplung.


Mit besten Grüßen

Re: EK-Buch "Straßenbahn-Großraumwagen"

geschrieben von: DAVIDG

Datum: 25.04.17 14:08

Ich habe heute mein Exemplar erhalten und ich bin mit dem Buch sehr zufrieden. Ein guter Überblick, und auch die Niederflurwagen sind behandelt.

Re: EK-Buch "Straßenbahn-Großraumwagen"

geschrieben von: Rolf Hafke

Datum: 25.04.17 17:48

H2U schrioeb:

>> Schon beim flüchtigen Blättern und Querlesen einiger Kapitel fielen mir ein paar Fehler und Nachlässigkeiten auf, die einem "endgültigen" Standardwerk nicht wirklich gut stehen. So wird z. B. der aus den frühen 1940er-Jahren stammende Entwurf "Hanno" des damaligen Direktors Kremer der Üstra mit keinem Wort erwähnt. Der Zeichnungssatz darf eigentlich als allgemein bekannt gelten, auch aus den DSO-Foren.<<

Antwort zu „Hanno“: "Der ist auf Seite 44 ebenfalls kurz erwähnt. Man sollte den Text also erst mal aufmerksam lesen, bevor man was schreibt. Es gibt auch Modellfotos und Zeichnungen davon, irgendwo war aber auch Beschränkung notwendig, da es ja eine Seitenvorgabe einzuhalten galt."

Gruß
R H

Re: EK-Buch "Straßenbahn-Großraumwagen"

geschrieben von: ehemaliger Nutzer

Datum: 26.04.17 15:55

Rolf Hafke schrieb:

> Antwort zu „Hanno“: "Der ist auf Seite 44 ebenfalls kurz erwähnt. Man sollte den Text also erst mal aufmerksam lesen, bevor man was schreibt.

Gegenvorschlag: 1. Den Ursprungsbeitrag genau zur Kenntnis nehmen. 2. Kurz nachdenken. 3. Dann (vielleicht) etwas schreiben.

Ich zitiere die entsprechende Passage von Seite 44: "Auf dieser Ausstellung [...] war außerdem ein sehr an amerikanische Überlandbahnwagen erinnerndes Modell eines Vierachsers für Hannover zu sehen." Gemeint ist die VÖV-Gründungstagung Ende Oktober 1949 in Stuttgart. Erstens: Ich gebe zu, diese äußerst kümmerliche Erwähnung hatte ich tatsächlich glatt überlesen. Zweitens: Das Modell wird wohl "Hanno" gewesen sein, m. W. gab es kein anderes. Mit amerikanischen Überlandbahnwagen hatte die Kiste allerdings nicht die geringste Ähnlichkeit. Direkte Vorbilder waren (wie in meinem Eröffnungsbeitrag bereits erwähnt) italienische ER-Vierachser aus den späten 1930er-Jahren. Damit steckte natürlich auch eine gehörige Portion PCC-Wagen in der Formgebung, aber mit Sicherheit kein Interurban.

Drittens: Wie oben gesagt, hatte Hanno von den Italienern die komplette Tür-/Fensterteilung 1:1 übernommen. Und genauso fand sie sich in den ersten Düwag-Prototypen wieder; die kleinfenstrige Bauweise prägte sogar die komplette erste Generation von Düwag-ER-Großraumwagen bis 1955. Damit war der Entwurf Hanno mindestens mit derselben Bedeutung in den Serienbau eingeflossen wie die Düsseldorfer Pläne. Dass die Üstra neben der Rheinbahn zu den federführenden treibenden Kräften hinter der Entwicklung des Düwag-Zuges zählte, war bisher quer durch die gesamte Fachliteratur unumstritten. Im aktuellen Buch dagegen wird der gleichwertige hannoversche Anteil an der Vorgeschichte nahezu unterdrückt. Das unterstreicht auch die Beschreibung des Düsseldorfer Prototypzuges ab Seite 53, während die einen Monat zuvor (!) gelieferte Üstra-Garnitur erst ab Seite 61 stattfindet -- noch nach dem dritten fertiggestellten Tw, nämlich dem Essener Meterspurwagen (S. 59). Das betrachte ich weiterhin als unglückliche Fehlinformation, die sich nicht mit Platzmangel begründen lässt. Das muss mir nicht gefallen, oder? Daran stoße ich mich übrigens nicht als gebürtiger Hannoveraner (falls das jemand annehmen sollte), sondern als Straßenbahnfreund abseits jedes Lokalpatriotismus ;-)

Ansonsten tut bitte nicht so, als würde ich die vorliegende Arbeit niedermachen. Das Buch ist auf jeden Fall eine Bereicherung jeder Hobby-Bibliothek und sein Geld wert. Es besteht also kein Anlass, mich unsanft von der Seite anzurempeln, lieber Hobby-Kollege Hafke. Das bestärkt mich allenfalls in meinen gelegentlichen Anwandlungen, bei DSO auszusteigen. Frust kann ich mir anderswo abholen, dazu brauche ich kein Bahnforum.

Gruß
Helmut Ulrich (Hamburg)



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2017:04:26:16:23:59.

Re: Ergänzender Kommentar

geschrieben von: ehemaliger Nutzer

Datum: 07.06.17 16:30

Moin zusammen,

mittlerweile bin ich bei der gründlichen (und lückenlosen) Lektüre weit fortgeschritten und kann den Ersteindruck entsprechend fortentwickeln und präzisieren. Absolut faszinierend und für Liebhaber der Materie geradezu spannend wird die Vorgeschichte der deutschen Großraumwagen-Entwicklung abgehandelt. Hut ab! Auch mit dem Kapitel über die deutschen Prototypen und ihre Entstehung habe ich mich ein wenig ausgesöhnt, obwohl der extrem hohe hannoversche Anteil, der in die Düwag-Züge einfloss, wirklich nur am Rande erwähnt wird. Mittlerweile habe ich auch begriffen, warum die ersten Einsatzbetriebe der Düwag-Großraumwagen nicht entsprechend der Prototypen-Lieferung, sondern in der Reihenfolge Düsseldorf, Essen, Hannover aufgezählt werden. Es geht schlicht nach Alphabet. Für die folgenden Kapitel, die sich mit den Serienfahrzeugen befassen, mag das (leider) die einzig sinnvolle Aufteilung sein, für die Pionierbetriebe passt es dagegen nicht so recht.

Die -- etwas dürftig illustrierte -- detaillierte Vorstellung der einzelnen Serienfahrzeuge eignet sich ideal zum Querlesen, weil etliche grundlegende Fakten unnötigerweise bei fast jeder Wagenbeschreibung wiederholt werden. Außerdem wäre es hier und da sinnvoller gewesen, weniger gründlich in die letzten Kleinigkeiten einzusteigen. Denn wenn es beispielsweise um Fahrzeuge geht, deren Türanordnung einmal oder öfter umgebaut wurde, gerät Axel Reuther gelegentlich aus der Spur. Speziell bei den hannoverschen Breitraumwagen verheddert er sich endgültig und baut auch eine Reihe von Fehlern ein, die letztlich eher verwirren und desinformieren. Das mag verzeihlich sein, denn angesichts von acht (!) unterschiedlichen Tür-/Fensterteilungen nach diversen Umbauten alleine der Beiwagen dieser Serie kommen auch Üstra-Kenner ins Schleudern. Andererseits sollte es für den/die Autor(en) im Internet-Zeitalter ein Leichtes sein, Zeitgenossen zu suchen (und zu finden!), die man um Rat fragen könnte ... Auch die Daten für Umbauten, z. B. für schaffnerlosen Betrieb, werden im Falle Hannover teils grob fehlerhaft angegeben. Das nährt natürlich meinen (teilweise bereits bestätigten) Verdacht, dass in den Beschreibungen der Wagen anderer Unternehmen ähnliche Macken stecken. Alles für sich genommen kein Drama, aber in Summe auch nicht wirklich schön.

Andererseits habe ich dem Buch durchaus auch für mich neue Informationen entnommen. Das will etwas heißen, denn BRD-Straßenbahnen der 1950er- bis '80er-Jahre gehören zu meinem Hobby-"Kerngeschäft". Was mir ein bisschen old fashioned vorkommt, ist die klassische Aufteilung der Werkes in s/w-Seiten und gesonderte Farbfoto-Strecken. Aus Kostengründen machte man das noch in den 1980ern so, als ich im Zeitschriftengewerbe anfing. Aber heute? Mittlerweile dürfte Farbe bei Repro und Druck eigentlich kein Kostentreiber mehr sein.

Fazit: Ein Muss für die Bibliothek von Straßenbahnfreunden. Aber die vielen kleinen Tücken im Detail hätten nicht unbedingt sein müssen -- schade.

Gruß in die Runde
Helmut