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Buch "Elektrolok Be 4/4 Der BT und EBT"

geschrieben von: wolfgang-d. richter

Datum: 18.10.15 23:28

Es fällt immer schwer, an das Buch eines Debütanten die gewohnten Maßstäbe anzulegen; man möchte mit seiner Kritik den Betreffenden nicht entmutigen oder ihm die Freude an seiner Arbeit nehmen. Andererseits kann und darf man Fehler nicht unkommentiert und unkorrigiert stehen lassen - wobei dies in der Folge nur an Beispielen erfolgt.
Normalerweise ist es Aufgabe des Lektorats, Form- und sachliche Fehler rechtzeitig zu erkennen und eine Korrektur zu ermöglichen. Hier ist ein derartiger Einfluss nicht festzustellen.

Der Titel verheißt einen lange entbehrten Baureihenband, der sich mit den über die Grenzen der Schweiz hinaus bekannt gewordenen Be 4/4 der Bodensee-Toggenburg- und Emmental-Burgdorf-Thun-Bahn auseinandersetzt und man erhofft sich eine Fortsetzung zu den bisher erschienen, qualitativ hochwertigen Baureihendokumentationen anderer Autoren. Dass im Titel (wie oben wiedergegeben) der Artikel groß geschrieben wird, irritiert dabei nur am Rande.

Das Inhaltsverzeichnis verwirrt dann umso mehr, denn als "Exportschlager" kennt man die Be 4/4 schon mal nicht. Und die darunter aufgeführten Abkömmlinge lassen ebenso wie das Vorwort ahnen, dass hier wieder einmal die Erfindung des Rades aus heimischer Sicht gefeiert werden soll.
Man ist versucht, den eigentlichen Inhalt des Bandes zu überspringen und nachzuschauen, was denn der "Abbruch des Ersatzteilspenders 1245 533" so entscheidendes mit der Geschichte der Be 4/4 zu tun hat.

Auf dem Wege dorthin erfährt man, dass sich die "ÖBB" 1927/28 zur Beschaffung der Reihe 1170 entschlossen hätten. Tatsächlich bestellten die BBÖ schon im November 1925 die erste, zehn Lokomotiven umfassende Serie dieser Baureihe - ganze fünf Jahre, bevor man die erste Variante der Be 4/4 orderte. Die unterstellten Gemeinsamkeiten beider Bauformen (wenn man mal von der Achsfolge absieht), beschränken sich freilich auf die prinzipielle Anwendung des Sécheron-Antriebs und weiterer Ausrüstungsteile, mechanisch haben die Maschinen nichts miteinander gemein. Und die in diesem Zusammenhang zitierte Ae 3/5 war noch, wie die Be 4/7, mit dem Westinghouse-Federantrieb ausgerüstet; die erste Anwendung des Sécheron-Antriebs erfolgte in den Be 6/8 der BLS (1926) durch Ernesto Breda.

Selbst die nächste erwähnte Bauform, die 1170.100, weicht trotz äußerer Ähnlichkeit (die an anderer Stelle auch ganz korrekt als Vorbild genannt wird), in entscheidenden technischen Aspekten von den zwei Jahre später in Dienst gestellten Be 4/4 ab. Gleiches gilt für die späteren 1170.200 und 300.

Daneben erfährt man dann etwas über die Unfähigkeit österreichischer Institutionen, museal wertvolle Maschinen zu erhalten und auch, dass die 1245 533 "vier Stromabnehmer" auf dem Dach hatte - wichtig genug für ein eigenes Kapitel!

Unter dem neugierig machenden Titel "Verwandte Lok bei der DB" wird man als erstes von der Nachricht überrascht, dass die "Deutsche Bahn (DB)" im Jahre 1927 am "Paukenschlag" der 1170 sehr interessiert gewesen wäre. Die DRB nahm die Entwicklung in der Nachbarschaft tatsächlich kaum zur Kenntnis, sie hätte für eine Maschine mit nur 15 t Achslast kaum eine sinnvolle Verwendung gehabt.
Abgesehen davon hatte die Deutsche Reichsbahn mit diversen Varianten unter dem Sammelbegriff E 73 schon ein paar Muster parat (einschließlich Federantrieb) für die Zeit, in der leistungsfähige Fahrmotoren ausreichend kleine Abmessungen hatten, um sie auch in einem Drehgestell unterbringen zu können.
Dass die ehemals bayrische EG 4x 1/1 aus dem Jahre 1913 tatsächlich eine wichtige Rolle in der Ahnengalerie der Be 4/4 gespielt hat, findet aber nirgends Erwähnung.

Ohne Not ergeht man sich im Anschluss lang und breit über die Spielarten der E 44, die dann auch mal an ganz unpassenden Stellen 144 oder 244 heißen (warum eine mit "204 E 04" betitelte Skizze hier mit auftaucht, wird nicht erläutert). Allerdings waren auch in diesem Fall alle Varianten durchkonstruiert und als Erstmuster gebaut, bevor eine Be 4/4 auf der Schiene stand.
Soviel zum Thema "Exportschlager".

Die beiden Varianten der Be 4/4 selbst werden dankenswerter Weise mit zahlreichen Zeichnungen, Schaltplänen und Fotos vorgestellt, wobei man sich zuweilen eine etwas ausführlichere - und zutreffendere - Bildunterschrift gewünscht hätte. So haben die BT-Maschinen seit der Nachrüstung der Rekuperationsbremse in den 40er Jahren keineswegs einen "Bremswiderstand" auf dem Dach; dort ist lediglich der Widerstand des Erregerstromkreises angeordnet. Auch "Dachverlaufsbretter" sind eine bisher unbekannte Ausrüstung.

So mancher Tippfehler und der zuweilen ungeschickte Gebrauch von Fachbegriffen trüben den Lesegenuss; was soll sich der Leser denn vorstellen, wenn es "wegen der Radabnutzung einen zu hohen SOK [=Schienenoberkante] gibt"?
Auch die Formulierung "der Stufenschaltermotor übersetzt die Fahrleitungsspannung" macht eher nachdenklich, als dass sie Zusammenhänge erklärt.

Es ist letztlich das bisher unveröffentlichte Material, das den Stellenwert des Buches definiert.
Man hätte vielen Bildern und Zeichnungen freilich ein größeres Format gewünscht und dafür liebend gern auf die ungenaue Wiedergabe hinlänglich bekannter Fakten zu den "Wahlverwandschaften" und auch manches überflüssige Verschrottungsbild verzichtet.

Leider wurde versäumt, die tatsächlichen Zusammenhänge mit nachfolgenden Konstruktionen anzusprechen, wie im Untertitel eigentlich angedeutet.
So ist hier z. B. die von der SLM 1928 eingeführte Diagonalverbindung zwischen den Drehgestellen zur Anwendung gekommen, die ein deutlich niedrigeres Querkraftniveau beim Bogeneinlauf ermöglicht. Bis in die Gegenwart fand sie sich in ähnlicher Form bei vielen Bo'Bo'-Lokomotiven.
Auch die sekundäre Abfederung über eine Wiege wird zu einem Standardmerkmal der SLM-Drehgestelle, wie sie schon in den 40er Jahren bei den Ae 4/4 und Re 4/4 von BLS und SBB zum Einsatz kommen (und nicht erst 31 Jahre später, wie angemerkt).
Diese beiden Lösungskonzepte finden sich dann auch in Österreich wieder, bei den Reihen 1041 und 1141.

Dem Autor wäre zu wünschen, dass ihm beim nächsten Projekt mehr Unterstützung zuteil wird; immerhin gäbe es ja einiges über die zeitgleich oder im Anschluss beschafften Triebwagen beider Bahngesellschaften zu berichten.


Wolfgang-D.



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2015:10:21:08:13:19.

Re: Buch "Elektrolok Be 4/4 Der BT und EBT"

geschrieben von: DAVIDG

Datum: 19.10.15 11:52

Für dieses Thema empfehle ich das folgende Buch aus dem Verlag EDITION LAN:
Ae 6/8 und andere Privatbahn-Sécherons

Ich habe es gelesen und es hat mir sehr gefallen und ist umfassend und genau.

Re: Buch "Elektrolok Be 4/4 Der BT und EBT"

geschrieben von: 01 001

Datum: 19.10.15 20:12

Welcher Verlag hat das Buch verlegt?

Re: Buch "Elektrolok Be 4/4 Der BT und EBT"

geschrieben von: Matthias Muschke

Datum: 20.10.15 05:41

Und dafür 74 SFR? ;-))

MfG

"Gibt es zwei- bzw. dreiachsigen Reko-Wagen der DR (Bage, Baage, Dage oder Bagtre), die die gleiche Breite aufweisen, wie die vierachsigen Reko Wagen z. b. der zuvor genannten Hersteller? Also schmaler sind, als die Wagen von Piko und Roco!
Viele mögen die 1-1,5 mm breitenuntershcied nicht stören und mich wiederum ist es egal, welche breite nun die Maßstabsgereue ist - mir wäre nur wichtig, dass die Personenzugwagons der DR in meiner Zugkombi ziemlich gleichbreit sind..."

🤦‍♂️😂🤷‍♂️

Quelle: Stummiforum..

[www.stummiforum.de]

Vielen Dank!

geschrieben von: Peter

Datum: 20.10.15 10:35

Hallo!

So stellt man sich eine gelungene Rezension vor - eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Inhalt, ohne den Autor mit Haeme zu ueberschuetten oder Fehler zu ignorieren und ohne bloss den Klappentext bzw. "Waschzettel" zu kopieren.

Vielen Dank fuer Deine Muehen!

Gruss

Peter

+++ Ich will gar nicht, dass mich jeder mag - im Gegenteil: Die Sympathie oder Zuneigung gewisser Menschen waere mir hochgradig peinlich.
+++ Friends help you move. True friends help you move bodies.
+++ Rechtschreibfehler sind beabsichtigt: Es gibt immer Menschen, die nach Fehlern suchen - und ich versuche, allen Lesern etwas zu bieten.
Gegen einen kleinen Obolus biete ich sogar Patenschaften fuer meine Schreibfehler an. Und bald ist Weihnachten ...

Re: Vielen Dank!

geschrieben von: wolfgang-d. richter

Datum: 20.10.15 18:33

Hallo Peter,

danke ebenfalls!

Inzwischen habe ich weiteres Material gesichtet und muss einen Punkt in den obigen Ausführungen relativieren: die Zusammenarbeit zwischen ELIN und Sécheron bei der Entwicklung der Reihe 1170 ging über den Antrieb hinaus und schloss u. a. die konstruktiven Konzepte des Trafos und der pneumatischen Stufenschütze mit ein.
Abweichend von den Be 4/4 waren die 1170 und 1170.100 von Beginn an mit einer Widerstandsbremse und Vielfachsteuerung ausgerüstet.

Gruß
Wolfgang-D.

Re: Buch "Elektrolok Be 4/4 Der BT und EBT"

geschrieben von: Ulrich Neumann

Datum: 28.11.15 09:10

Das Buch von der SBB 460 vom gleichen Autor war ich auch enttäuscht.
Zur Be 4\4 habe ich auch wieder Bildmaterial geliefert.
Der Preis ist natürlich nur was für absolute Freunde dieser Lokomotive.

Nicht alle meine Unterlagen zu den Strecken im Westerwald, Fotos, Negative und Dias befinden sich bei meinem Verein in Westerburg, im Erlebnisbahnhof Westerwald.
Dias und Negative Österreich, Schweiz und Süddeutschland sind in Thun/CH. Dias der Rheinstrecken und Lahnbahn bei der Eisenbahnstiftung. Unterwesterwaldbahn und NBS ins Stadtarchiv Montabaur. Bildmaterial teilweise vor Ort Digital vorhanden.