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[KS] ? zu Linie 7 (mB aus MA)

geschrieben von: Peter Bäuchle

Datum: 05.03.21 11:18

Morsche
ich habe keine Ahnung von Kassel, deshalb stelle ich hier mal eine an mich herangetragene Frage an die berühmte Schwarm-Intelligenz:
Es geht um den Verlauf der (heutigen?) Linie 7 und die Frage, ob diese wirklich die zweitälteste Linie in Kassel ist.

als kleines Dankeschön an alle jetzt Mitwirkenden eine Aufnahme vom letzten Ausflug..

2021-0029-1250RT.png

und vielen Dank für Eure Hilfe
Peter Bäuchle

Die Pofalla-Wende: die Konzentration auf's Kerngeschäft..

Freiheit hört da auf, wo soziale Verantwortung der egoistischen Vorteilsnahme untergeordnet wird !

Re: [KS] ? zu Linie 7 (mB aus MA)

geschrieben von: ngt8c

Datum: 05.03.21 11:42

Die älteste Strecke ist Königsplatz Wilhelmshöhe im Verlauf der heutigen Linie 1 als Dampfbahn. Die zweite strecke als Pferdebahn war von Bettenhausen zum Königsplatz. Etwas später ging es durch die Altstadt über Lutherplatz und Hauptbahnhof zur Germaniastraße. Also war die zweite strecke eher im Verlauf der heutigen Linie 4/8 zu finden. Erst als dritte strecke kam die Pferdebahn ins fulfatal, also der heutigen Linie 7. Bis vor ein paar Jahren die Linie 6.

Der schönste Düwag ....
.. kam von WEGMANN
Peter Bäuchle schrieb:
Morsche
ich habe keine Ahnung von Kassel, deshalb stelle ich hier mal eine an mich herangetragene Frage an die berühmte Schwarm-Intelligenz:
Es geht um den Verlauf der (heutigen?) Linie 7 und die Frage, ob diese wirklich die zweitälteste Linie in Kassel ist.
Ja, da hast du tatsächlich recht mit.

Der Streckenabschnitt Kirchweg - Goethestraße - Lutherplatz - Hauptbahnhof - Altmarkt ist in der Tat gemeinsam mit dem Abschnitt Königsplatz - Holländische Straße und Königsplatz - Bettenhausen 1884 eröffnet und ist damit Teil des zweiten Netzes der Straßenbahn, allerdings als Pferdebahn eröffnet, im Gegensatz zur Strecke Wilhelmshöhe - Königsplatz welche 1877 als Dampfstraßenbahn eröffnet wurde.

Der Abschnitt über Hauptbahnhof wird seit 2005 allerdings nicht mehr mit Straßenbahnen befahren, schon 1968 wurde hier die alte Strecke aufgegeben und eine U-Bahn gebaut. Als Ersatz ist die direkte Strecke Scheidemannplatz - Lutherplatz gebaut worden.

Zwischen Lutherplatz und Altmarkt wurde erst nach dem Zweiten Weltkrieg der Innenstadtring gebaut und befahren.

Siehe dazu auch: Entwicklung Straßenbahn Innenstadt

Freundliche Grüße

666

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Hallo Tw666,
Du schreibst hier, das der Abschnitt als U-Bahn befahren wurde. Die Fahrstrecke betrug aber nur 150 Meter, somit war die Bezeichnung U-Bahn missverständlich und sehr hochgegriffen, "Tunnel" wäre besser. Man hat sie auch als "Deutschlands hässlichste U-Bahn" bezeichnet.
In den 1960er Jahren hatte man vielerorts Pläne für unterirdische Stadtbahnen, was in Kassel dann nur mit dieser kurzen Variante umgesetzt wurde. Aufgrund von zu hohen Kosten hat man sich davon schnell verabschiedet.
Auf der Seite von Dr. Heribert Menzel http://www.tram-kassel.de kann man bei den ÖPNV-News 2005 beim 24.03 sowie dem letzten Betriebstag 28.03.2005 noch Fotos sehen, die die letzten Fahrten dieser Strecke zeigen.
Man sieht auch gut auf den Bildern, das der Bahnsteig etwa 75 Meter lang war, danach kommt auf beiden Seiten schon den "Tunnel-Ausgang".
Im Ausgangsbereich Ottostrasse wurden ausgemusterte Museumswagen abgestellt, die schliesslich 2014 im Technikmuseum gestrandet sind.
Danach wurden die Tunneleingänge komplett verschlossen.
Im August 2007 wurde dann die RegioTram in Betrieb genommen, die Tunneleinfahrt vom Scheidemannplatz blieb diesselbe, nur das die Fahrtrichtung nach links in den Hauptbahnhof anstatt nach rechts Richtung Ottostrasse ging.
Zur documenta14 2017 wurden die Bahnsteige dann nochmal zum Ausstellungsraum, der über eine Treppe vom Bahnhofsvorplatz aus erreichbar war.

Wünsche noch einen schönen Abend und bleibt gesund zusammen
die Nietenzählerin

Selbstverständlich völlig Überbewertet

geschrieben von: Tw666

Datum: 25.03.21 22:52

Nietenzählerin schrieb:
Hallo Tw666,
Du schreibst hier, das der Abschnitt als U-Bahn befahren wurde. Die Fahrstrecke betrug aber nur 150 Meter, somit war die Bezeichnung U-Bahn missverständlich und sehr hochgegriffen, "Tunnel" wäre besser. Man hat sie auch als "Deutschlands hässlichste U-Bahn" bezeichnet.
In den 1960er Jahren hatte man vielerorts Pläne für unterirdische Stadtbahnen, was in Kassel dann nur mit dieser kurzen Variante umgesetzt wurde. Aufgrund von zu hohen Kosten hat man sich davon schnell verabschiedet.
Auf der Seite von Dr. Heribert Menzel http://www.tram-kassel.de kann man bei den ÖPNV-News 2005 beim 24.03 sowie dem letzten Betriebstag 28.03.2005 noch Fotos sehen, die die letzten Fahrten dieser Strecke zeigen.
Man sieht auch gut auf den Bildern, das der Bahnsteig etwa 75 Meter lang war, danach kommt auf beiden Seiten schon den "Tunnel-Ausgang".
Im Ausgangsbereich Ottostrasse wurden ausgemusterte Museumswagen abgestellt, die schliesslich 2014 im Technikmuseum gestrandet sind.
Danach wurden die Tunneleingänge komplett verschlossen.
Im August 2007 wurde dann die RegioTram in Betrieb genommen, die Tunneleinfahrt vom Scheidemannplatz blieb diesselbe, nur das die Fahrtrichtung nach links in den Hauptbahnhof anstatt nach rechts Richtung Ottostrasse ging.
Zur documenta14 2017 wurden die Bahnsteige dann nochmal zum Ausstellungsraum, der über eine Treppe vom Bahnhofsvorplatz aus erreichbar war.

Wünsche noch einen schönen Abend und bleibt gesund zusammen
die Nietenzählerin
Selbstverständlich ist der Begriff völlig hochgegriffen. Er karikiert zurecht einen völlig unnötigen Bau der eigentlich nur Ressourcen, Geld und Energie verschwendet hat.
Das der Tunnel zum Ende hin eher Drogenumschlagplatz denn Haltestelle war, geschenkt. Das der Tunnel bis zum Ende keine Zugsicherung hatte, geschenkt. Das man gerade so die 2,40m breiten Neufahrzeuge reinbekommen hat, sicher einst ein Planungsfehler ;)

Aber: unabhäniger Bahnkörper -> U-Bahn :D Ich erinnere mich sogar, dass es Bilder aus der Anfangszeigt gibt, welche ein U-Bahn-Symbol an den Abgängen zeigen. Man hatte damals halt einfach ziemlich dicke Eier und es sogar geschafft vor Frankfurt zu eröffnen. Gut, dass dieses Kapitel der Geschichte auch vorbei ist, ich erinnere mich nur ungerne an die Gänge durch die Fußgängerebene.


Der Stadtplan aus Glasbausteinen steht nun restauriert am Platz der sieben Frauen bzw. Haltestelle Annastraße, der Fahrplan aus dem Jahr 2005 sowie die Ankündigung der Schließung der Haltestelle liegen bei mir zu Hause :) Beide sind von der Haltestelle Hauptbahnhof (tief) in Richtung Scheidemannplatz.

Freundliche Grüße

666

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Re: Selbstverständlich völlig Überbewertet

geschrieben von: Donut

Datum: 25.03.21 23:21

Nun ja, der Tunnel hatte m.E. anfangs schon seine Daseinsberechtigung als Instrument zur Entflechtung des Straßenbahnverkehrs vom PKW-Verkehr. Bis 1987 war er eigentlich auch noch gut ans Straßenbahnnetz angebunden. Als der Hauptbahnhof 1991 dann seine Bedeutung durch den Verlust des Fernverkehrs endgültig verlor, begann der Niedergang des Fußgänger- und Straßenbahntunnels wohl erst so richtig. Es gibt Filmaufnahmen aus dem Tunnel von 1995, wo er schon in schlechtem Zustand war und zwielichtige Gestalten ihre Geschäfte dort unten abwickelten, wie Tw666 bereits angedeutet hat. Ende der 90er wurden ja dann auch die Rolltreppen gesperrt.

MfG
Donut

Re: Selbstverständlich völlig Überbewertet

geschrieben von: Tw666

Datum: 26.03.21 17:52

Donut schrieb:
Nun ja, der Tunnel hatte m.E. anfangs schon seine Daseinsberechtigung als Instrument zur Entflechtung des Straßenbahnverkehrs vom PKW-Verkehr. Bis 1987 war er eigentlich auch noch gut ans Straßenbahnnetz angebunden. Als der Hauptbahnhof 1991 dann seine Bedeutung durch den Verlust des Fernverkehrs endgültig verlor, begann der Niedergang des Fußgänger- und Straßenbahntunnels wohl erst so richtig. Es gibt Filmaufnahmen aus dem Tunnel von 1995, wo er schon in schlechtem Zustand war und zwielichtige Gestalten ihre Geschäfte dort unten abwickelten, wie Tw666 bereits angedeutet hat. Ende der 90er wurden ja dann auch die Rolltreppen gesperrt.

Mit freundlichen Grüßen
Donut
Im Gedanken an die autogerechte Stadt ja. Heute fahren dort aber deutlich mehr PKW und auch mehr Busse als damals Straßenbahnen. Es gibt keine Probleme...Soweit ich weiß stand dort allerdings zum Eröffnungszeitpunkt auch keine Ampelanlage was eine Kreuzung natürlich deutlich unübersichtlicher macht.

Scheinbar gab es keine Ampelanlage im Jahr 1965, war damals eben einfach noch nicht Mode ;)

Gut auf diesem Bild auf Tram-Kassel ist aber auch zu sehen, dass die Haltestelle schon damals nicht mehr dem Stand der Technik entsprach. Es passten gerade einmal zwei 2x und ein 2x Beiwagen an die Haltestelle:

Tram-Kassel Tw 226 HBA

Das Problem der Verkehrsdichte ist somit reell nicht vorhanden gewesen, eine Tunnelhaltestelle "brauchte" es nicht. Hätte man die Strecke der Straßenbahn schon in der Kurfürstenstraße an die nördliche Straßenseite, in der Werner-Hilpert-Straße an die südliche Straßenseite und vor dem Hauptbahnhof an die östliche Straßenseite verlegen können. Nachteil: Fahrgäste hätten die große Straße am Hauptbahnhof überqueren müssen. Vorteil: Entflechtung der Verkehre ohne aufwändigen und teuren Tunnelneubau.

Freundliche Grüße

666

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Den Ausführungen von @Donat stimme ich voll umfänglich zu.

Die jüngere Generation macht es sich zu einfach, wenn sie Ereignisse aus der entfernteren Vergangenheit mit heutigen Maßstäben beurteilt. Man kann die allgemein geringere Verkehrsdichte von 1965 nicht mit heute vergleichen. Das stimmt. Aber vor über 50 Jahren bestimmten andere Gesichtspunkte als heute die Lösungsmöglichkeiten.

Um etwas besser die damalige Denkweise zu verstehen, füge ich hier zwei Zitate aus der Hessischen Allgemeinen aus 1964 und 1965 an:

HA, 21.04.1964
"Neue Pläne für den Bahnhofsvorplatz"
(Zitat Anfang) Eine Kommission von Fachleuten auf den Gebieten Verkehrsplanung und Straßenbau nach der anderen aus vielen deutschen Großstädten hat in den vergangenen Monaten Kassel besucht, um sich an Ort und Stelle von dem zu überzeugen, was man andernorts das „Kasseler Wunder“ nennt. Journalisten geben sich die Türklinke zur Pressestelle des Magistrats in die Hand und schreiben teilweise in ganzseitigen Reportagen von den „vorbildlichen Kasseler Verkehrseinrichtungen“. Man sieht, die Stadt ist im Gespräch. Aber, so erhebt sich die Frage, wird sie es auch in Zukunft bleiben?

Denn: es gibt im Kasseler Straßenverkehrsnetz noch mehrere neuralgische Punkte, die man den Gästen ungern gezeigt haben mag, weil hier noch vieles im Argen liegt, zum Beispiel am Bahnhofsvorplatz und am Lutherplatz. Die Verkehrslage ist an beiden Stellen so unübersichtlich, daß nicht nur auswärtige Kraftfahrer Grund haben, über diese „scheußlichen Kreuzungen" zu schimpfen, sondern auch der einheimische Fahrer muß höllisch aufpassen, wenn er Bahnhofsvorplatz und Lutherplatz „ungerupft" überqueren will.

In Spitzenzeiten sind hier mehrere Polizeibeamte beschäftigt, die den Verkehr lenken und den Fußgängern ein einigermaßen sicheres überqueren der Straßen ermöglichen.
Bereits vor Jahren wurde im Rathaus ein Plan bekanntgegeben, der den Bahnhofsvorplatz und in seinem Gefolge auch den Lutherplatz entschärfen sollte. Von diesem Plan hat man aber nichts mehr gehört. Was seit dieser Zeit neu entstand, waren Leitlinien auf dem Straßenpflaster und - besonders am Lutherplatz - ein Schilderwald, damit der Verkehr wenigstens im Schrittempo rollen kann.

Der damalige Plan sah vor, den Bahnhofsvorplatz völlig frei von der Straßenbahn zu halten, indem man sie am Ausgang der Kurfürstenstraße unter das Pflaster legte und unter dem Bahnhofsvorplatz eine Art „Straßenbahnbahnhof" schuf. Zugleich sollte eine „Spinne" von Fußgängertunneln unter der Erde entstehen.
Dieser Plan ist noch nicht ganz zu den Akten gelegt, denn im Rathaus haben sich, wie man hört, die Mitglieder verschiedener Stadtverordnetenfraktionen in den letzten Wochen damit beschäftigt, ihn wieder aufleben zu lassen. Allerdings mit ziemlichen Erweiterungen. Auch das städtische Tiefbauamt fertigt zur Zeit neue Pläne und Schnittmodelle an.

Werner-Hilpert-Straße ohne Schienen
Mehrere Stadtverordnete sind der Meinung, daß man die Straßenbahn schon am Ständeplatz in Höhe des Gebäudes vom Landeswohlfahrtsverband unter die Erde legen, sie unter der Kurfürstenstraße und dem Hauptbahnhof hindurch zur Ottostraße führen und in den Grünen Weg in die Trasse der Linie 7 einleiten sollte. Von hier führe sie dann in Richtung Lutherplatz - Stern. Dann wäre die Werner-Hilpert-Straße von der Straßenbahn befreit.

Der Lutherplatz soll dann nach den Vorstellungen dieser Stadtverordneten dadurch neu gestaltet werden, daß die Rudolf-Schwander-Straße unter dem Platz in Richtung Fallerslebenstraße / Holländischer Platz hindurchgeführt wird. Parallel zu diesem Fahrtunnel könnten dann, so meinen sie, Fußgängertunnel entstehen.
Andere Stadtverordnete überlegen, ob die Straßenbahn nicht bereits an der Einmündung der Friedrich-Ebert-Straße in den Ständeplatz unter die Erde verlegt wird, um dann hinter dem Bahnhofsvorplatz wieder ans Tageslicht zu kommen. Die am Anfang des Ständeplatzes und am Bahnhofsvorplatz entstehenden Fußgängertunnel sollen nach Ansicht dieser Stadtverordneten (teilweise) dadurch finanziert werden, daß man in ihnen Läden einbaut und nach „Wiener Muster" diese Läden langfristig verpachtet, wobei ein angemessener Baukostenzuschuß zu zahlen wäre. (Zitat Ende.)


In der Hessischen Allgemeine vom 13.05.1965 ist unter der Überschrift "Erster Schritt nach vorn am Bahnhofsvorplatz" u.a. zu lesen:
(Zitat Anfang): Es ist höchste Zeit, daß gerade am Bahnhofsvorplatz der Verkehr je nach Art voneinander getrennt wird, da hier so viele Verkehrsströme durcheinanderfließen, dass besonders zur Zeit des Berufsverkehrs ein heilloses Chaos herrscht, gegen das unermüdlich arbeitende Polizeibeamte ankämpfen müssen. Um auf den Straßen rund um den Hauptbahnhof endlich klare Verhältnisse zu schaffen, entschloß sich die Stadt zu einem gewaltigen „Schritt nach vom". Ihre Planer entwarfen den Bahnhofsvorplatz „von morgen", ihre Tiefbauer gingen mit den Plänen in die Einzelheiten. (Zitat Ende)

Um die Verkehrssituation bildlich darzustellen hier ein Foto vom 17.04.1965 aus der Werner-Hilpert-Straße:
https://www.tram-kassel.de/koepnvarchiv/Fahrzeuge/Tram/Tw/Tw221/Bilder/225/pic/076-86_Tw225-Bw5xx_hba_19650417-01.jpg
Drei Straßenbahnen stauen sich auf der Werner-Hilpert-Straße zwischen dem Individualverkehr in Richtung Hauptbahnhof.

Nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs wollte man aus Kassel eine moderne Stadt machen. Dabei stand die autogerechte Stadt - dem Zeitgeist entsprechend - im Vordergrund. Die Straßenbahn kreuzte vor und hinter dem Vorplatz des Hauptbahnhofs den Individualverkehr im Jahr 1965 mit den Straßenbahn-Linien 2, 3, 5 und 6 sowie zahlreichen E-Wagen in der HVZ. Sie war damit ein Verkehrshindernis und wurde dort in den Untergrund verbannt. Weil auch die Fußgänger die IV störten, baute man in Kassel über ein Dutzend Fußgängertunnel. In den 1960er und 1970er Jahren war das moderne Verkehrsplanung . Heute sieht man das als Irrsinn und Geldverschwendung an.

Tw666 schrieb:
Das man gerade so die 2,40m breiten Neufahrzeuge reinbekommen hat, sicher einst ein Planungsfehler ;)

Das war kein Planungsfehler! Zum Zeitpunkt der Planung des Hbf-Tunnels gab es nur die 2,10 m breiten Zweiachser und die 2,17 m breiten Gelenkwagen. Die 2,20 m breiten Drehgestell-Fahrzeuge waren gerade in der Entwicklung. An 2,40 m breite Wagen war damals gar nicht zu denken.

Tw666 schrieb:
Aber: unabhäniger Bahnkörper -> U-Bahn :D Ich erinnere mich sogar, dass es Bilder aus der Anfangszeigt gibt, welche ein U-Bahn-Symbol an den Abgängen zeigen. Man hatte damals halt einfach ziemlich dicke Eier und es sogar geschafft vor Frankfurt zu eröffnen. Gut, dass dieses Kapitel der Geschichte auch vorbei ist, ich erinnere mich nur ungerne an die Gänge durch die Fußgängerebene.

In Kassel hatte man nie den Ehrgeiz, eine U-Bahn zu bauen, auch wenn es immer mal wieder von Politikern Vorschläge für weitere Tunnelstrecken gab. Die Tunnelhaltestelle Hauptbahnhof wurde offiziell nie als U-Bahn bezeichnet.

Das U-Bahn-Symbol neben der Rolltreppe auf dem Bahnhofsvorplatz hatte eine Vorgeschichte. Zwei Tage nach der Tunneleinweihung wurde von mir und einem weiteren HA-Leser in einem Leserbrief kritisiert, dass man auf dem Vorplatz kein Hinweisschild zur Straßenbahn-Haltestelle findet. Neben der Rolltreppe befand sich nur eine kleine Laterne mit einem Straßenbahnsymbol darauf. Die war aber von weitem nicht zu erkennen. Über die ganze Breite der Tunnelöffnung prangte aber eine Leuchtreklame der Landesbausparkasse. Keine 14 Tage nach den Leserbriefen ordnete der Kasseler Oberbürgermeister an, dass an Stelle der Laterne das international übliche U-Bahn-Symbol angebracht wird, was Mitte März 1968 auch geschah. Über der Reklame brachte man noch den Schriftzug "Zur Stadt und Straßenbahn" an.

Der Ausspruch mit den "dicken Eiern" ist doch in diesem Zusammenhang mehr als überheblich und unpassend. Man sah sich in Kassel auch nicht als "Sieger" vor Frankfurt im U-Bahn-Bau. Das ist eine reine Erfindung von Tw666.

Tw666 schrieb:
Das Problem der Verkehrsdichte ist somit reell nicht vorhanden gewesen, eine Tunnelhaltestelle "brauchte" es nicht. Hätte man die Strecke der Straßenbahn schon in der Kurfürstenstraße an die nördliche Straßenseite, in der Werner-Hilpert-Straße an die südliche Straßenseite und vor dem Hauptbahnhof an die östliche Straßenseite verlegen können. Nachteil: Fahrgäste hätten die große Straße am Hauptbahnhof überqueren müssen. Vorteil: Entflechtung der Verkehre ohne aufwändigen und teuren Tunnelneubau.

@ Tw 666: In Deinen Augen gab es 1965 keine reell vorhandene Verkehrsdichte in der Werner-Hilpert-Straße. Das habe ich aber ganz anders erlebt und in Erinnerung. Im Vergleich zu heute gab es durchaus mehr Verkehr rund um den Hauptbahnhof und in der Werner-Hilpert-Straße. Der Hauptbahnhof war in Kassel zu dieser Zeit ein Punkt mit zentraler Bedeutung. Diese Bedeutung verlor die Gegend aber mit der Eröffnung des ICE-Bahnhofs Kassel-Wilhelmshöhe. Und mit "Hätte, hätte, hätte" ist nichts zu verändern. Man darf die Situation von vor 50 - 60 Jahren nicht mit den heutigen Augen sehen. Die Denkweise war eine andere. Dieses Problem stellt sich heutzutage aber bei vielen Ereignissen der Geschichte. Wie wird man in 50 - 60 Jahren darüber urteilen, dass heute wieder an vielen Straßen Fahrradwege gebaut werden oder auf das Elektroauto gesetzt wird?

http://www.tram-kassel.de/dso/sig/t_tramks.gif

Historische Bewertung der Situation und die "dicken Eier"

geschrieben von: Tw666

Datum: 27.03.21 03:24

Lieber Heribert,

zunächst einmal vielen Dank für deinen Anhang der Hessischen Allgemeine, dies zeigt deutlich den damaligen Zeitgeist der Politik auf, das Prinzip der autogerechten Stadt zu fördern und zu fordern. Dies sind äußerst interessante Artikel.

Ich habe in meinen Beiträgen aufgezeigt, dass die Entflechtung des Verkehrs auch auf anderem Wege möglich gewesen wäre, dass diese Vorschläge selbstverständlich nicht mehr umsetzbar sind, ist mir bewusst. Ich würde gerne mit dem Ausbau der Altmarktkreuzung ein Argument vorbringen, welches den Charakter des Tunnels Hauptbahnhof als Prestigebau darstellt. Die Kreuzung wurde in den 1950ern ebenfalls autogerecht ausgebaut und erhielt eine Fußgängerunterführung sowie eine moderne LSA. Staus durch eine unübersichtliche Verkehrsführung waren wie weggeblasen.
Thomas Siemon schreibt in seinem Artikel „Unterführungen galten als modern“ , erschienen am 28. Oktober 2020 in der HNA, dass im Jahr 1957 20.000 Kfz in Kassel gemeldet waren, aktuell sind es rund 85.000. Es ist daher auch von einer Verkehrssteigerung im Bereich des Hauptbahnhofes auszugehen.
Ich bleibe daher bei meiner These, dass eine Entflechtung des Verkehrs im Bereich des Hauptbahnhofes auch ohne einen aufwändigen und teuren Tunnelbau möglich gewesen wäre und zwar mithilfe von LSA.
Selbstverständlich passt ein heute zeitgemäße Planung nicht in die 1960er Jahre. Deutschland erlebte einen Wirtschaftsaufschwung, Autos waren angesagt und wurden als Verkehrsmittel der Zukunft angesehen. Eine Straßenbahn, als veraltetes Verkehrssystem passte schlicht nicht in den Zeitgeist, eine Tunnelhaltestelle/U-Bahn Haltestelle schon eher.

Kassel hatte damit eine U-Bahn, auch wenn es nur ein kurzes Stück war. Ich schrieb nie, dass es in Kassel eine reine U-Bahn oder Stadtbahn wie in Frankfurt a. M. oder Stuttgart geben sollte.


Leider sind einige meiner ironischen Formulierungen auf dem Schriftweg verloren gegangen, dies ist zu bedauern.
So meinte ich das mit dem Planungsfehler anders. Dass eine heute 2,65 Meter breite Stadtbahn durch den Tunnelausgang passt, scheint ein Planungsfehler der damaligen Ingenieure gewesen zu sein - ein Gleismittenabstand bzw. die Tunnelbreite für 2,2 Meter breite Straßenbahnwagen hätte völlig ausgereicht, warum sich die Mühe machen und mehr buddeln als man muss? ;)

Gerade die „dicken Eier“ sind durch eine Überheblichkeit Karikatur des Zeitgeistes der autogerechten Stadt und Prestigebauten des wirtschaftlichen Aufschwunges, wie dem Tunnel Hauptbahnhof. Dies wird dem augenscheinlich u. a. durch deinen Leserbrief innitiierten Schild „U-Bahn“ deutlich. Dies ist doch ein überheblicher Akt gegenüber echten U-Bahnen oder U-Stadtbahnen.*

Ich meine den Vorsprung vor Frankfurt in einem Beitrag über die Straßenbahn Kassel oder die U-Bahn Frankfurt des Hessischen Rundfunks gesehen zu haben, finde diesen Satz allerdings ad hoc nicht, zumal es so auch nicht stimmt. Die U-Bahn Frankfurt a. M. wurde zwar 1968 eingeweiht, 1966 fanden allerdings erste Probefahrten des U1-Triebwagens im Tunnel mit Fahrgästen statt.


Eine historische Situation muss sogar aus heutiger Sicht beurteilt allerdings auch in den Kontext der damaligen Zeit eingebettet werden, dies verlangt die geschichtliche Bildung (im Besonderen der Beutelsbacher Konsens in der politischen Bildung).
So wäre die Frage, ob die U-Bahn-Haltestelle der Kasseler Straßenbahn ein erfolg war, durchaus im Kontext verschiedener Epochen zu beantworten (stark vereinfacht):
- Eröffnung: Erfolg da gewünschte Entflechtung von Verkehren erfolgte/Zeitgeist
- Eröffnung bis Anfang/Mitte 1980er Jahre: siehe Punkt 1
- Mitte der 1980er Jahre bis 1990: Erfolg wie Misserfolg: Einführung von mehr Fahrten in die Königsstraße, dadurch Schwächung des Astes über den Hauptbahnhof; Entflechtung möglich über Ampelanlagen/seitliche Anlage von Gleisanlagen
- ab 1991: Misserfolg. Kaum Fahrten zum Hauptbahnhof, Eröffnung des Fernbahnhofes, unsichere Perspektive für Fußgängerverkehr, Entflechtung nicht nötig/sinnvoll

Die Bedeutung und Sinnhaftigkeit des Bauwerks hat sich selbstverständlich gewandelt und hat zur Eröffnung als Prestigeprojekt am Eingangstor zu Kassel in den Zeitgeist des wirtschaftlichen Aufschwungs geführt. Das Sinnhafte ist nach und nach in der Bewertung gesunken, dafür waren diverse Faktoren zuständig.

Eine mögliche Bewertung von halbherzig aufgepinselten Fahrradstreifen und Fahrbahnsanierungen für PKW, welche mit "fahrradfreundlichem Ausbau" argumentativ einhergehen sowie die katastrophal langsame Umsetzung umweltpolitischer Maßnahmen könnte in 60 Jahren als positiver Beginn bewertet werden. Da allerdings dieser Umstand schon seit den 1960/70er Jahren durch verschiedene Gruppen angeprangert wird, kann es auch anders aussehen.

Ich hoffe, dass ich mich mit dann 85 Jahren an diese philosophische Fragestellung zurückerinnern kann und vielleicht auch die Tunnel Hauptbahnhof aus der dann auftretenden Perspektive bewerte.


Freundliche Grüße

666


* Der Akt Branners passt stilistisch gut zu seiner Parteilaufbahn.