Als bekennender Freund des Informationsdesigns und Gebrauchsgrafiken und Beschilderungen aller Art und auch inspiriert durch die einschlägigen neulichen Chemnitz-Beiträge von Blaulicht möchte ich mich diesmal einem Thema widmen, das bei der Betrachtung der Straßenbahngeschichte leider eine sehr untergeordnete Rolle zu spielen scheint: Der Beschilderung der Haltestellen. Dabei kommt dieser im Alltag eine äußerst wichtige Rolle zu, denn mit Einführung des elektrischen Betriebes entfiel die Möglichkeit, auf Zuruf seine gewünschte Beförderungsmöglichkeit halten zu lassen. Entsprechend auffällig mussten die Haltestellenschilder sich im Straßenraum abheben, und entsprechend viel wurde auch experimentiert. Eine Konstante scheint es jedoch über die vielen Jahrzehnte bis zur Einführung der StVO-Standardbeschilderung in Dresden nach dem Zweiten Weltkrieg gegeben zu haben: Die Farben rot und weiß für die Beschilderung der Straßenbahn- und grün und weiß für die der Omnibushaltestellen.
Im ersten Teil widme ich mich der Beschilderung der Privatgesellschaften. Da hierzu keinerlei Unterlagen mehr existieren, stützen sich die zeichnerischen Rekonstruktionen auf Fotografien, insbesondere auf historische Ansichtskarten. Es wird kaum noch möglich sein, die Vielzahl an Sonderbauformen abzubilden, die mit Sicherheit existiert haben werden. Auch sind meine Angaben und Schlussfolgerungen mit Vorsicht zu betrachten, denn tatsächliche Nachweise kann ich leider meistens nicht liefern und muss mich auf meine gesunde Kombinationsgabe verlassen.
Tramways Company bzw. Dresdner Straßenbahn AG („Gelbe“ Gesellschaft)
Feste Haltestellen werden in Dresden erstmals für die Conti-Linie von Blasewitz zum Böhmischen Bahnhof und weiter nach Plauen angegeben und finden sich zum Beispiel in der Eröffnungsannonce der Plauener Strecke vom 11. März 1873, hier in den „Dresdner Nachrichten“. Da die Strecke zu Beginn außerhalb des Stadtkerns noch durch weitgehend locker bebautes oder gar freies Gelände führte, erscheint dies angemessen, es darf bei den niedrigen Reisegeschwindigkeiten jedoch angenommen werden, dass auch außerhalb dieser festen Punkte ein Halten auf Zuruf erfolgte. Wie die Haltestellen gekennzeichnet waren, bleibt leider offen.
Bei der Tramways Company finden sich in den Fahrplänen Zahlgrenzen, an denen mit Sicherheit gehalten werden musste. Gleiches dürfte für Umsteigepunkte gegolten haben, ebenso wie für Ausweichen, die außer bei der Conti-Linie in der Regel in Straßenkrümmungen angelegt waren, um den folgenden Streckenabschnitt einsehen zu können. Durch den bald erfolgenden zweigleisigen Ausbau der meisten Strecken entfiel dieser Zwang jedoch, und gehalten wurde überall, wo das geneigte Publikum ab- und zuzusteigen wünschte, wenn dem nicht die örtlichen Gegebenheiten entgegenstanden.
Plan des Streckennetzes der Tramways Company, 1885. Markiert sind die Umsteigepunkte. (SLUB)
Der zunehmende Verkehr und die Ankunft der „roten“ Konkurrenz sorgten bald für chaotische Zustände, so dass sich die Stadt 1890 gezwungen sah, in einem Regulativ das Halten der Pferdebahnwagen einzuschränken und neu festzulegen. Dazu heißt es:
Erstmals werden hier Haltestellenschilder explizit erwähnt. Wie diese frühesten Exemplare ausgesehen haben könnten, kann man nur spekulieren. Es scheint jedoch nicht abwegig, dass sie optisch bereits den wenige Jahre später bildlich nachweisbaren Tafeln der Dresdner Straßenbahn AG entsprachen. Da die Emailleschilder praktisch unverwüstlich waren, wäre es schlicht unlogisch, warum man sie nach gerade einmal fünf bis zehn Jahren hätte ersetzen sollen.
Eine der frühesten aussagekräftigen Darstellungen, die ich gefunden habe, stammt vom Altmarkt. Die auf 1897 datierbare Aufnahme dokumentiert den Mischbetrieb von Pferde- und elektrischen Bahnen in der König-Johann-Straße. Am Gaslaternenmast prangt ein Schild mit drei Schriftzeilen: Im oberen roten Feld steht schwarz „STRASSENBAHN“, mittig schwarz auf weißem Grund „Haltestelle“, unten in weißer Schrift „Rechts der Fahrtrichtung“. Es darf angenommen werden, dass diese Schilder häufig nur auf einer Straßenseite postiert waren, der Hinweis findet sich auch auf Beispielen anderer Gesellschaften und dürfte erst mit dem Aufkommen der zusätzlichen Richtungspfeile um 1910 und der generellen Installierung von Schildern auf beiden Straßenseiten verschwunden sein.
Rekonstruktion der Schilder der Dresdner Straßenbahn AG aus der Frühzeit. Die Gestaltung erinnert schon stark an die späteren Standardschilder der Städtischen Straßenbahn, die auf Außenstrecken teilweise bis in die ersten Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg anzutreffen waren. In der Form allerdings unterschieden sie sich, sie waren insgesamt schlanker und das mittlere Kreiselement tritt damit deutlich stärker in Erscheinung. Aufgehängt waren sie meist an Gaslaternen oder Oberleitungsmasten, bisweilen auch an Baulichkeiten - eigene Schildermasten waren unüblich. Das rechte Beispiel zeigt die spätere Ergänzung eines roten Farbstreifens im Leuchtkörper, durch den die Haltestellen bei Dunkelheit besser auffindbar waren - eine Neuerung, die sich durchsetzte.
Die Rekonstruktion des Schildes mit ausschließlich schwarzen Aufschriften erfolgte nach diesem, nach 1909 entstandenen, Foto vom Endpunkt Ludwig-Hartmann-Straße der Linie 1 (Archiv DVB). Uns interessiert ausnahmsweise nicht der kleine städtische Triebwagen 878II (Baujahr 1909) mit seiner außergewöhnlichen Stromabnehmeranordnung und den rahmenlosen Fenstern, sondern das Haltestellenschild, dass noch aus der Privatbahnzeit stammen dürfte. Bis auf die Farbe des unteren Hinweises entspricht es der Bauform vom Altmarkt, die rein schwarze Schriftvariante scheint auch die übliche gewesen zu sein.
Postkarte mit dem Plauenschen Platz, vor Aufnahme des elektrischen Betriebes 1900. Neben dem Haltestellenschild am linken Bildrand, das dem der Ludwig-Hartmann-Straße entspricht, fällt rechts der Gleisbogen auf die Brücke Chemnitzer Straße ins Auge, die seit 1880 nur noch als Betriebsstrecke diente und ursprünglich Richtung Böhmischer Bahnhof angebunden war. Diese Verbindung entfiel ebenfalls 1900. Hinter dem Eckhaus Ammon-/Kohlschütterstraße lugen die Hallen des Hauptbahnhofes hervor. Dieses Foto beweist, dass in der Endzeit des Pferdebahnbetriebes feste Haltestellen bereits eingeführt waren.
Aufnahme vom Schillerplatz, um 1900. In Bildmitte prangt ein Schild der Dresdner Straßenbahn am Oberleitungsmast, und darüber vermutlich eine wesentlich aufwändigere Sonderanfertigung der Deutschen Straßenbahngesellschaft.
Haltestelle Weißer Hirsch (Loschwitzer Str.) an der Bühlauer Strecke, heute „Plattleite“. Netterweise hat der Retuscheur dem Schild eine auffällige gelbe Farbe verpasst, die die Form gut erkennen lässt. Dennoch ist mit einiger Sicherheit davon auszugehen, dass die Schilder bereits von Beginn an rot und weiß gestaltet waren.
Am Bischofsweg kreuzten sich ab 1900 zwei „gelbe“ Linien. An der Ecke erkennen wir das Haltestellenschild, wobei die Gaslaterne zwecks besserer Erkennbarkeit der Haltestelle rot-weiß gestrichen wurde. Diese Variante hat sich allerdings nicht dauerhaft durchgesetzt.
Auch entlang der 1899 eröffneten Lößnitzbahn wurden die üblichen Schilder der Dresdner Straßenbahn AG gehängt, obwohl es sich um eine Staatsstraßenbahnlinie handelte. Dieses Foto der Haltestelle „Russen-/Bahnhofstraße“ an den „Vier Jahreszeiten“ zeigt auch den Sinn des Hinweises „Rechts in der Fahrtrichtung“: Auf der stadtwärtigen Seite fehlt das Schild, es galt für beide Richtungen. Es sollte die einzige Staatsbahnstrecke bleiben, auf der zu Beginn Dresdner „Stadtschilder“ zum Einsatz kamen.
Deutsche Straßenbahngesellschaft in Dresden („Rote“ Gesellschaft)
Die „rote“ Gesellschaft besaß ihre eigenen Schilder, die im Format etwas kleiner daherkamen als die der ehemals englischen Konkurrenz. Dafür aber gab es einige besonders auffällig gestaltete Sonderbauformen, mit der der Neuankömmling versuchte, sein Verkehrsangebot im Stadtbild in besonderer Weise hervorzuheben. Dies war auch nötig, lagen die Endpunkte doch oft abseits des Trubels.
Das Standardschild der „roten“ war eine recht unauffällige Angelegenheit. Nach Übernahme durch die Stadt dürften die Tafeln nach Vorbild der „Gelben“ nach und nach vereinheitlicht worden sein - zumindest im Stadtgebiet und auf den eigenen Strecken der Städtischen Straßenbahn. Die Anbringungsvarianten entsprachen denen der Konkurrenz.
Das beste Bild, was ich von einer „roten“ Haltestelle auftreiben konnte, zeigt die Haltestelle Kaiserstraße/Leipziger Straße der Rundbahn in Nähe des Neustädter Bahnhofes. Deutlich erkennbar ist auch der rote Farbring im Laternenkopf.
Der Albertplatz nach der Jahrhundertwende, im Vordergrund ein Rundbahn-Triebwagen der späteren Linie 26. Mittig ziert ein Haltestellenschild der „Roten“ den großen Gaskandelaber, in der Mittelfahrbahn erkennen wir in Höhe der beiden Triebwagen ein Haltestellenschild der „gelben“ Gesellschaft. Beachtenswert auch die Lage der hölzernen Wartehalle - die kurzen Züge machten ein Halten im Gleisbogen damals noch möglich.
Am Abzweig des Ringes aus der Bautzner in die Glacisstraße bestand bis 1917 jeweils eine Haltestelle der „gelben“ Linien auf der Bautzner und der „roten“ in der Glacisstraße. Zwar sind die Schilder beider Gesellschaften nur aus der Ferne zu erkennen, aber sie ermöglichen einen guten Größenvergleich.
Ein besonders pompöses Schild gönnte sich die Deutsche Straßenbahngesellschaft an ihrem stadtseitigen Endpunkt der ersten elektrischen Straßenbahnlinie im Königreich Sachsen am Schloßplatz. Blick von der Terrassentreppe mit bereits geänderter Beschriftung, ursprünglich stand hier nur „Blasewitz“. Auf der Vorderseite waren die Angaben stets ausführlicher…
Vorderseite mit der Originalbeschriftung, 1894. Die versteckte Lage des ursprünglichen Endpunkts neben der Terrassentreppe mag eine Erklärung für die besonders auffällige Beschilderung sein. Man beachte auf das nachträglich angebrachte kleine Zusatzschild, das später zugunsten einer geänderten Hauptbeschriftung verschwand.
Zeichnerische Rekonstruktion des Ursprungszustands.
Nach Eröffnung der Pillnitzer Strecke wurde die Beschriftung entsprechend erweitert. Der Triebwagen trägt bereits seine Liniennummer „18“, das Foto sollte also um 1906 entstanden sein. Spannend ist auch ein Vergleich der Hintergrundbebauung, denn wir sehen hier bereits das fertige Ständehaus Paul Wallots, während auf dem vorigen Bild noch die Palais Brühl und Fürstenberg zu erkennen sind, abgebrochen 1897 bzw. 1894.
Eine ähnlich monströse Marke wie am Schloßplatz setzte die Gesellschaft am abseitig gelegenen Endpunkt der Rundbahn am Hauptbahnhof. Damit der transportwillige Reisende die roten Wagen jenseits der Straße auch wahrnahm und nicht etwa von der „gelben“ Konkurrenz weggeschnappt wurde, stellte man ein ähnliches Schild wie am Postplatz auf, wenngleich mit etwas „nüchternerem“ Zierrat.
Zeichnerische Rekonstruktion. Am Mast hing außerdem ein normales Haltestellenschild der „Roten“.
Gemeindeverbandsbahn Loschwitz - Pillnitz und Staatsstraßenbahn
Während auf der Lößnitzbahn noch Standard-Haltestellenschilder, in jenem Fall der „gelben“ Gesellschaft, verwendet wurden, änderte sich dies mit der Inbetriebnahme der Plauenschen Grundbahn 1902. Diese erhielt Haltestellenschilder, die aus denen der „roten“ Gesellschaft abgeleitet waren - eigentlich auch folgerichtig, wurde sie doch auch von dieser betrieben - aber mit geänderten Aufschriften. Diese Bauart wurde später für alle Staatsstraßenbahnstrecken adaptiert, also auch die nach Cossebaude und Klotzsche/Hellerau.
Haltestelle Bahnhof Potschappel (am Rathaus), um 1910. Links am Gittermast ist das Schild erkennbar, das die Aufschrift „Staats- Straßenbahn“ trägt, in der Gestaltung aber der Deutschen Straßenbahngesellschaft entspricht.
Diese Bauart wurde selbst auf der erst 1911 eröffneten Staatsstraßenbahnstrecke Arsenal - Klotzsche noch eingesetzt, und ebenso auf deren Ast nach Hellerau 1913. Hier die Haltestelle „Moritzburger Weg“, vor Bau des Abzweiges in die Gartenstadt als „Hellerau“ bezeichnet. Hier war das Schild in einem dekorativen Rahmen an dem eleganten hölzernen Wartehäuschen befestigt. (Deutsche Fotothek)
Endpunkt Hellerau (Breiter Weg) um 1915. Auch hier war ein „Staatsstraßenbahn“-Schild angebracht und mit zusätzlicher Beleuchtung versehen. Vermutlich Anfang der 1920er Jahre wurden die abweichenden Schilder durch Dresdner Standardschilder mit den üblichen zusätzlichen Liniennummernscheiben ersetzt. (Deutsche Fotothek)
Auch die 1903 eröffnete Gemeindeverbandsbahn von Loschwitz nach Pillnitz wurde von der Deutschen Straßenbahngesellschaft betrieben und erhielt entsprechende Haltestellenschilder. Mein Erstaunen war daher nicht gering, als ich die folgende Postkarte vom Körnerplatz etwas genauer betrachtete und die Aufschrift „Elektrische Strassenbahn Loschwitz - Pillnitz“ entzifferte.
Zeichnerische Rekonstruktion der Außenbahnschilder, basierend auf dem Design der Deutschen Straßenbahngesellschaft in Dresden.
Damit möchte ich den ersten Teil dieser Betrachtung schließen und mich im zweiten den Vorortbahnen und dem „5-Pfennig-Omnibus“ widmen.
Schönes Wochenende!