Während der vorherige Teil der Serie sich mit drei Linien beschäftigte, die ihren Ausgangspunkt am Albertplatz oder Neustädter Bahnhof nahmen, führt uns Teil 4 in weitere Winkel der Stadt, nach Wölfnitz, Plauen, und Gruna. Beginnen wir mit der Linie 13, die noch nichts mit ihrer jetzigen numerischen Nachfolgerin gemein hatte…
Linie 13: Postplatz - Wölfnitz - gelbe Wagen
Die Pferdebahnlinie Postplatz - Löbtau der Tramways Company of Germany Ltd. erblickte bereits 1881 das Licht der Transportwelt und verband die damals noch unabhängige Gemeinde mit dem Herzen der Residenz. 1893 erfolgte zunächst noch eingleisig die Verlängerung nach Wölfnitz zum dortigen Gasthaus. Erst 1900 wurde die Linie als eine der letzten „gelben“ elektrifiziert und der Endpunkt am Postplatz von der Südseite am Telegrafenamt zum Zwinger verlegt. Nach Eröffnung des Straßenbahnhofes Naußlitz 1902 waren ihre Wagen dort untergebracht, gemeinsam mit denen der Plauener Linie, nachdem bereits zur Pferdebahnzeit ein Depot in Löbtau nahe des Annenfriedhofs bestand. Ab 1906 erhielt die Linie die Nummer 13 - 1909 verschmolz sie mit der Linie 7.
Wagen der späteren Linie 13. Die Schilder wurden nach der Pferdebahnzeit entfärbt und von gelb auf weiß geändert.
Fahrplan und Linienverlauf 1905 - „ABC“.
Fahrplan 1908.
Ein rarer Blick von den Zwingeranlagen zum Stadtcafé und Stadtwaldschlößchen. Im Vordergrund kreuzt ein Wagen der Linie Arsenal - Hauptbahnhof, links angeschnitten ein Wagen der hier endenden Linien nach Plauen und Wölfnitz. Im Hintergrund erkennen wir die Silhouette des Telegrafenamtes mit seinen markanten Türmen.
Wir überspringen den Postplatz. An der im Hintergrund erkennbaren Annenkirche trennten sich die Plauener und die Wölfnitzer Linie, deren Zug im Vordergrund auf dem Freiberger Platz in Richtung Postplatz fährt. Der Platz selbst ist heute nur noch in seinen Konturen erhalten. Vom regen großstädtischen Treiben in der proletarisch geprägten Wilsdruffer Vorstadt ist nichts geblieben, und statt im Zentrum einer Großstandt wähnt man sich irgendwo an der Peripherie in einer Schlafstadt der 60er Jahre…
Erhalten hingegen ist das spitze Eckhaus zwischen Hohenzollernstraße (heute Oederaner Straße) und Glaswerk Siemens, dessen Arbeiterhäuser zur rechten aber heute verschwunden sind. Bis zur Eingemeindung Löbtaus befand sich hier die Stadtgrenze.
Völlig umgewälzt wurde die Gegend um den Crispiplatz (Ebertplatz) erst durch die Bomben, dann aber vor allem den Bau der Hochstraße, dem ab Ende der 1980er Jahre die noch verbliebenen großstädtischen Häuser am Weißeritzübergang weichen mussten. Links lugt der Turm des kriegsverlustigen Rathauses Löbtau über die Dächer, rechts ein fünffenstriger Wagen der späteren Linie 13 bei der Ausfahrt aus der Freiberger Straße. Ums Eck erreicht er gleich die heute namenlose Bismarckbrücke.
Auch der Dreikaiserhof selbst wurde ein Raub der Bomben, die Bezeichnung hat sich aber im Dresdner Volksmund immer gehalten und wird aktuell für den unsäglichen Nachfolgebau zweckentfremdet, dem hoffentlich ein noch kürzeres Leben beschieden sein wird als seinem Vorgänger. Für mich zählt die Kreuzung Kesselsdorfer/Tharandter Straße so zum Hässlichsten, was in Dresden in den Nachwendejahren städtebaulich verbrochen wurde. Doch ich schweife ab…
Von links nach rechts: Rathaus Löbtau, Tharandter Straße mit rotem Wagen der Linie 22, Dreikaiserhof, Kesselsdorfer Straße mit gelbem Wagen der Linie 13. Die „Feindgleise“ der konkurrierenden Gesellschaften kreuzten ohne jedwede Abzweigmöglichkeit.
Ein Stück die Kesselsdorfer Straße hinauf, und wir befinden uns an der Einmündung der Wernerstraße mit dem Restaurant „Zum Frieden“. Genau hier zur rechten befand sich dereinst der auf dem Kartenmotiv bereits überbaute ehemalige Pferdebahnhof Löbtau.
Wir befinden uns mittlerweile an der Saalhausener Straße, die von Löbtau nach Naußlitz hineinführt. Die Streckenverlängerung vom Löbtauer Annenfriedhof nach Wölfnitz war ursprünglich nur eingleisig ausgeführt, spätestens mit der Umstellung auf elektrischen Betrieb 1900 dürfte jedoch das zweite Gleis hinzugekommen sein.
Die Baumasse des Straßenbahnhofes Naußlitz mit ihren Jugendstilelementen ist noch heute stadtteilprägend, auch wenn der Bahnhof längst nicht mehr seinem ursprünglichen Zwecke dient. In der Einfahrt sehen wir einen ex-„gelben“ Triebwagen bereits umgezeichnet mit Nummer der Städtischen Straßenbahn, neben dem sich das Personal fotogen aufgestellt hat.
Nur einen Steinwurf entfernt lag der Kuppelendpunkt Wölfnitz vor dem dortigen Gasthaus, mitten auf der Kesselsdorfer Straße. Den dichten Taktzeiten geschuldet (die Linie fuhr immerhin aller 5 Minuten!) waren an den Endpunkten oft mehrere Wagen anzutreffen.
Linie 14: Neumarkt - Gruna - Seidnitz - rote Wagen
Die im Jahre 1900 eröffnete Linie der „Deutschen Straßenbahngesellschaft“ besitzt zur Abwechslung keine hippomobile Vorgängerin, sondern erblickte gleich elektrisch das Licht der Welt. 1905 erfolgte die Verlängerung von der „Grünen Wiese“ in Gruna bis zum Gasthof Seidnitz. 1909 wurde sie mit der Linie 12 zu einer Durchmesserlinie über die Carolabrücke vereinigt - die neue „12“ bestand bis Anfang der 1930er Jahre.
Wagen der späteren Linie 14.
Fahrplan und Linienverlauf 1905 - „ABC“. Die Verlängerung nach Seidnitz ist bereits angekündigt.
Fahrplan 1908. Nur jeder zweite Wagen fuhr von Gruna nach Seidnitz durch.
Ausgangspunkt der Linie war der Neumarkt vor dem Johanneum, den Endpunkt teilte sie sich mit der Linie Theaterplatz - Neumarkt, der späteren „4“. Rechts neben den bereitstehenden Wagen der „roten“ Linien ein „gelber“ der „Briefchenlinie“ vom Neustädter Bahnhof zum Georgplatz und weiter zur Reichenbachstraße, ab 1906 Linie 25. Auffällig ist das Fehlen einer Oberleitung: Den architektonischen Schätzen der Altstadt wollte man eine solche disgraziöse Installation ersparen. Wenige Jahre später war davon jedoch keine Rede mehr.
Triebwagen 284 war für den Akkumulatorenbetrieb zwischen Neumarkt und Johann-Georgen-Allee ausgestattet. Gut zu erkennen ist auf dieser Aufnahme die für die „Rote“ typische beleuchtete Glaskugel als Kennfarbe bei Dunkelheit, bei der „14“ war sie weiß. Den aktuell nutzlosen Lyra-Stromabnehmer hat das Fahrpersonal sorgfältig „abgebügelt“. Das Gebäude rechts im Hintergrund bedarf wohl keiner besonderen Erwähnung…
Einen wunderbaren Einblick in die heute bis auf einen Reststummel am Neumarkt vollkommen überbaute Moritzstraße bietet uns das folgende Postkartenmotiv. Im Hintergrund erkennen wir das Johanneum und den Turm der Katholischen Hofkirche. Auf der offenbar schon asphaltierten Moritzstraße sind in dichtem Konvoi Wagen beider Gesellschaften aktiv: Vorn wiederum einer der „gelben“ „Briefchenlinie“ auf der Fahrt zum Georgplatz, dahinter „rote“ Wagen der Linien vom Theaterplatz zum Neumarkt bzw. nach Gruna. In Bildmitte kreuzt die König-Johann-Straße, heute in stark verbreiterter Form Teil der Wilsdruffer Straße.
Nach Querung des Ringes folgten die „roten“ Neumarkt-Linien der Johann-Georgen-Allee (heute Lingnerallee) bis zum Großen Garten. Auf der Fahrt zum Neumarkt kreuzt ein „roter“ Wagen die Albrechtstraße, die heute Blüherstraße heißt. Die Bebauung ist verschwunden, der seit Jahren geplante Neuaufbau als „Lingnerstadt“ lässt immer noch auf sich warten…
An der Lennéstraße trennten sich die beiden Linien und die Grunaer „14“ bog nach Norden zum Stübelplatz ab. Sie befuhr anschließend aller 10 Minuten die Stübelallee, die hier noch nicht über ihre Richtungsgleise verfügt. Links der Stübelbrunnen und im Vordergrund die Canalettostraße mit einem ebenfalls „roten“ Zug entweder nach Blasewitz oder zur Altenberger Straße (später Linien 2 und 30).
Großes Tamtam an der „Grünen Wiese“ anlässlich der Eröffnung der Straßenbahn nach Gruna, die den hier seit einigen Jahren verkehrenden Pferdeomnibus ablöste. Das beflaggte Eckhaus im Hintergrund (Ecke Zwinglistraße/Bodenbacher Straße) ist noch heute erhalten. Was auffällt: Ursprünglich kreuzte die Strecke die Zwinglistraße in einer S-Kurve und führte auf der Bodenbacher Straße durch bis zur Karcherallee. Der heutige Bahnkörper entlang der östlichen Stübelallee entstand erst 1908.
Blick in die Gegenrichtung, die 1945 zerstörte „Grüne Wiese“ diesmal rechterhand. Links die versetzte stadtseitige Fortführung der Bodenbacher Straße, der die Strecke von 1900 bis 1908 folgte.
Die Vorstadt Seidnitz musste bis 1905 auf einen Straßenbahnanschluss warten. Weiter über freies Feld zur Rennplatzstraße am Gasthof Seidnitz ging es erst 1905, und auch nur mit jedem zweiten Wagen. Immerhin entstand so ein 20-Minuten-Takt. Ein Bild einer „14“ am Gasthof Seidnitz habe ich nicht auftreiben können, daher muss es dieses Motiv mit der Nachfolgelinie 12 tun. Das Ambiente dürfte aber bis 1909 identisch gewesen sein.
Linie 15: Postplatz - Plauen - gelbe Wagen
Die Linie 15 konnte ihre Ursprünge bis 1873 zurückverfolgen, denn die Strecke über die Chemnitzer Straße war Teil der Fortsetzung der „Conti“-Linie vom Hauptbahnhof nach Plauen. Die Eröffnung der Verbindung zum Postplatz erfolgte 1880. Parallel zur Wölfnitzer Linie wurde sie 1900 elektrifiziert und erhielt ihren stadtseitigen Endpunkt an der Zwingerseite des Postplatzes. Ab 1909 wurde sie dann mit der Linie 17 vereinigt und verkehrte als Durchmesserlinie weiter über die Leipziger Straße nach Mickten.
Wagen der späteren Linie 15. Mit Umstellung auf elektrischen Betrieb erfolgte die Umfärbung der Schilder von rot auf braun, wohl um am Postplatz Verwechslungen mit der Pieschener Linie zu vermeiden, durch die sie nun mit der Endpunktverlegung in direkten Kontakt kam.
Fahrplan und Linienverlauf 1905 - „ABC“.
Fahrplan 1908.
Wagen 92 der Dresdner Straßenbahn AG im Straßenbahnhof Naußlitz, aufgeschildert für die Plauener Linie. Es handelt sich um einen ehemaligen Pferdebahn-Decksitzwagen, gebaut bereits 1881 von Herbrand in Köln-Ehrenfeld.
Ein Blick aus Webers Hotel auf die Abfahrtsstelle der späteren Linien 13 und 15 am Zwinger, in direkter Nachbarschaft zu Taschenbergpalais und Sophienkirche. Neben dem Stadtpavillon des Zwingers versteckt sich ein ganz besonderes Fahrzeug auf der Plauener Linie - es wird uns gleich noch einmal am Postplatz begegnen.
Reges Straßenbahngewusel herrschte um die Jahrhundertwende am Postplatz. Im Hintergrund das Ensemble aus Zwinger, Hoftheater und Gemäldegalerie, Links Stadtwaldschlößchen und Sophienkirche, in Platzmitte der Cholerabrunnen, den man heute am Taschenbergpalais findet. Viel interessanter für uns ist jedoch das komische Gefährt am unteren Bildrand: Der Beifang das Fotografen zeigt mit Triebwagen 400 den wohl schillerndsten Einzelgänger der „gelben“ Gesellschaft, den „Großen Kurfürst“, hier im Einsatz auf der Linie Postplatz - Plauen.
Der „Große Kurfürst“ als Grafik. Gebaut wurde der vierachsige Einzelgänger 1897 nach Entwürfen von Ing. Schiemann für die Dresdner Straßenbahngesellschaft als Versuchswagen. Er verkehrte auf der Linie Postplatz- Plauen (später 15) und der Linie Blasewitz- Reichenbachstraße (später 1). 1917/18 wurde er zu einem Mitteleinstiegs-Beiwagen umgebaut und schließlich 1929 verschrottet.
Die Plauener Linie durchquerte anschließend die Annenstraße und trennte sich an der Annenkirche von der Wölfnitzer Linie, die nach rechts auf den Freiberger Platz abbog und dabei den Weißeritzmühlgraben überquerte.
Blick von der Annenkirche zurück durch die Annenstraße zum Postplatz, mit den Türmen der Altstadt schemenhaft im Hintergrund - um 1905.
Über den Sternplatz und die Falkenstraße erreichte die „15“ den Stadtring, hier bog die sie ab Postplatz begleitende „7“ zum Hauptbahnhof ab. Anschließend wurde das Vorfeld des Hauptbahnhofes auf der Falkenbrücke überquert. Im Hintergrund blicken wir in die vom Sternplatz kommende Falkenstraße, die sich beidseitig der Brücke platzartig erweiterte.
Unmittelbar hinter dem noch heute vorhandenen südlichen Brückenwiderlager trifft die Zwickauer Straße auf die Falkenbrücke. Das markante Eckhaus ist wie die gesamte umgebende Bebauung kriegsverlustig. Die Straßenbahntrasse folgte nun „An der Falkenbrücke“, über die sie die Chemnitzer Straße erreichte.
Weiter ging es die lange schnurgerade Chemnitzer Straße entlang bis in das bis 1903 selbstständige Dorf Plauen. Den ehemaligen Pferdebahn-Endpunkt am Westendschlößchen ließ die Bahn seit 1897 hinter sich und erreichte den repräsentativen Rathausplatz mit dem Müllerbrunnen, später Chemnitzer Platz.
Bis 1945 folgte die Straßenbahntrasse der Coschützer Straße ein Stück bergan und bog hernach scharf auf den Plauenschen Ring ein, wo sich die Endstelle befand, die bereits in Erwartung einer projektierten Fortsetzung angelegt war. Die Verlängerung nach Coschütz sollte jedoch noch bis 1927 auf sich warten lassen…
Soviel für heute. Beim nächsten Mal geht es weiter mit den Linien 16, 17 und der Lößnitzbahn.
Viele Grüße
vom Antonstädter
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