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 05 - Straßenbahn-Forum 

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Ich möchte mich eingangs des dritten Teils noch einmal für das große Interesse an dieser Reihe bedanken. Ich hatte ehrlich gesagt nicht damit gerechnet und freue mich, dass es offenbar doch so viele gibt, die sich auch ähnlich intensiv für die Frühgeschichte des hiesigen Nahverkehrs so interessieren wie ich.

Bei der Bildsichtung sind dabei einige interessante Details zum Vorschein gekommen, die mir selbst bislang nicht bekannt waren - auch auf eigentlich weitgehend bekannten Motiven - wie wir auch im folgenden Teil sehen werden. Man lernt halt nie aus…




Linie 10: Marienstraße - Neustädter Bahnhof - rote Wagen

Vorläuferin der kurzen Linie Marienstraße - Neustädter Bahnhof war die 1895 eröffnete Pferdebahnlinie Bergkeller - Neustädter Bahnhöfe, welche vom Bismarckplatz über die Hohe Brücke und den inneren Ring über die neu erbaute Königin-Carola-Brücke und die König-Albert-Straße nach dem Neustädter Bahnhof führte - der Einfachheit halber verwende ich weiter die schon damals üblichen und heute amtlichen vereinfachten Straßenbezeichnungen.

Die Straßenbahntrasse über die Brücke war bauseitig für den elektrischen Unterleitungsbetrieb ausgerüstet, der hier aber nie durchgeführt wurde. Auf der folgenden Aufnahme aus der Deutschen Fotothek sehen wir einen Pferdebahnwagen der genannten Linie. Auffällig ist die rote Kennscheibe mit dem großen „C“, was die Linienführung über die Carolabrücke signalisierte. Außerdem erkennt man entlang der innenliegenden Schienen gut die Kästen der nie in Betrieb genommenen unterirdischen Stromzufuhr.

https://abload.de/img/linie10carolabrcke2rtjny.jpg


Mit Umstellung auf elektrischen Betrieb 1898 wurde die Linie bis zum Güntzplatz (südlich der Kreuzkirche) verkürzt, kurz darauf fand sie ihre endgültige Endstelle an der Marienstraße. So verkehrte sie bis zur Linienreform 1909, in deren Zuge sie in der neuen Innenringlinie 4 aufging.


Roter Wagen 163 der C-Linie, ab 1906 Linie 10. Diesen konnte ich nach einer Wagenskizze und einer Ansichtskarte rekonstruieren - er war jener Einzelgänger, der den Übergang von den sechsbogenfenstrigen Wagen der Anfangszeit zu den typisch „roten“ Vierbogenfenster-Wagen vollzog und Merkmale beider Baureihen in sich vereinte.

https://abload.de/img/linie1016ju1.jpg


Fahrplan und Linienverlauf der Linie 10, 1905 - „ABC“.

https://abload.de/img/li1055jvz.jpg


Fahrplan 1908.

https://abload.de/img/fahrplan1019080hkyr.jpg


Wir beginnen die virtuelle Streckenbegehung am Endpunkt Marienstraße, wohl um 1909/10. Die Stumpfgleise der Linie 10 sind bereits verwaist, dafür sehen wir zwei Wagen der Innenringlinie 4, in der sie aufgegangen ist. Das Neue Rathaus im Hintergrund ist bereits fertiggestellt. In der Häuserzeile rechts erkennen wir mittig das noch heute vorhandene Bankgebäude am Ring und dahinter einen Eckerker des Victoriahauses, auf dessen Grundstück sich heute die Haltestelle „Prager Straße“ befindet.

https://abload.de/img/linie10marienstrkhkfe.jpg


Am heutigen Doktor-Külz-Ring. Anstelle der Reformierten Kirche erhebt sich heute ein schlichter Hotelneubau. Der Gleisbogen im Vordergrund gehört zur Linie 4, deren Strecke sich hier aus der Victoriastraße kommend in die Richtungsgleise des Rings teilte. Die aus dem unteren Bildrand führenden Streckengleise dienen der Linie 10. Die „gelben“ Linien nutzen zwischen Prager Straße und Georgplatz die parallele Waisenhausstraße.

https://abload.de/img/linie10ringhxjzb.jpg


Den Pirnaischen Platz erreichten die Linien 10 und 16 über die Ringstraße, die hier Maximiliansring hieß. Weiter führte die Strecke durch den anschließenden Moritzring zum Amalienplatz, heute Rathenauplatz. Die Grünanlagen links markieren den ehemaligen Verlauf der Festungswälle zwischen Ring und Schießgasse, heute liegt hier der Parkplatz vor dem Polizeipräsidium.

https://abload.de/img/linie1016moritzring9cj6j.jpg


Die „C-Linie“ am Amalienplatz mit dem einzigen mir bekannten Bild von Wagen 163, dahinter die Altstadt mit Polizeipräsidium, Kurländer Palais, Albertinum, „Zitronenpresse“ und ehemaliger Hofgärtnerei. Die Kuppel der Frauenkirche ist dem Retuscheur allerdings etwas arg verunglückt, sie erinnert eher an den Berliner Reichstag. Man mag es kaum glauben, aber alle sichtbaren Bauten sind noch heute bzw. heute wieder vorhanden, außerdem erhebt sich auf dem vom Bretterzaun umgebenen Brachland das ehemalige Reichsbankgebäude von 1928-30.

https://abload.de/img/linie10amalienplatzj0j52.jpg


Blick auf die Carolabrücke mit den beiden Allegorien der Elbe, die heute ein eher unbeachtetes Dasein in der Verkehrsschneise des heutigen Rathenauplatzes führen. Links der Brückenrampe der Hasenberg, rechts der Elbberg mit dem Güntzbad, über beide Straßen führte je ein Richtungsgleis zum Terrassenufer, planmäßig genutzt von der Linie 16 bis 1909. Die Gleise blieben dananch aber liegen und wurden noch bis in die 1930er Jahre als Betriebs- und Umleitungsstrecke für die Marschallstraße genutzt.

https://abload.de/img/linie10carolabrckepnk8k.jpg


Die Linie 10 auf der Albertstraße am St.-Privat-Platz. Links die Metzer Straße mit der Rückfront der Neustädter Markthalle, das Gebäude mit dem mächtigen Telegrafenturm ist das Kaiserliche Postamt von 1897. Gleich sind wir am Albertplatz.

https://abload.de/img/linie10albertstrmrknk.jpg


Blick über die Mittelfahrbahn des Albertplatzes in nördliche Richtung und einem friedlichen Nebeneinander roter und gelber Wagen. Die Haltestelle in der Platzmitte teilten sich die aus der Hauptstraße kommenden „gelben“ Linien 7 und 9 schiedlich-friedlich mit der „roten“ 10, von der wir zwei Exemplare am unteren Bildrand an der Kurve in die Albertstraße sehen. Links an der hässlichen Brandwand wird viel später das Hochhaus errichtet werden. Vor dem Grundstück Antonstraße 2 lag übrigens die Abfahrtsstelle der Linie 12 zum St.-Pauli-Friedhof.

https://abload.de/img/linie10albertplj0jy3.jpg


Ab 1901 endete die „C-Linie“ vor dem neu erbauten Neustädter Bahnhof auf dem Schlesischen Platz. Zuvor kurvte sie noch ums Eck bis vor den hierfür aufgelassenen Leipziger Bahnhof. Die Gleise in der Antonstraße waren fest in „roter“ Hand, ausnahmsweise mal ein Vorteil im Vergleich zur „gelben“ Konkurrenz. Erst 1909 wurde die strikte Trennung aufgegeben.

https://abload.de/img/linie10neustbhfgyjbn.jpg



Linie 11: Neustädter Bahnhof - Waldschlößchen - Bühlau - gelbe Wagen

Kommen wir nun (endlich) zur legendären „11“ nach Bühlau, die erst ab 1899 als Außenbahn in Verlängerung der Stadtlinie zum Waldschlößchen den steilen Berg erklomm. Vorher tat dies mehr recht als schlecht ein Pferdeomnibus, dessen Zugtiere man angesichts der Topografie nur bedauern kann. Die Straßenbahn war dann natürlich elektrisch unterwegs, ab 1906 sogar weitergeführt bis zum Neustädter Bahnhof, was für die Hochlandbewohner zahlreiche neue Anschlussmöglichkeiten ergab.


Zug der späteren Linie 11. Für die Bühlauer Außenbahn wurden ganz besonders leichte Beiwagen aus ehemaligen einspännigen Pferdebahnwagen umgebaut, und die schwer motorisierten Triebwagen mit Fallklotzbremse besaßen von Anfang an als Dresdner Novum eine Plattformverglasung, ein frühes Zugeständnis an den Arbeitsschutz.

https://abload.de/img/linie11i1kgx.jpg


Fahrplan und Linienverlauf 1905 - „ABC“. Noch pendelt die ab 1906 auch offiziell so bezeichnete „11“ zwischen Waldschlößchen und Bühlau.

https://abload.de/img/li11ukkqb.jpg


Fahrplan 1908. Im selben Jahr erfolgt die Verlängerung nach Weißig als Staatsstraßenbahn - auf jenen Abschnitt verzichte ich hier jedoch.

https://abload.de/img/fahrplan111908n1k4s.jpg


Wir verlassen den Neustädter Bahnhof, den wir gerade mit der ebenfalls hier endenden 10 erreicht haben, und springen zum Albertplatz zurück, der seit 1906 auch von der Linie 11 berührt wird. Auf seiner Fahrt zum Neustädter Bahnhof begegnet uns ein typischer Zug der Linie aus Triebwagen mit verglastem Perron und Miniatur-Beiwagen, der unschwer als ehemaliger „gelber“ Pferdebahnwagen zu identifizieren ist. Andere Wagen ähnlicher Bauserien wurden grundlegender umgebaut und besaßen nur zwei Seitenfenster. Vorn der Artesische Brunnen, dahinter das heute städtebaulich schmerzlich vermisste Königliche Schauspielhaus, respektive Albert-Theater.

https://abload.de/img/linie11albertplyjj1e.jpg


Ihren ursprünglichen Ausgangspunkt hatten die Bühlauer Wagen ursprünglich wie beschrieben am Waldschlößchen. Der berühmte Blick auf die Stadt wird bekanntlich seit einigen Jahren durch ein umstrittenes Brückenbauwerk verstellt, das Dresden den UNESCO-Welterbetitel kostete.

https://abload.de/img/linie11waldschlsschenwijpz.jpg


Da wir die Strecke zum Waldschlößchen bereits im Zuge der Linie 9 abgearbeitet haben, folgt nun ein großer Sprung auf die eigentliche Außenbahnstrecke, die zunächst die nördlichen Ausläufer von Loschwitz am Heiderand durchquert. Wir befinden uns an der Haltestelle Mordgrundbrücke unmittelbar vor der Auffahrt auf dieselbe. Die Postkarte lohnt genaue Betrachtung: Sie zeigt unverkennbar Triebwagen 333, denn er war der einzige dreifenstrige Triebwagen der Bühlauer Außenbahn, dahinter der zweifenstrige Beiwagen 67, umgebaut aus dem gleichnamigen einspännigen Pferdebahnwagen des Baujahres 1886. Übrigens ein echter Amerikaner bei der damals englischen Gesellschaft, gebaut von Brill in Philadelphia.

https://abload.de/img/linie11mordgrundbrckeoqk18.jpg


Die S-Kurve an der Mordgrundbrücke in Loschwitz gehört noch heute zu den besonders malerischen Stellen im Dresdner Straßenbahnnetz, ist fotografisch aber wegen des dichten Verkehrs maximal am Sonntagmorgen oder während eines Pandemie-Lockdowns sinnvoll umzusetzen. Links die Einmündung der Schillerstraße.

https://abload.de/img/linie11mordgrundbrckep6jk7.jpg


Der talwärts fahrende Zug biegt sogleich auf die Mordgrundbrücke ein. Man beachte die am Baum verankerte Gaslaterne!

https://abload.de/img/linie11mordgrundbrckel0j52.jpg


Den enormen Anstieg des anschließenden Hirschberges verdeutlicht diese Postkarte mit Lahmann-Sanatorium und einem talwärts fahrenden Zug.

https://abload.de/img/linie11lahmann6vkvt.jpg


Das Kurhaus Weißer Hirsch hat seinen Ursprung bereits im 18. Jahrhundert als Gutshaus. Die Gegend um Kurhaus und Parkhotel fungiert noch immer als Ortszentrum des hoch über der Stadt gelegenen „Hirsches“, dessen ganz besonderes Flair sich über die DDR-Zeit rettete und in Uwe Tellkamps „Turm“ eingefangen wurde.

https://abload.de/img/linie11weierhirschw0jrn.jpg


Der heute Wohnzwecken dienende „Weiße Adler“ war eines der zahlreichen bekannten Ausflugslokale in der malerischen Dresdner Umgebung. Davor begegnen sich zwei beiwagenlose Motorwagen der Bühlauer Außenbahn mit ihren typischen Glasvorbauten.

https://abload.de/img/linie11weisseradlerpjk60.jpg


Ab der Grenze von Loschwitz und Bühlau fand man in den ersten Betriebsjahren der Strecke ein ganz besonderes verkehrshistorisches Relikt: die funktionslose dritte Schiene im Geleise. Über diese sollte auf Bühlauer Territorium Güterverkehr der geplanten meterspurigen Staatsbahnstrecke Dürrröhrsdorf - Bühlau durchgeführt werden Die Strecke wurde letztlich in Normalspur nur bis Weißig verwirklicht und im Gegenzug ab 1908 die Straßenbahn bis zum dortigen Bahnhof Bühlau-Weißig verlängert. Außerdem: Was hätte man hier auch transportieren sollen? Bierfässer für den „Trompeter“? Im Gegensatz zum „Weißen Adler“ empfängt er übrigens heute noch Gäste.

https://abload.de/img/linie11trompeter8zk7t.jpg


Vermutlich aus dem DVB-Archiv stammt dieser Einblick in den Straßenbahnhof Bühlau zur Anfangszeit, der sehr schön auch die Linienschilder der Wagen erkennen lässt, die mit schwarzer Schrift auf weißem Grund neutral gehalten waren - eine Verwechslungsgefahr war mangels Schnittmenge mit anderen Linien auch nicht gegeben und damit die farbige Signalgebung unnötig. Wie wir aus der „Riesenmikado“- Diskussion in diesem Forum gelernt haben, wurde die „11“ fast ein ganzes Jahrhundert bis tief in die 1990er Jahre so gut wie ausschließlich von diesem Bahnhof bestückt. Heute kann man hier schwimmen gehen.

https://abload.de/img/linie11strbfbhlau36kfv.jpg


Die Bautzner Straße, seit der Eingemeindung als Bautzner Landstraße bezeichnet, vor dem Straßenbahnhof in Bühlau mit Triebwagen 342. Auch hier kann man die nutzlose dritte Schiene gut erkennen.

https://abload.de/img/linie11strassenbfbhlab1kv1.jpg


Am Elektrizitätswerk und am Rathaus vorbei geht es dem Endpunkt am Gasthof Bühlau entgegen. Die Dorfkerne des Doppeldorfes Bühlau und Quohren waren damals noch nicht von allerlei gewerblichem Gerassel gerahmt. Auf der Wiese des fälschlich rot kolorierten Straßenbahnzuges erstreckt sich seit den 1930er Jahren der Ullersdorfer Platz und damit auch die Wendeschleife der Linie 11. In Bildmitte der Gasthof, auch als Kurhaus Bühlau bekannt.

https://abload.de/img/linie11bhlauesk56.jpg


Wir verlassen hier die Linie 11, denn die Verlängerung als Staatsstraßenbahn nach Weißig soll uns hier ausnahmsweise einmal nicht interessieren, und beamen uns zum Albertplatz zurück.



Linie 12: Albertplatz - Sankt-Pauli-Friedhof - rote Wagen

Die Geschichte der 1891 als Pferdebahn eröffneten Linie 12 ist sehr eng mit der „6“ verbunden, handelt es sich doch genau genommen um deren Zweig zum Sankt-Pauli-Friedhof. Anders als die zukünftige „6“ wurde die „12“ im elektrischen Betrieb (ab 1900) jedoch zunächst nicht in die Stadt verlängert, sondern behielt bis 1909 ihren Ausgangspunkt am Albertplatz. Den zeitweiligen Einsatz von Gasmotorwagen des Systems Lührig würde ich gern an anderer Stelle noch einmal näher beleuchten…


Wagen der späteren Linie 12: ein typischer „roter“ Vierbogenfenster-Wagen.

https://abload.de/img/linie12naj5f.jpg


Fahrplan und Linienverlauf 1905 - „ABC“.

https://abload.de/img/li12hsjn2.jpg


Fahrplan 1908.

https://abload.de/img/fahrplan121908cnj7z.jpg


Ein aussagekräftiges Bild der Endstelle am Albertplatz vor dem heutigen Hochhaus konnte ich bislang nicht auftreiben. Daher soll es diese Gesamtansicht tun - ganz links vor der Brandwand und dem zweistöckigen Vorgängergebäude der Antonstraße 2a hatte die Linie ihren Ausgangspunkt.

https://abload.de/img/linie12albertplatz7bk3g.jpg


Den Neustädter Bahnhof überspringen wir mangels Mehrwert. Die nun folgende Strecke durch die Großenhainer Straße ist identisch mit der der Linie 6. Als Ergänzung diese Ansicht des heute namenlosen Hansaplatzes an der Einmündung Hansa- und Großenhainer Straße.

https://abload.de/img/linie12hansaplatzxfjh1.jpg


Die “rote“ Strecke über die Großenhainer Straße füllte ab 1891 die bisherige Lücke zwischen den „gelben“ Verbindungen über die Leipziger und die Königsbrücker Straße. Bis heute jedoch ist das Gebiet städtebaulich nicht annähernd so verdichtet. Die Petrikirche sollte ursprünglich inmitten hoher Bürgerhäuser den Großenhainer Platz zentral dominieren, eine Situation ähnlich des älteren Martin-Luther-Platzes in der Antonstadt. Dazu kam es jedoch nie, und das stattliche Kirchengebäude steht bis heute wie bestellt und nicht abgeholt inmitten von Kleinbauten, Brachen und Gewerbehütten.

https://abload.de/img/linie12petrikirchewokyu.jpg


An der Haltestelle „Barbarastraße“ kreuzen die Großenhainer und die Trachenberger Straße, und hier verzweigen sich die Strecken zum Wilden Mann und zum Sankt -Pauli-Friedhof. Den Namen „Trachenberger Platz“ erhielt die Kreuzung erst Ende 1925, seitdem heißt auch die Straßenbahnhaltestelle so. Links ein vom Wilden Mann kommender sechsfenstriger Triebwagen der Linie 6, rechts ein Zug der Linie 12 in der Trachenberger Straße, der kurioserweise auf dem falschen Gleis unterwegs ist. Da hat der Retuscheur wohl gepennt…

https://abload.de/img/linie126barbarastrlnjmw.jpg


Der Straßenbahnhof Trachenberger Straße entstand 1891 mit den beiden Strecken. Die „alte Halle“ beherbergt heute das Straßenbahnmuseum und war zum Aufnahmezeitpunkt schon von der Städtischen Straßenbahn übernommen. Links die Trachenberger Straße mit der Strecke zum Sankt-Pauli-Friedhof. Man beachte unbedingt den Beiwagen des Zuges im Vordergrund: Es handelt sich zweifellos um einen ehemaligen „roten“ Pferdebahn-Decksitzwagen. Selbst die für diese typischen, wegen der ursprünglichen Wendeltreppenzüge asymmetrisch angelegten Plattformen mit unterschiedlichen Rundungsradien an den Seiten hat er behalten…

https://abload.de/img/linie12strbhftrachenbeok91.jpg


An der Marienhofstraße, heute Maxim-Gorki-Straße, bog die Strecke zum Friedhof ab und wurde
eingleisig. Die Umgebung zeigt sich noch heute fast unverändert und atmet vorstädtische Ruhe.

https://abload.de/img/linie12trachenbergers2jki0.jpg


Marienhofstraße mit Straßenbahn. Im Hintergrund der Trachenberger Höhenzug mit Döbelner und Weinbergstraße, rechts im Hintergrund die Kasernen der Albertstadt entlang der heutigen Stauffenbergallee oberhalb von Sankt-Pauli-Friedhof und Hechtstraße.

https://abload.de/img/linie12marienhofstrwljoc.jpg


Drei Motive möchte ich dem Endpunkt Sankt-Pauli-Friedhof im ursprünglichen Zustand widmen. Kurz nach der Jahrhundertwende hat ein Wagen neben dem „Hecht“ Aufstellung genommen. Das beliebte Gasthaus wurde in den 1930er Jahren abgebrochen, um Platz für den Aus- und Neubau der Hansastraße als Autobahnzubringer zu schaffen. Dabei wurde auch die Endstelle verändert und neben die neue Straße verlegt, dort, wo sich zuvor der Biergarten des Gasthofs erstreckte. Das Postkartenmotiv entstammt dem renommierten Verlag „Brück und Sohn“ in Meißen.

https://abload.de/img/linie12stpaulifriedho2zj3h.jpg


Eine weitere Ansicht des „Hechtes“ mit der Kanonenstraße, heute Weinböhlaer Straße. Ein weiteres ehemaliges Idyll am Stadtrand, das heute unwiederbringlich im tosenden Verkehr erstickt.

https://abload.de/img/linie12stpaulifrhjlk3q.jpg


Zu guter Letzt noch eine Wagennahaufnahme vom Endpunkt Sankt-Pauli-Friedhof aus dem DVB-Archiv. Der hier quasi werksneue Triebwagen 317 gehört mit dem Baujahr 1906 zur letzten Serie der Deutschen Straßenbahngesellschaft und trägt noch die originale „rote“ Wagennummer, wurde aber bereits an die Städtische Straßenbahn ausgeliefert, daher auch das Stadtwappen. Diese Triebwagen besaßen von Beginn an verglaste Plattformen. Im Hintergrund der „Hecht“.

https://abload.de/img/linie12317stpaulifrh9ukrw.jpg


Schönes Wochenende!

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Link zu Teil 8
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Edit: Bilder an Mordgrundbrücke neu geordnet - Fehler beseitigt; Links eingefügt



3-mal bearbeitet. Zuletzt am 2020:10:02:16:22:20.

Bühlauer Außenbahn

geschrieben von: safadino

Datum: 13.09.20 18:55

antonstädter schrieb:

Linie 11: Neustädter Bahnhof - Waldschlößchen - Bühlau - gelbe Wagen

Kommen wir nun (endlich) zur legendären „11“ nach Bühlau, die erst ab 1899 als Außenbahn in Verlängerung der Stadtlinie zum Waldschlößchen den steilen Berg erklomm. ...


... der späteren Linie 11. Für die Bühlauer Außenbahn wurden ganz besonders leichte Beiwagen aus ehemaligen einspännigen Pferdebahnwagen umgebaut, ...


Fahrplan 1908. Im selben Jahr erfolgt die Verlängerung nach Weißig als Staatsstraßenbahn - auf jenen Abschnitt verzichte ich hier jedoch.



Guten Tag,

ich kenne bisher im Zusammenhang mit der DRÜVEG nur den Abschnitt - Bühlau-Weißig als Bühlauer Außenbahn. Betrifft das nun auch den Abschnitt - Waldschlößchen-Bühlau oder wird unterschieden in Außenbahn - Waldschlößchen-Bühlau und Bühlauer Außenbahn - Bühlau-Weißig?

Für Aufklärung bedanke ich mich im Voraus.

Beste Grüße

Re: Bühlauer Außenbahn

geschrieben von: antonstädter

Datum: 13.09.20 19:29

Ich danke, eine solche begriffliche Trennung gabe es nie wirklich - auch wenn die ursprüngliche Strecke von der Dresdner Straßenbahn AG in Eigenregie erbaut wurde und die Verlängerung durch den sächsischen Staat.

Es sind glaube ich sowieso Begriffspetitessen. An die DRÜVEG war 1899 ohnehin noch längst nicht zu denken, und außerdem fuhren die Züge bis zum Einsatz der Hechtwagen aus der Stadt nach Weißig durch.

Dazu kommt: Der Begriff "Bühlauer Außenbahn" bezogen auf den Abschnitt Waldschlößchen - Bühlau findet sich von Beginn an. Unter anderem auch in Großmanns Standardwerk von 1903:


https://abload.de/img/grossmannzubuehlauxxkkz.jpg

Großmann, Hermann. Die kommunale Bedeutung des Straßenbahnwesens beleuchtet am Werdegang des Dresdner Straßenbahnen. Dresden: Baensch. 1903

Wer wann und warum der Meinung war, diesen Begriff ausschließlich für die Verlängerung nach Weißig, also die Staatsstraßenbahnstrecke, verwenden zu müssen entzieht sich meiner Kenntnis.

Auch im Straßenbahn-Archiv Band Zwei wird die Strecke übrigens in der Gesamtheit als "Bühlauer Außenbahn" bezeichnet, m.E. zu Recht. Ich bin daher so frei und bleibe dabei ;-)

Viele Grüße zurück



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2020:09:13:19:31:02.
Hallo Antonstädter,

auch ich verfolge wieder mit großem Interesse Deine Beitragsserie. Anbei ein paar Fragen von mir:

Zitat
Kommen wir nun (endlich) zur legendären „11“ nach Bühlau, die erst ab 1899 als Außenbahn in Verlängerung der Stadtlinie zum Waldschlößchen den steilen Berg erklomm. Vorher tat dies mehr recht als schlecht ein Pferdeomnibus, dessen Zugtiere man angesichts der Topografie nur bedauern kann.

Es gab wohl auch mal für ein paar Tage einen Dampf-Omnibusverkehr zum Weißen Hirsch. Es gibt sogar ein Foto von dem Vehikel wennauch in sehr schlechter Qualität. Ist Dir davon etwas bekannt?

Zitat
An der Marienhofstraße, heute Maxim-Gorki-Straße, bog die Strecke zum Friedhof ab und wurde
eingleisig. Die Umgebung zeigt sich noch heute fast unverändert und atmet vorstädtische Ruhe.
Warum zeigt dieses Foto eine eingleisige Trachenberger Straße? Das würde bedeuten das nur die Kurve beim Abbiegen zweigleisig war?


Auch mit der Lage des Gebäudes des Gasthauses zum Hecht am Endpunkt St. Pauli Friedhof komme ich überhaupt nicht klar. Das Gleis scheint diagonal über den Vorplatz des Gasthauses zu führen. Aber ich komme mit der Himmelsrichtung nicht klar in welche Richtung es von da aus in Richtung Trachenberger Platz geht.
-Zitat: "Dabei wurde auch die Endstelle verändert und neben die neue Straße verlegt, dort, wo sich zuvor der Biergarten des Gasthofs erstreckte"
Das stiftet irgendwie noch mehr Verwirrung in meinem Kopf.

Könntest Du das irgendwie mal zeichnerisch darstellen?
Ich passiere beruflich sehr oft diese Kreuzug. Aber da fehlt mir gerade irgendwie ein Baustein zur richtigen lokalisierung der alten Fotos in die heutige Umgebung.

Grüße und vielen Dank
von
worldtradesurfer



2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2020:09:13:22:45:56.
worldtradesurfer schrieb:

...Auch mit der Lage des Gebäudes des Gasthauses zum Hecht am Endpunkt St. Pauli Friedhof komme ich überhaupt nicht klar. Das Gleis scheint diagonal über den Vorplatz des Gasthauses zu führen. Aber ich komme mit der Himmelsrichtung nicht klar in welche Richtung es von da aus in Richtung Trachenberger Platz geht.
-Zitat: "Dabei wurde auch die Endstelle verändert und neben die neue Straße verlegt, dort, wo sich zuvor der Biergarten des Gasthofs erstreckte"...


Die Bahn bog, aus der Maxim-Gorki-Str. kommend, nach rechts in bzw. neben die Hansastr. ein ohne diese direkt zu befahren. Die Endstelle befand sich etwa dort, wo sich jetzt die stadtwärtige Bushaltestelle auf der Hansastr. befindet.
Auf diesem Bild (Quelle DVB) biegt der Wagen von Maxim-Gorki-Str. rechts ab. Der Fotograf müsste mitten auf der Kreuzung stehen mit dem Eingang des St.-Pauli-Friedhofs im Rücken.


59772129_2319919601380019_1860878049386430464_n.jpg
Guten Morgen,

nur mal kurz aus dem Zug zu Deinen Fragen:
Es gab wohl auch mal für ein paar Tage einen Dampf-Omnibusverkehr zum Weißen Hirsch. Es gibt sogar ein Foto von dem Vehikel wennauch in sehr schlechter Qualität. Ist Dir davon etwas bekannt?
Es gab wohl auch mal für ein paar Tage einen Dampf-Omnibusverkehr zum Weißen Hirsch. Es gibt sogar ein Foto von dem Vehikel wennauch in sehr schlechter Qualität. Ist Dir davon etwas bekannt?
> Den gibt es sogar im Modell: Link

Die dortige Angabe mit "Hauptbahnhof" stimmt natürlich nicht, denn den gab es ja noch gar nicht. Der Versuch musste wohl auch nach wenigen Tagen abgebrochen werden, da die stele und unbefestigte Bautzner Straße das Vehikel nicht verkraftete und die Pferde scheuten.

Den Pferdeomnibua wiederum gab es bis zur Eröffnung der Straßenbahn, die genauen Daten müsste ich nachschlagen.


Warum zeigt dieses Foto eine eingleisige Trachenberger Straße? Das würde bedeuten das nur die Kurve beim Abbiegen zweigleisig war?

> Stimmt, hast recht. War sie wohl ursprünglich, die Strecke wurde an der Seumestraße stadtwärts wieder zweigleisig, später war jedoch die gesamte Trachenberger Straße zweigleisig. Nach dem Krieg wurde das zweite Gleis zur Materialgewinnung wieder entfernt, im Gleisplan 1950 fehlt es mitsamt der Ausweiche in der Kurve. Ob es später wieder eingebaut wurde, kann ich aktuell nicht sagen.


Auch mit der Lage des Gebäudes des Gasthauses zum Hecht am Endpunkt St. Pauli Friedhof komme ich überhaupt nicht klar. Das Gleis scheint diagonal über den Vorplatz des Gasthauses zu führen. Aber ich komme mit der Himmelsrichtung nicht klar in welche Richtung es von da aus in Richtung Trachenberger Platz geht.
-Zitat: "Dabei wurde auch die Endstelle verändert und neben die neue Straße verlegt, dort, wo sich zuvor der Biergarten des Gasthofs erstreckte"
Das stiftet irgendwie noch mehr Verwirrung in meinem Kopf.

Mach ich bei Gelegenheit.
Hallo Antonstädter,

vielen Dank für Deine Antworten. Das Modell des Dampfbusses ist ja wirklich schön geworden.
Auch das Problem mit dem Gasthaus zum Hecht hat "sprühwagenkiller" nun etwas aufgeklärt. Auf meinem Stadtplan von 1928 ist die genaue Gleislage ebenfalls nicht richtig zu erkennnen.

Grüße
worldtradesurfer
worldtradesurfer schrieb:

Warum zeigt dieses Foto eine eingleisige Trachenberger Straße? Das würde bedeuten das nur die Kurve beim Abbiegen zweigleisig war?


Diese Postkarte zeigt auch die Eingleisigkeit der Trachenberger Str.:


trastr23pltu.jpg

Re: [Dresden] Endpunkt St.Pauli Friedhof

geschrieben von: Jan Bochmann

Datum: 19.09.20 13:22

Guten Tag,

worldtradesurfer schrieb:
Auch mit der Lage des Gebäudes des Gasthauses zum Hecht am Endpunkt St. Pauli Friedhof komme ich überhaupt nicht klar...
-Zitat: "Dabei wurde auch die Endstelle verändert und neben die neue Straße verlegt, dort, wo sich zuvor der Biergarten des Gasthofs erstreckte"
Das stiftet irgendwie noch mehr Verwirrung in meinem Kopf.
Das müßte ungefähr so aussehen (oben um 1910, unten um 1960):

http://www.jbss.de/tmpbild/Dre_1960/Dresden_StPauliFrdhf.png

Die Straße nach Südosten ist die Hechtstraße.

Ich bin mir nicht sicher, ob der originale Endpunkt überhaupt ein Umsetzgleis besaß. Eventuell wurde der Beiwagen in Trachenberge stehen gelassen, falls man einen einsetzte.

Vom späteren Endpunkt lagen noch bis in die 1990er Jahre Gleisreste. Die Lage dieses Endpunkts parallel zur Hansastraße trug zu der weit verbreiteten Legende bei, daß im breiten Mittelstreifen der Hansastraße einst die Straßenbahn gefahren sei. Sicher ist dieser Mittelstreifen zu diesem Zweck angelegt worden, aber genutzt wurde er nie. Das Gebiet links und rechts der Hansastraße war eigentlich Bauland und mitsamt diversen Querstraßen schon vor dem ersten Weltkrieg durchgeplant (im Stadtmuseum hängt oder hing jedenfalls mal ein Stadtplan von 1913, der das zeigt). Der größte Teil wurde aber nie bebaut, sondern wegen Krieg, Wirtschaftskrisen und Hungersnot klein parzelliert und zu Kleingärten. Das ist bis heute so. Auch der Ausbau der Hansastraße kam erst mit dem Autobahnbau in den 1930er Jahren zustande, wurde aber nicht fertig, sondern erst irgendwann in den 1950er oder 1960er Jahren vollendet. Ich kenne jedenfalls jemanden, der um 1950 auf dem Planum der halbfertigen Straße noch Sportunterricht hatte.

Grüße,
Jan B.

Re: [Dresden] Endpunkt St.Pauli Friedhof

geschrieben von: antonstädter

Datum: 19.09.20 14:02

Laut Stadtplan von 1911 gab es eine Umsetzanlage (schwer zu erkennen unter der Flurgrenze Pieschen-Trachenberge). Ich könnte mir auch vorstellen, dass man ohne Bw bis zum Endpunkt gefahren ist, die "alte 12" dürfte sowieso (meist) solo gefahren sein. Andererseits: Bei Feiertagen und Friedhofsbesuchstagen sollte ein Beiwageneinsatz erfolgt sein (viele Konjunktive, ich weiß). Aber wer kann das heute noch nachvollziehen?

https://abload.de/img/paulifrhj9ks2.jpg

Der Fahrplan von 1910 weist für die nun nach Gruna bzw. Seidnitz durchführende 12 in der HVZ ab St Pauli-Friedhof eine Wagenfolge von 7 1/2 Minuten aus. Da könnte es schon auch zu Treffen zweier Folgewagen am Endpunkt gekommen sein...