Ludwigshafen am Rhein gehört zu den Städten, die ich mir sehr gern öfter anschaue. Ich mag Planstädte und lasse mich leicht faszinieren von diesen feuchten Träumen aus Beton, die manches Verkehrsbauwerk aus der Zeit von Adenauer bis Schmidt ganz gut beschreiben, auch wenn mich die Ideen dahinter nicht überzeugen. Da sich auch die Straßenbahn den damaligen Entwicklungen kaum entgegen stellen konnte, gehen mein Hobby und die Architektur aus dieser Zeit Hand in Hand. In Ludwigshafen kommt alles in einer Art zusammen, dass man von einem Museum sprechen könnte, oder auch einem Denkmal.
Übersicht Fahrzeuge bei der rnv
▼01▼ Hauptbahnhof
Meinen mittlerweile vierten Besuch vor Ort habe ich Ende des letzten Jahres geplant, und zwar noch bevor der große Knall kam. Das erste Straßenbahnbild ist also eher eines, mit dem ich schon zu dieser Zeit gerechnet habe – die paar Meter klassische Trassierung im Zentrum, zusammen mit einem für die Region so typischen 90er-Jahre-Niederflurwagen.
▼02▼ Kaiser-Wilhelm-Straße
Natürlich war es mir auch dieses Mal wichtig, ein paar Eindrücke der Unterpflasterstraßenbahn zu sammeln, für die Ludwigshafen unter uns Fans berühmt-berüchtigt ist. Die provisorische Rampe, die das zentrale Tunnelbauwerk "LU-Rathaus" mit zwei scharfen 90°-Bögen mit dem Rest des oberirdischen Netzes verbindet, gehörte definitiv zu meinen Motivideen.
▼03▼ Ludwigstraße
Ein Wiedersehen gab es auch – mit dem letzten rnv-Fünfteiler im alten alten Ludwigshafener Lack. Das war schon vor vier Jahren der letzte und vermutlich wird er es auch bleiben. Ich habe – nicht nur hier – den Eindruck, dass das die Verkehrsunternehmen manchmal mit voller (nett gemeinter) Absicht so lassen. Genau so gibt es ja noch eine "grüne" Variobahn (im neuen alten Ludwigshafener Schema) und einen rnv-Siebenteiler mit altem Mannheimer Livree.
▼04▼ Ludwigstraße
Während meines gesamten Aufenthalts in der Region kam ich aber natürlich an den für meinen Geschmack etwas zu wenig an Straßenbahn erinnernden rnv-Variobahnen nicht vorbei. Im orange-blau-weißen Standardlack trifft man sie in nahezu allen am Netz liegenden Städten (außer Leimen) an. Mein Blick geht vom Tunnelmund aus auf eine der beiden engen Bögen der Rampe, die so nur deshalb noch besteht, weil man die Tunnelanlagen nie vervollständigt hat.
▼05▼ Rathausplatz
Und natürlich, als sie eröffnet wurden, waren die Düwag-Züge allgegenwärtig. Aber dass im Jahr 2020 nochmal solche Züge aus der stillen Reserve geholt und frisch lackiert durch die Anlagen fahren würden – das hätte sich doch keiner ausrechnen können.
▼06▼ Rathausplatz
Letztlich hängt auch diese Entwicklung mit den Tunnelanlagen zusammen, denn die gehörten wie auch die jetzt maroden Hochstraßen zum Projekt Visitenkarte, einem der prominentesten falsch berechneten Stadtplanungen damaliger Zeit. Außer der massiven Zunahme des Autoverkehrs ist nichts von dem eingetroffen, was sich die Planer erhofft haben. Vielleicht war genau das aber auch das Ziel, dann haben sie damit doch auf sechzig Jahre richtig gelegen. Aber eines haben ja nicht nur sie, sondern alle Empfänger solch fragwürdiger (weil massiv geförderter) "Geschenke" übersehen: Die Kosten des Unterhalts. Die fliegen Ludwigshafen ja schon seit vielen Jahren um die Ohren in Form eines Instandsetzungsaufwands für die Tunnelanlagen, deren verkehrlicher Nutzen dazu in keinem guten Verhältnis steht. So ist heute nur noch ein Torso des ohnehin nur unvollständigen Gesamtsystems in Betrieb, der einstige C-Tunnel wird seit 2008 nicht mehr bedient und seit kurzem teilweise verfüllt.
▼07▼ Rheinuferstraße
In Betrieb sind heute noch die unterirdischen Haltestellen Hauptbahnhof und Ludwigshafen Rathaus – von letzterer aber nur die obere Ebene, die untere gehört zum stillgelegten C-Tunnel – sowie die Rampen zu diesen Stationen.
▼08▼ Haltestelle Ludwigshafen Rathaus
▼09▼ Haltestelle Hauptbahnhof
Ein weiterer, kleiner Teil der vorhandenen Tunnelanlagen wird nur noch als Betriebsstrecke vorgehalten. Sie führt von der Haltestelle Hauptbahnhof unter diesem hindurch in Richtung Mundenheim, vorbei an der einstigen Station "Hauptbahnhof Ostausgang", die natürlich auch nicht mehr in Betrieb ist. Die Strecke selbst wird derzeit aber wieder regelmäßig genutzt, da dies die einzige Verbindung zwischen dem Zentrum und dem Betriebshof ist, die nicht durch die Sperrung der Hochstraßen-Durchfahrten betroffen ist. Der alte Düwag-Zug, der sich hier gerade vor den Toren des Areals bereit zur Spät-HVZ macht, wird gleich diese Betriebsstrecke nutzen, der auf dem Bild oben ist nach der Spät-HVZ auf Aussetzfahrt in die Gegenrichtung.
▼10▼ Zufahrt Betriebshof Rheingönheim
Mit der (vorgesehenen) Sperrung einer der beiden zentralen Hochstraße hat man geplant, dass ein Teil der Betroffenen die Straßenbahn nutzt. Dafür sollte ein Mehrangebot im Netz geschaffen werden, für das die Altwagen reaktiviert wurden. Nachdem aber dann die als Ausweichroute auserkorene zweite Hochstraße gesperrt werden musste und auch die Straßenbahnstrecken darunter, musste man sich neu orientieren. Nun fahren die Wagen nur in Ludwigshafen und vermutlich gar nicht da, wo Entlastung gebraucht wird...
▼11▼ Brunckstraße
Somit habe ich die Wagen weitgehend leer durch die Gegend fahren sehen. Allerdings ist mir auch sonst kein nennenswertes Verkehrschaos aufgefallen, weder in den Zügen der anderen Linien, noch auf der Straße selbst. Was aus Sicht von außen ohne ernsthafte Ortskenntnis natürlich nicht verifiziert ist. Was des einen Leid ist des anderen Freud, und so konnte ich mich begeistert den äußerst schick lackierten Düwag-Zügen widmen.
▼12▼ namenlose Landesstraße in Oppau
Natürlich fahren auch die 'normalen' Wagen der 7 auf der Strecke immer entlang der BASF-Werke, die gefühlt ein Fünftel der bebauten Stadtfläche einnehmen, sich als Kulisse für die Straßenbahn aber nur schwerlich nutzen lassen.
▼13▼ namenlose Landesstraße in Oppau
▼14▼ namenlose Landesstraße in Oppau
Die verbleibenden Tunnelstrecken sind in Betrieb, die Strecke nach Oppau auch. Über die
Kurt-Schumacher-Brücke Konrad-Adenauer-Brücke können keine Bahnen fahren, weil sich unmittelbar die baufällige Hochstraße anschließt und die Straßenbahn darunter hindurch ausfädelt. Über die nördlich gelegene Rheinbrücke fahren alle Straßenbahnen nach Mannheim. Die kurze Strecke zum Luitpoldhafen und die nach Rheingönheim, an der der Betriebshof liegt, werden linienmäßig nicht befahren und die Strecke im Norden nach Friesenheim ist wegen Bauarbeiten sowieso derzeit vom Netz. Was wird in Ludwigshafen denn dann noch befahren? Das kurze Stück zum Ebertpark, auf dem sich derzeit fast alles tummelt, was in Ludwigshafen straßenbahnmäßig unterwegs ist...
▼15▼ Ebertstraße
▼16▼ Erzbergstraße
...und natürlich die sehr lange und wichtige Strecke nach Oggersheim und der Rhein-Haardt-Bahn nach Bad Dürkheim! In Oggersheim selbst ist tatsächlich noch ein Stück klassische Straßenbahn übrig geblieben.
▼17▼ Hans-Warsch-Platz
▼18▼ Mannheimer Straße
Hier wird mittlerweile relativ oft gefahren. Die 4 aus Mannheim erreicht die am Stadtrand gelegene kleine Großwohnsiedlung alle zehn Minuten und darüber hinaus fährt alle zwanzig Minuten eine 9 nach Bad Dürkheim, die auf Ludwigshafener Stadtgebiet einige Haltestellen durchfährt. Wer aus der Region zu diesen möchte, muss an Oggersheim in die dort beginnenden 4er umsteigen.
▼19▼ Raiffeisenstraße
▼20▼ Raiffeisenstraße
▼21▼ Raiffeisenstraße
Die einst eigenständige Rhein-Haardt-Bahn ist gut 16 Kilometer lang und führt von Bad Dürkheim nach Ludwigshafen-Oggersheim. Die Züge befahren ab dort das reguläre Straßenbahnnetz und waren auch zur Zeit der Eigenständigkeit stets in das Stadtverkehrsangebot integriert – und das bis vor kurzem. Heute ist wieder eine klarere Trennung zwischen dem Angebot der Überlandbahn und dem der städtischen Straßenbahn auszumachen. Zwischen dem Bahnhof von Bad Dürkheim, von dem es direkt nur mit der heute als Linie 9 bezeichneten Rhein-Haardt-Bahn in die Metropolregion Rhein-Neckar geht, durchqueren die Züge hauptsächlich Weinfelder und den ein oder anderen kleinen Ort dazwischen.
▼22▼ Maxdorf, Grenzweg
In Ellerstadt gibt es einen der verbliebenen eingleisigen Strecken im rnv-Netz, welches sich übrigens von mit seinen gut 200 Kilometern Streckenlänge knapp vierzig davon in die Länge zieht. Zeitweise ist auf diesen vierzig Kilometern auch tatsächlich eine Linie unterwegs – nämlich an Sommerwochenenden der rnv-Express von Bad Dürkheim bis nach Heidelberg. Jetzt im Februar war davon natürlich nicht die Rede. Aber auch die 9 allein fährt zu ihren 'schwächsten Zeiten' bis Mannheim zum Technoseum knapp dreißig Kilometer weit – womit sie in etwa auch der legendären 5 von Halle (Saale) nach
Bad Dürkheim Bad Dürrenberg entspricht. Kein Wunder, dass man die ähnlich klingenden Orte an den Streckenenden leicht verwechselt...
▼23▼ Ellerstadt, Bahnstraße
Der Zug, der sich in Maxdorf in die Kurve legt, ist wieder einer dieser Farbverbliebenen. Eigentlich wirbt er ja für das hundertjährige Jubiläum der RHB-Strecke, das 2013 begangen wurde, damals und noch einige weitere Jahre komplett in der historisierenden Beklebung. Offenbar gibt es aber mittlerweile die auch sonst vielerorts geltende Regel, dass die Fahrzeugfronten nicht mehr in die Werbung einbezogen werden – und so verlor der Tw 1042 seine Beklebung vorn und hinten und zeigt sich dort so, wie er an die damals eigenständige RHB ausgeliefert wurde. Die Lackierung war dieselbe wie für Ludwigshafen, nur eben an einem siebenteiligen Zug, den es für die Stadt nicht gab.
▼24▼ Maxdorf, Im Müllmer
War noch was zur Straßenbahn Ludwigshafen zu sagen? Ach ja, Projekt Visitenkarte...die Stilblüten dieser einst treibenden Verkehrspolitik sind nicht allein im Zentrum zu besichtigen. War schon mal wer von Euch in Charleroi? Dann ab an die Straßenbahnstrecke nach Oggersheim, da sieht es genauso aus. Getrieben von derselben Idee – die Straßenbahn aus einer ansonsten belebten Straße herausnehmen und wenn überhaupt, einen Kilometer davon entfernt neu aufbauen. Da wo Platz ist, wo die Strecke niemanden stört. Da kann die Bahn auch Strecke machen. Aber wohnen tun die Menschen ja weiterhin rund um die belebte Straße...
▼25▼ Wollstraße
Auf etwa zweieinhalb Kilometern Strecke zwischen den Haltestellen Zum Guten Hirten und Hauptfriedhof liegt ein weiteres Zeugnis der einstigen Stadt- und Verkehrsplanung – meist einfach als Schnellfahrstrecke auf dem Feld gelegen. Die wichtigen Zielgebäude sind nur aus der Entfernung zu sehen, so zum Beispiel die BG Unfallklinik, selbst auch so ein in Beton gegossenes Wunderwerk damaliger Architektur. Aber die findet in mir einen ernsthaften Bewunderer – mein Problem soll's also nicht sein...
▼26▼ Wollstraße
Im Hintergrund des folgenden Bildes lässt sich das für die nahe gelegene Haltestelle namensgebende Gebäude erspähen. Das Heinrich-Pesch-Haus ist eigentlich nur eine Herberge in katholischer Trägerschaft. Es steht aber auch synonym für die Stadtbahnstation, die hier ins Nirvana gebaut wurde.
▼27▼ Haltestelle Heinrich-Pesch-Haus
▼28▼ Haltestelle Heinrich-Pesch-Haus
▼29▼ Haltestelle Heinrich-Pesch-Haus
▼30▼ Haltestelle Heinrich-Pesch-Haus
Gerade dieses unwirkliche, dieses für die meisten Leute abschreckende, das ist, was fasziniert. In der ganzen Stadt, im Zentrum wie hier draußen. Natürlich, andere Städte haben mehr auf diese Weise gebaut. Und auch anderswo gibt es Verkehrsbauten, die heute weder dem verkehrspolitischen Zeitgeist entsprechen, noch in einem angemessenen Verhältnis zum Nutzen stehen. Mir fällt aber ganz spontan kein Ort ein, an dem das so geballt auftritt wie in Ludwigshafen, auch im Bezug zur Stadtgröße selbst. Und ich habe ja nur einen kleinen Teil der Stadt gesehen, dort, wo eben die Straßenbahn fährt. Aber genau deshalb entsteht ja die Faszination, sie ist selten gleichzusetzen mit einer objektiven Bewertung. Die Düwag-Klassiker waren nur das Tüpfelchen auf dem i, ich hätte den Besuch dieser Stadt auch so vollends genossen. Und werde es auch gern wieder tun.
▼31▼ Haltestelle Heinrich-Pesch-Haus
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