Velkommen till Bergen!
Seit dem letzten Besuch 2015 hat sich hier in Sachen Stadtbahnausbau einiges getan, so dass es wieder neue Dinge zu entdecken galt.
Eine komfortable Art, nach Bergen zu reisen, ist der Nachtzug, welcher Oslo abends gegen halb 12 verlässt und am nächsten Morgen gegen 7 Uhr sein Ziel an der norwegischen Westküste erreicht. So lieferte uns El 18.2258 pünktlich im ortstypischen Nieselregenwetter ab. Dieses sollte in den nächsten Tagen in unterschiedlicher Ausprägung anhalten, Sonnenfotos waren daher diesmal leider die Ausnahme.
Der Bahnhof in Bergen ist ein beeindruckendes Gebäude aus dem Jahre 1913. Aufgrund von "Unregelmäßigkeiten im Betriebsablauf" sind hier zwei Variobahnen, namentlich Tw 212 und 209, aufeinander aufgelaufen. Im Hintergrund thront Ulriken, mit 643 m der höchste der sieben "Hausberge". Sein Gipfel ist mit einer Schwebebahn zu erreichen und bietet einen fantastischen Blick auf die Stadt und ihre Umgebung.
Interessanterweise dient nicht die Bahnstation als Namenspate für die daneben gelegene Haltestelle Nonneseter ("Nonnensitze"), sondern ein ehemaliges Kloster, von dem lediglich eine kleine Kapelle hinter dem Gebäude mit dem roten Ziegeldach erhalten geblieben ist. Tw 211 fährt Richtung Endpunkt Byparken ("Stadtpark") ab.
Dieser befindet sich in unmittelbarer Nähe des zentralen Platzes im Stadtzentrum neben dem prächtigen Bau des ehemaligen Reichstelegrafen- und -telefonamts, welcher heute als Einkaufstempel dient. Im Normalfall halten die Bahnen am dem Gebäude gegenüberliegenden Bahnsteig – so wie hier von Tw 219 –, auch nur dieser ist mit der kompletten Haltestelleninfrastruktur ausgestattet.
Wie weiter oben schon gesehen, passiert es im dichten 5-min-Takt schon hin und wieder, dass Fahrzeuge sich einholen. Dann werden beide Gleise genutzt, was per DFI auch entsprechend kommuniziert wird. Während Tw 205 gerade angekommen ist, setzt sich Tw 227 in Bewegung, ...
... um nach Überquerung der Olaf Kyrres gate aufs Regelgleis zu wechseln.
Tw 220 hat das Stadtzentrum verlassen und schlängelt sich vor der Kulisse des Geophysischen Instituts die Nygårdsgate entlang. Im Hintergrund kann man oberhalb der Häuser einen Wagen der Fløibane erahnen.
Dasselbe Fahrzeug konnte außerdem an der Haltestelle Fantoft abge"licht"et werden.
Von hier aus gelangt man nach einem kurzen Fußweg zu einer der berühmten Stabkirchen Norwegens, ...
... jene hölzerne Bauwerke, für deren Errichtung keinerlei Metallteile wie Nägel oder Bolzen Verwendung fanden.
Vom Kirchlein aus kommt man mit einem Bus direkt zum Umsteigeterminal Lagunen, wo sich bis August 2016 der südliche Endpunkt der Stadtbahn befand. Für Tw 206 geht's nun aber weiter.
Immer wieder schön anzusehen ist die hohe Gestaltungsqualität der Haltestellen. Alle Ausstattungen folgen einer einheitlichen CD-Linie. Naturstein prägt das Bild, die Blindenleitstreifen sind aus Metall, was sie nicht nach kurzer Zeit unter den Einwirkungen von Witterung oder gar Streusalz hinwegbröseln lässt. Statt einer Vitrine mit "Zettelwirtschaft" informiert ein riesiger TFT-Bildschirm über Tarife, Abfahrtszeiten und die Umgebung. Fahrplanwechsel auf Knopfdruck.
Verspätete Flughäfen fangen mit "Ber..." an, könnte man denken. Da das Terminal noch nicht fertig war, wurde die Strecke zunächst nur bis Birkelandsskiftet eröffnet. Ab April 2017 wird die Linie 1 aber schließlich doch auf ihrer gesamten Länge bis zum Bergener "Lufthavn" Flesland betrieben. Damit fanden die ersten drei Etappen des Stadtbahnbaus ihren Abschluss.
Parallel dazu liefen aber längst die Planungen für eine weitere Strecke, welche im Zentrum von der Bestandsstrecke abzweigt, zwischen der Eisenbahn und dem See "Store Lungegårdsvann" und in einem sich anschließenden Tunnel in Richtung Krankenhaus Haukeland verläuft, um anschließend in Kronstad auf die Trasse der alten Bergenbahn zu treffen. In diesem ehemaligen Bahnhof befand sich das Interimsdepot der Bybane, welches mit der Streckenverlängerung zum Flughafen durch einen zeitgemäßen Betriebshof in Kokstad ersetzt wurde. Bis Kristianborg folgt die neue Linie der historischen Bahnstrecke, bevor in einem knapp 3 km langen Tunnel das Bergmassiv des Løvstakken durchfahren wird. Der parallele Rettungstunnel wird als regulärer Fußgänger- und Radtunnel errichtet (!). Endpunkt wird Spelhaugen sein, welches quasi "hinter dem Berg" liegt. Durch die neue Strecke verkürzt sich die Reisezeit mit dem ÖPNV erheblich, da die derzeitigen Buslinien die Erhebung nördlich oder südlich umfahren müssen. In Fyllingsdalen entsteht außerdem eine unterirdische, sechsgleisige Abstellanlage. Wenn Geld keine Rolle spielt ... ;-) Wer nicht bis 2022 warten und schonmal mitfahren möchte, kann das hier tun:
https://www.youtube.com/watch?v=1EB3tQtShg0
Gebaut wird bereits an vielen Stellen, nachfolgend einige Eindrücke vom aktuellen Zustand der "Seestrecke":
Blick Richtung Zentrum.
Hier nochmal von weiter weg.
Und landwärts, wieder mit Mount Ulrik. Schön, dass man auch an zukünfige Fotografen gedacht und so eine tolle Landschaft drumherum gebaut hat.
Der letzte verbliebene der vormals vier O-Bus-Betrieben Norwegens befindet sich ebenfalls in Bergen. Die gut 7 km lange Linie führt von Strandkaiterminalen gegenüber dem historischen Hafenviertel Brygge über das eben bereits erwähnte Krankenhaus Haukeland bis nach Birkelundstoppen. Auch hier wurde die Stilllegung bereits diskutiert, und wenn man den Fahrzeugeinsatz beobachtet, scheint es auch ein bisschen das ungeliebte Kind der Verkehrsbetriebe zu sein. Von den sechs vorhandenen Neoplan-N6321-Gelenkbussen waren maximal zwei gleichzeitig im Einsatz, der Rest der Kurse wurde gewissermaßen im "Schienenersatzverkehr" mit Dieselbussen gefahren. Irgendwo las ich jedoch, dass es durchaus Ausbaupläne gibt. Vielleicht finde ich die Stelle wieder.
Im Stadtzentrum hat Wagen 8194 die Haltestelle Småstrandgaten verlassen und wird in Kürze das Hafenviertel erreichen.
An gleicher Stelle, jedoch in der Gegenrichtung, ist Wagen 8196 nach "Birkelundstoppe" (nur echt ohne "n") unterwegs.
Die Haltestelle Ulriksdal, an der Wagen 8194 hier gerade fahrgastwechselt, ersetzt ...
... die straßenbahnbaubedingt entfallene Haltestelle "Sjukehus nord" am Krankenhaus. Kurz nach unserem Besuch wurde die dort befindliche Fußgängerfachwerkbücke abgerissen, was dieses Foto mit Wagen 8195 also schon wieder historisch macht.
Südlich des Krankenhauses wandelt sich der Charakter der Bebauung entlang des Nattlandsveien. Wagen 8195 hat eben die ehemalige Straßenbahnwendeschleife Fridalen passiert.
Wagen 8194 erreicht den gegenüber dem Stadtzentrum doch deutlich höher gelegenen Endpunkt ...
... und kann dort zusammen mit seinem Dieselkollegen ebenfalls deutscher Provenienz während der Wendezeit den Ausblick genießen.
Geliefert wurden die Fahrzeuge 2003 im "historischen" Bergener Gelb, seit ihrer Generalinstandsetzung tragen sie jedoch auch das Farbschema des örtlichen Verkehrsverbundes "skyss". Wie überall in Skandinavien treten die tatsächlichen Betreiber der Linien in der Außenwirkung völlig hinter den beauftragenden Verbünden zurück.
Wichtiger Programmpunkt war diesmal auch der Besuch des Technischen Museums (
https://www.bergenstekniskemuseum.no/), welches eine illustre Fahrzeugsammlung beherbergt.
Tw 10, gebaut 1897 von Falkenried, gehörte zur Erstausstattung der Bergener Straßenbahn.
Vom gleichen Hersteller stammt Tw 47, Baujahr 1913, welcher in Vorbereitung des geplanten Museumsbetriebs 1993 von Oslo hierher umgesetzt wurde.
Zu diesem urigen Gefährt mit der Nr. 150 hab ich leider nichts gefunden. Da der Verfasser des einschlägigen Buchs (
https://sporveismuseet.shop/de/item/fra-minde-til-sandviken---historien-om-bergenstrikken) aber hier auch mitliest:
Nils, kunne du gi oss litt informasjon om det? :-)
Bekannt geworden ist das Museum durch die Übernahme von je drei Reko-Trieb- und -Beiwagen aus Berlin, welche die Nummern 60 bis 61 bzw. 160 bis 162 erhielten. Einige davon standen leider sehr eingebaut in der Halle, so dass es bei diesen verkrampften Beweisfotos bleiben musste.
Erhofft hatte ich eigentlich, einen Blick auf den erhaltenen Škoda 9Tr werfen zu können, waren das doch die einzigen Fahrzeuge dieses Typs, welche ins "nichtsozialistische Wirtschaftsgebiet" geliefert worden. Der scheint jedoch irgendwoanders untergestellt zu sein. So beschränkte sich das Thema O-Bus auf diesen rustikalen Gesellen, der 1957 von Sunbeam (England) und Sverre Munck (Bergen) geliefert wurde und bis 1974 im Einsatz war.
Der Gesamtbestand ;-) der letzten Fløibanen-Generation hat auch den Weg ins Museum gefunden.
Trotz einiger Baufortschritte ist die Museumsstrecke nach Engen an der Olav Kyrres Gate noch unterbrochen, die Fahrleitung endet bereits ein Stück vorher. Leider ist zu den Aktivitäten des Vereins nur schwer etwas zu erfahren. Weiß jemand, wie es um das Projekt steht?
Abschließend noch eine kulturell-kulinarische Information mit Straßenbahnbezug:
Neben zwei Gleisen ist auch das Endpunktgebäude an der ehemaligen Wendeschleife in Minde erhalten geblieben und wird – liebevoll eingerichtet – als Café genutzt (
https://www.facebook.com/cafeambrosia/). Darüberhinaus finden dort auch Filmvorführungen oder im Dezember ein kleiner Weihnachtsmarkt statt.
Im Inneren finden sich auch einige Fotografien, welche an die Zeit der "ersten" Bergener Straßenbahn erinnern. Von den zuletzt eingesetzten Vierachsern blieb leider keiner erhalten. Heute fährt die Stadtbahn wieder am Gebäude vorbei und hält kurz dahinter an der Station "Wergeland".
Das soll es für hier und heute gewesen sein.
Ha de bra!
Die Variobahn
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2019:10:31:21:56:58.