Hallo zusammen,
während der WM konnte ich einen Blick auf das Strassenbahnnetz werfen und sogar ein paar mal mitfahren. Für falsch geschriebene oder uneindeutige Ortsnahmen möchte ich mich im Voraus entschuldigen. Die habe ich aus dem russischen Wikipedia-Artikel entnommen, nach Gefühl transkribiert und teilweise übersetzt.
Linienmässig befahren wird nur noch die Linie 5 vom Fleischkombinat zur Bassenaja Ulica. Zur WM wurde sogar die Strecke zum Fleischkombinat reaktiviert. Die Gleise dieser im Linienbetrieb befahrenen Strecke sind in ordentlichem Zustand, an vielen Stellen wurden die Gleise erneuert. Im Vergleich zu meinem letzten Besuch (2009) haben sich die Reisegeschwindigkeiten verdoppelt. Genau kann ich das nicht mehr sagen, aber diesmal hatte ich das Gefühl flott voranzukommen. Im Bereich des Moskovski Prospekts gibt es sogar eine Neutrassierung im Zusammenhang mit einem Strassenbauprojekt zur WM. Auf Ihrer etwas eigenwilligen Linienführung hat die Bahn keine Konkurrenz zu Bussen oder Marschrutkas. Diese fahren alle über den Leninski Prospekt und stehen auch oft im Stau.
Der Pflegezustand der Fahrzeuge hat sich verbessert, insbesondere der der Radreifen. Während 2006 selbst auf den neuen Gleisen auf dem Sowjetski Prospekt es kräftig rumpelte, fährt man heutzutage sehr ruhig. Neufahrzeuge kommen keine zum Einsatz, es fahren ausschliesslich Tatra Gelenkwagen mit 400-er und 600-er Nummern. Auch scheint es weniger Ausfälle zugeben, ich habe keinen einzigen Abschleppvorgang beobachtet, früher wahren das mehrere pro Woche.
Ausserdem gibt es noch weitere Strecken ohne Linienverkehr. Befahrbar sind noch die Strecken durch den Leninski Prospekt wird für Einrückfahrten genutzt, durch die Ulica Shevchenko (war während der WM gesperrt), durch die Ulica Bagrationa (wird für Einrückfahrten genutzt), die Schleife zum Südbahnhof (dort steht sogar noch ein Haltestellenschild), zum Depot und auf dem Prospekt Mira. Im Gegensatz zu der im Linienverkehr befahrenen Strecke ist der Zustand dieser Strecken katastrophal, die Gleise sind abgefahren, es gibt Schienenbrüche, die nur notdürftig zusammengeschraubt sind. In der Nähe des Südbahnhofes gibt es jetzt eine neue Einbahnregelung, bei Einrückfahrten muss die Strassenbahn gegen die Einbahnstrasse fahren. Es gibt in diesem Abschnitt keine alternative Strecke.
Ausserdem sind noch die Strecken zur Jantar Werft und zur Telmana erhalten, wenn auch nicht mehr befahrbar. Die Weichen wurden ausgebaut und auch die Fahrleitung ist nicht mehr komplett. Auch hier sind die Gleise bis Ende abgafahren. Während man 2008 noch eiligst die Gleise in der Ulica Gargarina abbaute, blieben bei den späteren Stillegungen die Gleise erhalten. Das ändert allerdings trotzdem nichts daran, dass bei einer Wiederinbetriebnahme das Netz praktisch komplett neu gebaut werden müsste, inklusive der noch als Betriebsstrecken befahrbaren Strecken.
Fazit: Es sieht wieder deutlich besser aus als noch vor wenigen Jahren. Zumindest von der Infrastruktur dürfte der Betrieb mittelfristig gesichert sein. Durch die starke Reduzierung des Netzes konnte man zumindest auf die älteren Fahrzeuge verzichten und kann den restlichen Linienverkehr mit den besseren Fahrzeugen betreiben. Auch dürfte man noch eine grössere Reserve an Fahrzeugen haben. Jedoch sind für einen Erhalt des Betriebes über kurz oder Lang neue Fahrzeuge notwendig. Eigentlich wollte man schon zur WM neue Fahrzeuge haben.
Abschliessend noch ein paar Worte zum Gummi-ÖPNV (für den ich jetzt kein Extra-Thema aufmachen will):
Es existiert ein Trolleybus-Netz. Gesichtet habe ich die Linien 1, 2, 5 und 7. Neben älteren sowjetischen Modellen kommen auch zahlreiche neuere Modelle zum Einsatz, die weniger als 15 Jahre alt sind, zum Teil sehr neue. Mitfahren konnte ich auch einmal.
Für die WM wurden zahlreiche neue Dieselbusse angeschafft, die hauptsächlich den Stadion-Shuttle betrieben, aber auch auf den Städtischen Linien zum Einsatz kamen (ausserhalb der Spieltage). Daneben gibt es noch private Linien, die mit alten abgewirtschafteten Westbussen betrieben werden, zum Teil kommen sogar noch alte Reisebusse zum Einsatz. Der Zustand der Fahrzeuge auf den privaten Linien ist sehr schlecht, zum Teil funktionierten nicht einmal alle Gänge. Wenn es sich irgendwie vermeiden liess, habe ich Fahrten mit diesen Linien vermieden.
Daneben existieren noch Marschrutkas (Kleinbusse). Auch hier scheint man den Wildwuchs einzudämmen. Es kommt nur noch ein Fahrzeugtyp zum Einsatz und die Fahrzeuge sind einheitlich lackiert und sogar die Zahl der Stehplätze ist reglementiert. Ausserdem gibt es weniger Linien. Gefahren werden sie meist von Fahrern aus Zentralasien. Die Fahrer übernehmen selst einen Teil des wirtschaftlichen Risikos der Linien.
Gruss, Fastrider
Treno Verde statt QdLT und Ländertickets