Liebe Freunde der rot-blonden Edelrösser,
der Betriebsausflug der TRI-Mitarbeiter von Köln nach Nürnberg in Erinnerung an den TEE „Rheinpfeil“, der vor fast genau 50 Jahren verendete, war natürlich kein Selbstzweck, sondern tatsächlich ein "Verwandtenbesuch".
Denn ebenfalls vor rund 50 Jahren erblickte bei der Bundesbahn ein Geschöpf die Welt, das mit dem schlichten Namen „103“ schon bald alle Bundesbahnbeamten und viele andere mehr begeistern sollte.
Auch den Verfasser dieser dürren Zeilen erfasste dieses Virus (Entschuldigung für dieses heutige Unwort), als er im Studium mit einer Frankfurter 103 den ExprIC 14050 nachts durch den nebligen Spessart fahren durfte, während Hauptlokführer XY vom Bw Nürnberg Hbf seelig auf dem Beimannstuhl schlief.
Mit dem heutigen Tag wird ein neues Kapitel einer inzwischen bereits fast 20 Jahre alten Story aufgeschlagen:
103 224 wird im Eigentum der TRI nach Dessau überführt. Sie erhält dort eine Revision und wohl einen Neulack in den TRI-Vereinsfarben blau, rot und weiß. Könnte etwa so aussehen…
Hier nun die Geschichte der letzten 20 Jahre zu 103 224:
Es war der unvergessene und viel zu früh von uns gegangene Direktor des Deutschen Dampflokmuseums DDM, Volker Dietel, der erkannte: Dampfloks sind ne tolle Sache – doch leider können jüngere Museumsbesucher damit überhaupt nichts mehr anfangen. Mangels täglichen Praxisbezugs fehlte die Begeisterungsfähigkeit der Jugend– übrigens bis heute, wo man lieber auf einer Glasscheibe herumwischt, als die Augen der Umgebung zu widmen.
Das Spektrum des DDM sollte also erweitert werden, durch Diesel- und E-Loks, die auch die Jüngeren noch kannten. Da stand eine damals bereits rar gewordene 103 ganz oben auf der Wunschliste. Aber wie umsetzen?
Am 10.10.2001 stellte der Verfasser an Dr. Christoph Franz, seinerzeit Vorstand DB Personenverkehr, den Antrag auf Dauerleihgabe einer 103 für das DDM. Ausgewählt wurde 110 224. Die Lok hatte bald Fristablauf und war zur „Verbenderung“ vorgesehen, besaß aber noch ihre ursprüngliche Farbgebung. Darin sah der Verfasser einen Vorteil bei der ohnehin fälligen Neulackierung der Lok, die wirklich keine Schönheit war – Lack grottig, viel zu großes DB-Logo und verschiedene Lüftergitter. Eine orientrote 103 in rot/beige bzw. /elfenbein ohne Zeichnungen umzulackieren sah er jedoch als problematisch an. Da war eine 103 in Ursprungsfarbgebung doch einfacher umzusetzen.
Überraschend stimmte der DB Vorstand zu. Weit voraus denkende Mitarbeiter von DB Fernverkehr in Frankfurt zeigten sich äußerst hilfsbereit und so konnten wir am 25.02.2002, dem Tag vor Fristablauf „unsere“ 103 224 als Vorspann vor einem IR (wissen die Jüngeren von Euch noch, was das war?) von Frankfurt nach Leipzig überführen, Bild vor Abfahrt im Bw Frankfurt 1.
Am Folgetag ging es mit eigener Kraft in die Werkstatt der Vogtlandbahn zum frisch gebackenen Vorstand (Vst) nach Neumark zur optischen Aufarbeitung – übrigens vom Vst aus eigener Tasche bezahlt. Nun sollte es aber für Jahrzehnte heißen „Hauptschalter aus“.
Das Umbaukonzept des DDM ließ auf sich warten und so wurde die Lok lange Jahre zunächst im Depot des DDM in Neuenmarkt-Wirsberg, später in Glauchau, „versteckt“ und nur äußerst selten der Öffentlichkeit gezeigt.
Viele Jahre später, um 2015, ging der Leihvertrag von DB Fernverkehr auf die DB-Museumsstiftung über. Diese erkannte den Wert dieser gepflegten 103 als Ausstellungsobjekt. Sie holte im Jahr 2016 die 103 224 aus Neuenmarkt-Wirsberg und zeigte sie im Freigelände des DB Museums in Nürnberg.
Derweil ließ dem „Vst“ als bekennendem Bundesbahnbeamten der Virus 103 nicht los. Als das Museum die mäßige 103 132 zum Kauf anboten, ließ er sich nicht lang bitten. Das Motto lautete: „Besser eine schlechte 103 im Maßstab 1:1 als eine tolle 103 im Maßstab 1:32“. Ja, klingt jetzt arrogant, war es wohl auch.
Die Pandemie brachte Zeit zum Nachdenken: Nachdem das DB Museum eine 103 nur als ausstellungsfähiges Objekt für Nürnberg benötigte, würde es eine optisch aufgearbeitete 103 132 statt der noch immer geliebten 103 224 ja auch tun. Das wieder arrogant klingende Motto lautete nun: Lieber eine möglicherweise betriebsfähige 103, als eine nicht betriebsfähige 103 …!“ Die Museumsleitung stimmte zu und schließlich wurde ein Vertrag geschlossen, über den beide Seiten Vertraulichkeit vereinbarten. Unter anderem wird TRI die 103 132 in Dessau optisch aufarbeiten lassen und an das Museum zurück übereignen.
103 224 kommt nun nach 20 Jahren heute in die Hände derer, die sie vor 20 Jahren vor dem Krematorium in Opladen bewahrt haben.
Die beiden 112er bzw. 113er nahmen heute in Nürnberg Rbf ihre jüngere, gleichwohl etwas größere Schwester zärtlich in die Mitte zum Familienfoto.
Leider hat die DB-Kurklinik Dessau aktuell kein Bett frei, denn es wäre der Traum des „Vst“ gewesen, mit der 103 den 50. Geburtstag des InterCity zu feiern – mit einer Paralleleinfahrt mit einer TRI-112 über die Kölner Hohenzollernbrücke in den Hauptbahnhof der Domstadt.
Wir hoffen aber heute erstmal nur auf eine problemfreie Überführung der 103 224 morgen früh ab 8.00 von Nürnberg mit den beiden 112 (bzw. 113) über den Frankenwald nach Dessau ins DB Werk.
Abschließend gebührt mein persönlicher Dank allen von DB Fernverkehr aus Frankfurt in 2002 und vom DB Museum in 2021, die dieses möglich gemacht haben. Wäre 103 224 damals geschreddert worden, wären die daraus entstandenen Autobleche heute auch schon wieder Schrott.
So schnelllebig ist die Welt, oder: Ausdauer und Geduld zahlen sich manchmal doch aus …!
Durchaus emotional erregt grüßt
Euer Vorstand
P.S. Und das ist der Test, ob Ihr alle bis zu Ende gelesen habt:
Natürlich wird 103 224 in Dessau NICHT in den TRI-Farben blau/rot/weiß lackiert, sondern im klassischen TEE-rot/beige (nicht elfenbein!). Alles andere brächte ein gestandener Bundesbahnbeamter auch nicht übers Herz. Denn nur eine rot/beige 103 ist eine echte 103!
Also: Bauchgrimmen vergessen und nochmal von vorn lesen…!
103 224 nach optischer Aufarbeitung beim Vorstand im Betriebshof der Vogtlandbahn in Neumark, im September 2002.