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"Staatsbahn" = Scheindiskussion

geschrieben von: Dirk Mattner

Datum: 10.04.21 14:54

Tach!

nozomi07 schrieb:
kmueller schrieb:
In England scheint sie gerade (schrittweise) zurückzukommen. Womit ist man dort unzufrieden?
Wo kommt da eine Staatsbahn zurück? Ganz sicher nicht.

Man hat das Netz wieder verstaatlicht, und diskutiert Züge von staatseigenen Gesellschaften zu vetreiben. Damit wäre man ziemlich genau dort, wo wir mit der DB heute sind. Nix "Staatsbahn", die war auch in England ein verrotteter Haufen den niemand zurück will.
Ich glaube das hier vergebens Energie für ein Thema aufgewandt wird, das im Grunde überhaupt nicht zur Diskussion steht.
Wenn, wie hier angeführt, unter dem Begriff "Staatsbahn" eine Organisation nach dem Vorbild der Eisenbahnen aus dem - sagen wir mal 1970er Jahren - propagiert wird, dann hat das mit den heutigen Realitäten und - vielmehr - den heutigen Optionen zu einer Neugestaltung des Eisenbahnwesen nichts zu tun.

Wenn man dagegen "Staatsbahn" als Eisenbahn im Besitz des Staates versteht, dann haben wir mit dem aktuell bestehenden Konzern BAHN AG eine Staatsbahn.
Das wird wohl auch nicht gemeint sein, nehme ich an?

Ein Blick ins politische Spektrum (das sind bekanntlich die, die über solche Dinge letztlich entscheiden) lässt erkennen, dass keine der etablierten Parteien eine Rückkehr zur Organisation der Eisenbahn in Deutschland nach dem Vorbild einer "Staatsbahn" nach dem Muster von Bundes- oder gar Reichsbahn fordern.

Am ehesten verdächtigen könnte man ja "Die Linke", die (naturgemäß) einen höheren Zugriff des Staates auf die Eisenbahn fordert. Dabei wurden schon verschiedene Organisationsformen von denen ins Spiel gebracht, doch das Staatsbahnmodell vergangener Epochen kommt da nicht vor.

Die anderen Parteien zeigen, je nach ihrem ideologischen Grundverständnis, ebenfalls weiterhin ihre Bereitschaft auf das Eisenbahnwesen einzuwirken.
Um auf die anderen Seite es Spektrums zu kommen: Da die FDP den Forderungen des Rechnungshof hohe Sympathie zollt, bedeutet das auch das sie Regulierungen finden möchte, die den Wettbewerb (wie immer der dann aussehen mag) auf der Schiene fördern soll. Auch hier greift der Staat regelnd ein und wird eine höhere Instanz (Behörde?) vorschalten, die dieses Treiben dann überwacht. Also auch eine Staatsbahn? Kommt auf die Definition an...


Der Begriff "Staatsbahn" sagt also wenig aus, weil jeder etwas anderes darunter verstehten könnte.
Das Modell das man damit meint, sollte dann schon konkreter beschrieben werden.

Die Forderung oder Befürchtung (je nach Standpunkt), es solle die Bundesbahn Anno 1978 zurückkehren - am besten noch mit dem damaligen Rollmaterial ;-) - hat eigentlich mit der aktuell geführten Diskussion (die hier mal wieder der Bundesrechnungshof angestoßen hatte) nichts zu tun und kann im Grunde nicht ernst genommen werden.


Grüßle,
Dirk



2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2021:04:10:14:59:55.
nozomi07 schrieb:kmueller schrieb:
kmueller schrieb:
In England scheint sie gerade (schrittweise) zurückzukommen. Womit ist man dort unzufrieden?
Wo kommt da eine Staatsbahn zurück? Ganz sicher nicht.

Man hat das Netz wieder verstaatlicht, und diskutiert Züge von staatseigenen Gesellschaften zu vetreiben. Damit wäre man ziemlich genau dort, wo wir mit der DB heute sind. Nix "Staatsbahn", die war auch in England ein verrotteter Haufen den niemand zurück will.
Das ist so ganz einfach nicht korrekt. Weder wirtschaftlich noch qualitätsmäßig hat die Privatisierung dort irgendetwas verbessert.
Mscr1 schrieb:
Das ist so ganz einfach nicht korrekt. Weder wirtschaftlich noch qualitätsmäßig hat die Privatisierung dort irgendetwas verbessert.
Da hab ich den Museumsbetrieb in England aber anders in Erinnerung. Die Slamdoors waren für Fans natürlich toll - aber die will kein Pendler zurück. Die Privatisierung brachte endlich einen neuen Fahrzeugpark, und vielerorts dichtere Takte. Auch die Fahrgastzahlen sind deutlich gestiegen.

England hat das Franchise-Konzept sehr konsequent ungesetzt, und entsprechend hat man auch die Nachteile gespürt. Etwa wenn ein Betrieb insolvent geht. Dass man da über Kurskorrekturen nachdenkt iat also gut verständlich.

Aber die olle Staatsbahn, als Spielball der Politik, die ist Geschichte.
Mscr1 schrieb:
Das ist so ganz einfach nicht korrekt. Weder wirtschaftlich noch qualitätsmäßig hat die Privatisierung dort irgendetwas verbessert.
Sehen die Güterverkehrskunden aber glaube ich grundlegend anders...
Waren es doch die, die einst noch vor der Privatisierung in Eigenregie die heute allgegenwärtigen Amiloks (SW1001, Class 59 und Class 66) nach UK brachten, weil sie es leid waren auf British Rail mit ihrem uralten abgeranzen unzuverlässigen Schrott, der andauernd ausfiel und keine Leistung und Betriebsqualität brachte, angewiesen zu sein...



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2021:04:11:15:11:33.
Der Zuschuss pro Passagier-km ist anscheinend seit der Privatisierung aber auch deutlich gestiegen.
JanH schrieb:
Der Zuschuss pro Passagier-km ist anscheinend seit der Privatisierung aber auch deutlich gestiegen.
Hast Du dazu eine Quelle?
Vgl. diese Diskussion: [www.drehscheibe-online.de]
Für die ganz harten Zahlen bräuchte man Zugriff auf alte Ausgaben von Modern Railways, den ich leider nicht habe, aber auch aus der frei verfügbaren Online-Vorschau von Roger Fords "Informed Sources"-Kolummne konnte man das so rauslesen:
09/2014 ("RDG invites a spanking")
11/2015 ("Wrong type of ‘some people’")
02/2018 ("RDG spin only highlights cost crisis")
JanH schrieb:
Der Zuschuss pro Passagier-km ist anscheinend seit der Privatisierung aber auch deutlich gestiegen.
Hat jemand das Gegenteil behauptet? Eine moderne attraktive Bahn kostet nun mal Geld. Niemand glaubt mehr, mit Privatisierung könne man dieses Geld einsparen oder gar komplett aufZuschüsse verzichten.
nozomi07 schrieb:
JanH schrieb:
Der Zuschuss pro Passagier-km ist anscheinend seit der Privatisierung aber auch deutlich gestiegen.
Hat jemand das Gegenteil behauptet? Eine moderne attraktive Bahn kostet nun mal Geld. Niemand glaubt mehr, mit Privatisierung könne man dieses Geld einsparen oder gar komplett aufZuschüsse verzichten.
Doch, zumindest der erste Teil war schon eine zentrale Erwartung an die Privatisierung: dass der Wettbewerbsdruck die EVU dazu nötigt, ihre Leistung nicht nur moderner und attraktiver, sondern auch effizienter und damit kostengünstiger zu erbringen. Sollte das nicht erreicht sein, muss man die Frage nach dem Sinn stellen.

@JanH: Danke für die Links. Wobei die sich auf UK beziehen, ich kann die Aussagen nicht im Detail nachvollziehen.
Jetzt bin ich deswegen doch einmal selbst auf die Suche nach Zahlen für Deutschland gegangen und habe auf die Schnelle gefunden (zwei Vergleichsjahre, für die die Zahlen in den jeweiligen Quellen vergleichbar aussahen):

Passagierkilometer: [www.deutschlandinzahlen.de]
- 1997: 72,4 Mrd.
- 2014: 91,0 Mrd.

Regionalisierungsmittel: [de.wikipedia.org]
- 1997: 6,1 Mrd.
- 2014: 7,3 Mrd.

Ergibt einen Zuschuss pro Passagierkilometer:
- 1997: 8,4 Cent
- 2014: 8,0 Cent

Da gibt es noch eine Reihe Aspekte im Kleingedruckten zu beachten*. Aber zumindest ist daraus ein steigender Zuschuss für Deutschland nicht zu belegen, oder?

* Mir fallen als Anmerkungen ein:
- 1997 war die Privatisierung schon durch. Man brauchte hierzu also Vergleichszahlen, wie viel die Bundes- und Reichsbahn vor 1994 gekostet haben. Hierzu hatte im verlinkten Thread ein Forist auf das Wibera-Gutachten verwiesen; demzufolge seien die Regionalisierungsmittel anfangs tatsächlich in der Höhe der Netto-Ausgaben für den betreffenden Regionalverkehr festgelegt worden.
- Die Passagierzahlen umfassen auch den Fernverkehr. Der ist aber m.W. seit 1997 nicht überproportional gestiegen, vgl. etwa die Abschaffung der IR.
- Es gibt andere Zuschussquellen als die Regionalisierungsmittel. Auch von diesen wüsste ich aber nicht, dass diese überproportional gestiegen wären.
- Inflation ist einzukalkulieren. Aber dann sähen die Regionalisierungsmittel 2014 niedriger aus, der Zuschuss wäre dann also noch weiter zurückgegangen.
kariadsko schrieb:Zitat:
Zitat:
Hat jemand das Gegenteil behauptet? Eine moderne attraktive Bahn kostet nun mal Geld. Niemand glaubt mehr, mit Privatisierung könne man dieses Geld einsparen oder gar komplett aufZuschüsse verzichten.
Doch, zumindest der erste Teil war schon eine zentrale Erwartung an die Privatisierung: dass der Wettbewerbsdruck die EVU dazu nötigt, ihre Leistung nicht nur moderner und attraktiver, sondern auch effizienter und damit kostengünstiger zu erbringen. Sollte das nicht erreicht sein, muss man die Frage nach dem Sinn stellen.
Privatisierung macht die Bahn nicht billiger oder eigenwirtschaftlich. Diese Lektion ist gelernt, und das bestreitet keiner mehr (außer ein paar FDPler)

Aber wir sehen, dass die Bahn heute sehr viel besser, moderner und fahrgastfreundlicher ist als die alten Staatsbahnen. Und Geld verschlungen haben die Staatsbahnen auch, nur kam eben nicht viel bei raus.

Ich finde es so ermüdend, mit Schwarzweiß-Denkern zu diskutieren. Die Staatsbahn ist genauso mausetot wie die privat-eigenwirtschaftliche Bahn. Die Wahrheit liegt in der Mitte. Doch anstatt diese Mitte fachkundig zu justieren, verrennen wir uns seit Jahrzehnten in fruchtlose Grundsatzdebatten über Schwarz und Weiß.



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2021:04:11:18:53:35.
Hallo nozomi,

nozomi07 schrieb:
Privatisierung macht die Bahn nicht billiger oder eigenwirtschaftlich. Diese Lektion ist gelernt, und das bestreitet keiner mehr (außer ein paar FDPler)

Aber wir sehen, dass die Bahn heute sehr viel besser, moderner und fahrgastfreundlicher ist als die alten Staatsbahnen. Und Geld verschlungen haben die Staatsbahnen auch, nur kam eben nicht viel bei raus.
Ich sehe schon, wir meinen im Grunde das gleiche: Man wollte die Bahn stärken und wusste, das geht nicht ohne Geld.
Auf die Meinung der FDP zur Bahn hört eh nur, wem die Bahn sonstwo vorbeigeht.

Zitat:
Ich finde es so ermüdend, mit Schwarzweiß-Denkern zu diskutieren. Die Staatsbahn ist genauso mausetot wie die privat-eigenwirtschaftliche Bahn. Die Wahrheit liegt in der Mitte. Doch anstatt diese Mitte fachkundig zu justieren, verrennen wir uns seit Jahrzehnten in fruchtlose Grundsatzdebatten über Schwarz und Weiß.
Jep, dazu volle Zustimmung. Aber ich halte ohnehin die Frage für nicht so wichtig, wie sie oft dargestellt wird. Der Schienenverkehr braucht m.E. vor allem politische Unterstützung, und die ist im Grunde in vielen Organisationsstrukturen möglich. Ausgerechnet unter dem so gescholtenen Andy Scheuer ist da sogar deutlich mehr angeschoben worden als unter allen seinen Vorgängern. Nur leider dauert das jetzt endlos, nachdem die Politik jahrzehntelang den Bahnausbau vernachlässigt hatte.
nozomi07 schrieb:
Alibizugpaar schrieb:
Zitat:
Egal was sich Deutschland an Infrastruktur zurecht zimmert, wir ziehen es kompliziert, unflexibel, lahmarschig und viel zu teuer bei wenig effektiver Durchschlagskraft auf. Siehe Zustände rund um Glasfaserkabel, Handy und Internetempfang (Achtung, freie Unternehmenswirtschaft!!!) oder wie lange es allein dauert eine Eisenbahn-Emsbrücke neu zu errichten. Wann fuhr der letzte Zug von Groningen nach Leer? Und wenn Warburg jetzt ein neues Wartehäuschen auf dem Bahnsteig bekommen soll, dann kostet das gleich eine viertel Million Euro!
Und das ist alles staatlich. Wer von einer "Staatsbahn" träumt, muss all das lieben, was du hier aufzählst.
Das alles ist die staatliche Aufsicht über die privatisierte Bahn. Wer von der freien Wirtschaft träumt, muss sich im Klaren sein, dass er das nicht automatisch loswird...
bauigel schrieb:
Das alles ist die staatliche Aufsicht über die privatisierte Bahn. Wer von der freien Wirtschaft träumt, muss sich im Klaren sein, dass er das nicht automatisch loswird...
Hat hier irgend jemand gesagt, man solle die Bahn-Infrastruktur der freien Wirtschaft überlassen? Die Welt besteht aus mehr als aus Schwarz und aus Weiß.
kariadsko schrieb:
Jep, dazu volle Zustimmung. Aber ich halte ohnehin die Frage für nicht so wichtig, wie sie oft dargestellt wird. Der Schienenverkehr braucht m.E. vor allem politische Unterstützung, und die ist im Grunde in vielen Organisationsstrukturen möglich. Ausgerechnet unter dem so gescholtenen Andy Scheuer ist da sogar deutlich mehr angeschoben worden als unter allen seinen Vorgängern. Nur leider dauert das jetzt endlos, nachdem die Politik jahrzehntelang den Bahnausbau vernachlässigt hatte.
Volle Zustimmung! Erst mal brauchen wir den Konsens, dass wir eine bessere Bahn wollen. Dass wir mehr Geld dafür ausgeben wollen. Dann brauchen wir eine Politik, die das auch tut und kann.

Dann erst kommen Strukturdebatten. Und die gehen vor allem um das Wie, um die Optimierung.
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