DREHSCHEIBE-Online 

Anzeige

HIER KLICKEN!

 01 - News 

  Neu bei Drehscheibe Online? Hier registrieren! Zum Ausprobieren und Üben bitte das Testforum aufsuchen!
News und aktuelles Betriebsgeschehen - Fragen sind keine News, können aber in den anderen Foren gerne gestellt werden. Für Updatemeldungen von Websites bitte das Forum Bahn und Medien verwenden.
[www.zeit.de]

Wurde wohl wieder mal Zeit, dass man an die selbst erstellten Regeln zur Barrierefreiheit erinnert und die mangelnde Umsetzung anmahnt. Immerhin scheint Schlewig-Holstein ein Musterknabe bei der Umsetzung der Barrierefreiheit zu sein, das Saarland und Thüringen hingegen sind die Schlusslichter.
bollisee schrieb:
Immerhin scheint Schlewig-Holstein ein Musterknabe bei der Umsetzung der Barrierefreiheit zu sein, das Saarland und Thüringen hingegen sind die Schlusslichter.
Ausgewertet wurde durch die Allianz pro Schiene lediglich die Stufenfreiheit bei der Erreichbarkeit der Bahnsteige. Das ist mit Barrierefreiheit nicht gleichzusetzen!

Während die Allianz pro Schiene in ihrer Erläuterung darauf hinweist, hält das Möchtegern-Qualitätsmedium "Zeit Online" dieses nicht für nötig.

Allianz pro Schiene:
Diese Erhebung erfasst den Zugang zum Bahnsteig und prüft, wo dieser möglich ist, ohne Stufen überwinden zu müssen. Barrierefreiheit im umfassenden Sinne ist allerdings mehr als diese Stufenfreiheit. Für eine barrierefreie Zugfahrt im umfassenden Sinne muss die gesamte Reisekette so organisiert sein, dass alle mobilitätseingeschränkte Reisende wie Rollstuhlfahrer, Blinde oder Gehörlose den Zug allein benutzen können. Dazu liegen zwar keine aktuellen Daten vor. Aber auch hier sieht die Allianz pro Schiene trotz beachtlicher Fortschritte immer noch großen Handlungsbedarf.
Nach längerer Zeit des Lesens in den Foren ist der aktuelle Thread nun Anlass mich anzumelden und zu Wort zu melden.
Mein Blickwinkel ist subjektiv aus der Sicht eines Betroffenen (Sehbehinderung).
Nie waren Menschen mit Behinderungen so mobil wie heute, noch nie in diesem Maß auch eigenständig. Zugleich gibt es jedoch weiterhin großen Unterstützungsbedarf.
Seit nun 10 Jahren gibt es die UN-Behindertenrechtskonvention mit der grundsätzlichen Erklärung der Barrierefreiheit zum Menschenrecht. Dies ist eine neue Qualität, für alle Akteure eine riesige Herausforderung und für Betroffene ein riesiger Fortschritt.
Niemand stellt dies in Frage. Alle Akteure arbeiten an der Umsetzung, Schritt für Schritt. Dennoch passieren auch Fehler, gibt es halbherzige Umsetzungen und entstehen neue Barrieren (nicht immer bauliche). Zunächst bauliche Beispiele:
  • Erfurt Hbf (Bahnhof des Jahres 2009), Inbetriebnahme der Station vor Inkrafttreten der Neuregelungen (jedoch bereits mit deren Kenntnis!): Es wurde ein Blindenleitsystem mit den bekannten Rillen zur taktilen Wahrnehmung installiert – jedoch ohne jeden optischen Kontrast, sondern im gleichen Bodenmaterial. Weiterhin wurde in der Bahnsteighalle und an den Treppen ein Bodenbelag installiert, dessen Reibwert (Rutschfestigkeit) nur für trockene Innenräume geeignet ist. Unter der nur verkürzt realisierten Bahnsteighalle kommt es jedoch regelmäßig zu nassen und gelegentlich zu verschneiten Bahnsteigen und Treppen. Man hätte ein Material für Außenbereiche wählen müssen.

  • Den gordischen Knoten um die Bahnsteighöhen, religiöse Züge der Diskussion wurden benannt, vermag auch ich nicht zu lösen. Ein Beispiel nur: Nun wird in Abschnitten der Bahnhof Jena Göschwitz saniert. Bisher eine reine Nahverkehrsstation mit Umsteigerelationen. Zunächst wurden die Bahnsteige 4-6 mit 55cm realisiert. Dann ein Entwurf für die Bahnsteige 1-3 mit 76cm vorgelegt. Begründet mit der Planung IC einrichten zu wollen. Dadurch verlöre der Bahnhof seine Barrierefreiheit im Bezug auf den Nahverkehr für nur wenige IC. Zugleich ist ohnehin der Einsatz von IC2 mit Tiefeinstieg am Steuerwagen vorgesehen. Erst nach Intervention beim EBA konnte hier eine Umplanung auf 55cm erreicht werden um gewonnene Barrierefreiheit nicht wieder zu verlieren.

  • Bad Sulza, und viele andere Orte: Hier wurde bauliche Barrierefreiheit durch lange Rampen erreicht. Das spart die Betriebskosten der Aufzüge und ist auch weniger Fehleranfällig. Jedoch Rampen ohne jeden Wetterschutz (ohne Dach, weder am Bahnsteig noch an der Rampe) zu errichten ist doch fragwürdig. Das lockt doch nur spielende Kinder zur „Klennerbahn“, die haben jedoch auf Bahnsteigen nichts zu suchen.

  • Ein „nichtbaulicher“ Punkt ist mir jedoch besonders wichtig:
  • Vor einem Jahr erfolgte eine „Neuorganisation“ der Mobilitätszentralen. Dabei wurde das Angebot zunächst auf Züge der DB AG (Nah- und Fernverkehr) beschränkt. Jegliche Umsteigebeziehung zu einem anderen Anbieter hätte eine Anmeldung bei mehreren Betroffenen EVU mit eigenen Mobilitätszentralen erfordert. Eine organisatorische Katastrophe, da ja jedes EVU nur Personal am eigenen Fahrzeug (Bahnsteig) hat, also auf eine reine Ein-/Ausstiegshilfe reduzierte Leistung. Der Wechsel zwischen den Bahnsteigen wäre dann eigene Sache des Betroffenen gewesen. Zwischenzeitlich wurde das Problem durch Kooperationsvereinbarungen abgemildert. Fremde EVU zahlen an DB zur Nutzung der Mobilitätszentrale unter einer einheitlichen Rufnummer. Aus meiner Sicht wurde hier aus rein betriebswirtschaftlichen Erwägungen (Kostenstellenzuordnung) eine bestehende Struktur (mit halbwegs zufriedenstellender Organisation) zerstört. Daher meine Position, vor einem Jahr und heute. Es darf nicht zwischen Barrierefreiheit am Bau und im Service unterschieden werden (ggf. im Fahrzeug). Diese Sache gehört in die Hand des EIU nicht de EVU und ist grundsätzlich durch Stationsgebühren und nicht durch gesonderte Strukturen zu decken (Vorrang/Stärkung der Regelstruktur vor Schaffung von Sonderstrukturen!). Organisatorisch gehört die Mobilitätszentrale daher weiterhin in die 3S-Zentralen. Diese zentrale Stelle hat dann in der Koordinierung bei der Anmeldung einer Fahrt vorab zu klären, welche Hilfe durch Zugbegleiter ausreichend ist, oder ob an nicht besetzten Bahnhöfen (oder Reisezeiten) Personal von StuS nach vor Ort gesandt werden muss.

  • Soweit mein erster Beitrag. Ich freue mich auf sachliche Rückmeldungen. Viele Grüße aus Erfurt Stefan Schubert
    Tag!

    "In einigen Bundesländern ist mehr als ein Fünftel nicht barrierefrei."
    Typisch deutsch. Wie wäre es zu schrieben "in den meisten Bundesländern sind vier von fünf Stationen barrierefrei"?

    Natürlich sind 100% ein anzustrebender Wert. Aber wenn ich sehe, wo wir noch vor wenigen Jahren standen und was für ein gigantischer (mitunter ja sogar völlig übertriebener) Aufwand betrieben wurde, um den Schienenverkehr barrierefrei zugänglich zu machen, dann ziehe ich meinen Hut! Wie immer auch "barrierefrei" am Ende konkret definiert wird: Deutschland braucht sich da nun wirklich nicht zu verstecken. Selbst in vermeintlichen Musterländern wie in Österreich oder in Skandinavien sieht es da oftmals noch sehr viel trauriger aus.

    http://www.desiro.net/bilder/D-Reise2019-12.jpg
    Mattighofen 2019 (vor Schreck kippt das Bild gleich etwas nach links)

    Aber der Deutsche schüttelt eben so lange den Kopf, bis das Haar in die Suppe fällt. Und dann findet er es und beschwert sich.

    By the way: ob das Redaktionsgebäude der "Zeit" auch überall barrierefrei zugänglich ist?

    Gruß

    Heiko

    https://www.desiro.net/Signatur-Sommerzeit.jpg

    Volle Zustimmung! (o.w.T)

    geschrieben von: Pille

    Datum: 14.05.20 13:24

    (Dieser Beitrag enthält keinen Text)
    Hier auf der KBS 960 ist das ein Dauerbrenner. Eine Zeit lang war es Glückssache wenn in Weilheim mal zur selben Zeit alle drei Lifte gingen. Murnau, Garmisch und Mittenwald waren auch immer wieder wenn auch nicht so häufig betroffen.

    Die Feuerwehr in Weilheim hat eine Einsatzstatistik online, nach Personen im Aufzug gucken in den Jahren 2018 und 2019, es gibt am Bahnhofsplatz sonst keinen Aufzug:

    >>> Feuerwehr Weilheim <<<


    Mit freundlichen Grüßen vom km63.8 der Mittenwaldbahn!





    1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2020:05:14:13:33:44.

    Yeah! Ich wußte, dass du hier aktiv wirst!

    geschrieben von: ehemaliger Nutzer

    Datum: 14.05.20 13:37

    Hey.


    Der Zeuge Desiros schrieb:
    Natürlich sind 100% ein anzustrebender Wert. Aber wenn ich sehe, wo wir noch vor wenigen Jahren standen und was für ein gigantischer (mitunter ja sogar völlig übertriebener) Aufwand betrieben wurde, um den Schienenverkehr barrierefrei zugänglich zu machen, dann ziehe ich meinen Hut! Wie immer auch "barrierefrei" am Ende konkret definiert wird: Deutschland braucht sich da nun wirklich nicht zu verstecken. Selbst in vermeintlichen Musterländern wie in Österreich oder in Skandinavien sieht es da oftmals noch sehr viel trauriger aus.

    By the way: ob das Redaktionsgebäude der "Zeit" auch überall barrierefrei zugänglich ist?
    Nun war klar, dass du beim Thema Barrierefreiheit munter wirst ...

    Frage: wo ist der Aufwand VÖLLIG übertrieben? Teile deiner Antwort glaube ich aber zu kennen ;-)

    Meinung 1: dass es anderswo übler ist, sollte nicht der Maßstab sein. Irgendwie fehlte Albanien noch in der Auflistung. Richtig erwähnst du: wir sind auf gutem Weg! Richtig aber auch: es gibt noch genug zu tun.

    Meinung 2: der Vergleich mit dem Redaktionsgebäude der Zeit hinkt. Schließlich verlangt auch niemand, dass immer der GESAMTE Zug barrierefrei sein muss. Es reicht, dass die Serviceeinrichtungen barrierefrei sind. By the way: in welchem NV-Fahrzeug ist die 1. Klasse wenigstens teilweise barrierefrei? Im Dosto meist nicht, Dieseltriebwagen fällt mir auch grad keiner ein - spontan komme ich nur auf den QUIETSCHIE.

    Schöne Grüße von jörg
    ...wenn das Geld nicht reicht, um die Maßnahmen fristgerecht umzusetzen

    landet man entweder bei einer Überziehung der Frist
    oder fängt an Strecken stillzulegen.

    Was gewinnt man im letzteren Falle?
    Den gleichberechtigen Abbau. Klasse.

    Ein Link zu einem laufenden Debakel über die notwendige Erneuerung der Tram-Flotte im Land Brandenburg... [www.drehscheibe-online.de]

    Ziel seit Jahren auf der Agenda aber immer wieder auf Messers Schneide:
    Geld für neue Züge - woher nehmen wenn nicht stehlen
    Ausschreibungen korrekt abwickeln - Klagen inklusive
    Zeitplan der Inklusion - Handlungsdruck rechtzeitig aufbauen zum Einhalten der Frist.

    An wie vielen Stellen in Europa endet all dies in der Stilllegung, wenn es schon in Deutschland eine jahrelange Hängepartie ist?

    Kein Grund zu polemisieren

    geschrieben von: Der Zeuge Desiros

    Datum: 14.05.20 13:59

    Hallo Jörg!

    "Nun war klar, dass du beim Thema Barrierefreiheit munter wirst …"
    Ja, denn ich sehe die Erfolge der vergangenen Jahre, die da erreicht wurden.

    "Frage: wo ist der Aufwand VÖLLIG übertrieben? Teile deiner Antwort glaube ich aber zu kennen ;-)"
    Im besten Falle dort, wo Maßnahmen nicht umgesetzt werden, weil die Forderungen überzogen und damit unbezahlbar werden.
    Ich habe ja schon ein anderes Mal von einer Station in Preußen berichtet. Die sollte einen zusätzlichen Hinterausgang zu einem oberhalb gelegenen Wohngebiet erhalten. Der würde aber nur genehmigt werden, wenn er barrierefrei errichtet würde - aufgrund der Topografie unbezahlbar! Ergebnis: alles bleibt wie es ist, auch die 99% der "gesunden" Bewohner des Wohngebietes haben keinen Vorteil. Die Behinderten übrigens auch nicht: die bestehende Unterführung wird jetzt auch niemand anfassen... Das ist nur eines von vielen Beispielen aus der Praxis.

    Meinung 1: dass es anderswo übler ist, sollte nicht der Maßstab sein. Irgendwie fehlte Albanien noch in der Auflistung. Richtig erwähnst du: wir sind auf gutem Weg! Richtig aber auch: es gibt noch genug zu tun.
    ...und genau deshalb habe ich als Vergleich explizit Österreich oder Skandinavien genannt und eben nicht Albanien (da fährt momentan m.W. eh kein Reisezug).

    "Meinung 2: der Vergleich mit dem Redaktionsgebäude der Zeit hinkt."
    Meinetwegen formuliere ich meine Frage um: Ist das Redaktionsgebäude der Zeit barrierefrei zu erreichen? Ohne Stufen und schwellen, mit Blindenleitstreifen?

    "Schließlich verlangt auch niemand, dass immer der GESAMTE Zug barrierefrei sein muss"
    Doch, auch diese Forderungen werden immer wieder gestellt! Inzwischen werden ja sogar Stufen im Zug als Teufelswerk geschmäht, selbst wenn Toilette & Co. erreichbar sind. Krank, aber leider Realität. Womit wir wieder bei den übertriebenen Forderungen sind.

    Gruß zurück

    Heiko

    https://www.desiro.net/Signatur-Sommerzeit.jpg
    Um Barrierefreiheit sicherzustellen, gehört dann auch auf jedem Bahnhof mit Aufzügen die 24-stündige Polizeistreife, die selbige vor Vandalismus schützt. Die Eingreif- und Reparaturzeiten bei Vandalismus werden aus unterschiedlichen Gründen niemals den Wünschen der Betroffenen gerecht werden können.


    Gruß
    Detlev

    Re: Stellt das viele Licht nicht unter den Scheffel!

    geschrieben von: tbk

    Datum: 14.05.20 15:30

    Der Zeuge Desiros schrieb:

    Mattighofen 2019 (vor Schreck kippt das Bild gleich etwas nach links)

    Da denke ich gleich an einige fuzzis hier, denen bei solchen bahnhöfen einer abgeht, sie seien noch nicht "kaputtmodernisiert" .... als ob es die aufgabe von bahnhöfen wäre, den nostalgikern die atmosphäre von vor hundert jahren zu bieten.
    Wir sollten die hauptfunktion von bahnhöfen nicht vergessen, aus fahrgastsicht möglichst angenehme, sichere und übersichtliche voraussetzungen zu bieten, auf ihren zug zu warten, zu diesem zu kommen, auf möglichst kurzem weg von einem zug zum anderen umzusteigen, und die grundbedürfnisse des lebens (fahrkarten, durst, WC) auch befriedigen zu können. Bahnsteige auf richtiger höhe sind ein element dafür.

    mit den allerbesten grüßen aus der Obersteiermark, tobias

    Korrespondenz bitte per e-mail, nicht über "Private Nachrichten" - das wird sonst viel zu schnell voll!

    Bei der fülle des zu verarbeitenden materials sind trotz sorgfältiger bearbeitung vereinzelte tippfehler oder kleinere unstimmigkeiten nicht immer vermeidbar. Eine rechtliche gewähr für die richtigkeit des inhalts dieses beitrages kann daher nicht übernommen werden.
    Quadratschädel schrieb:
    Um Barrierefreiheit sicherzustellen, gehört dann auch auf jedem Bahnhof mit Aufzügen die 24-stündige Polizeistreife, die selbige vor Vandalismus schützt. Die Eingreif- und Reparaturzeiten bei Vandalismus werden aus unterschiedlichen Gründen niemals den Wünschen der Betroffenen gerecht werden können.
    Eine Videoüberwachung im Lift und die Möglichkeit aus einer Überwachungszentrale in den Lift sprechen zu können und auch mal die Türen zwangsschließen zu können aus der Ferne würden oft schon reichen. Ich hab es selbst schon gesehen wie alleine ein dahinschwebendes Papiertaschentuch die Lichtschranke blockiert hat und der Lift entsprechend nicht nach unten fuhr. Dazu ein Vertrag mit einem 24 Stunden Aufzugnotdienst der bei Bedarf sofort kommt.

    Mit freundlichen Grüßen vom km63.8 der Mittenwaldbahn!

    InterRailer26+ schrieb:
    ...wenn das Geld nicht reicht, um die Maßnahmen fristgerecht umzusetzen

    landet man entweder bei einer Überziehung der Frist
    oder fängt an Strecken stillzulegen.

    [...]

    An wie vielen Stellen in Europa endet all dies in der Stilllegung, wenn es schon in Deutschland eine jahrelange Hängepartie ist?
    Bitte hier nicht diverse Dinge zusammenschmeißen.

    1) Basis für die Grundanforderung "Barriereifreiheit" ist die UN-Behindertenrechtskonvention. Europa kannst Du bei der Betrachtung erstmal rauslassen.
    2) Meinst Du mit "Frist" den einschlägigen Termin 1.1.2022? Dieser bezieht sich a) auf das PBefG - also gerade NICHT auf die Eisenbahn und b) auf die Verpflichtung der Zielberücksichtigung in den Nahverkehrsplänen. Dass zum 1.1.2022 im Rechtsrahmen PBefG (=Bus+Straßenbahn) in der Realität nicht alles barrierefrei sein wird, ist klar. Es muss aber klar dargestellt werden, wie das Ziel erreicht werden soll.

    Festhalten lassen sich aktuell zwei Dinge. Zum einen muss der barrierefreie Ausbau des ÖPV zügig fortgeführt bzw. vielerorts deutlich intensiviert werden. Zum anderen gibt es aber keinerlei Kausalzuhammenhang zwischen fehlender Barrierefreiheit und der Notwendigkeit von Stilllegungen von Eisenbahnanlagen (bzw. der Einstellung von PBefG-Verkehren)! Auch nicht zum 1.1.2022.



    2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2020:05:14:16:12:47.

    Kein Grund das Problem herunterzuspielen

    geschrieben von: MD 612

    Datum: 14.05.20 17:04

    Der Zeuge Desiros schrieb:
    Ja, denn ich sehe die Erfolge der vergangenen Jahre, die da erreicht wurden.
    Es gibt aber eben auch noch viel zu tun. Wenn eine Zeitung einen Artikel dazu veröffentlichen will, dann ist es eben besser darauf hinzuweisen, was noch zu tun ist anstatt in Lobhudelei zu verfallen, was schon erreicht wurde. Da passt die Überschrift eben besser, wenn sie darstellt, was noch fehlt und nicht, was schon geschafft wurde. Ich glaube, sowas nennt man kritischen Journalismus...

    Der Zeuge Desiros schrieb:
    Ich habe ja schon ein anderes Mal von einer Station in Preußen berichtet.
    Ein Einzelbeislpiel wird sich immer finden. Aber vielfach fehlt es an einfachen und bezahlbaren Dingen. Das beschrieben Beispiel mit den Blindenleitstreifen und dem hübsch aussehenden, aber nicht rutschsicheren Bodenbelag in Erfurt ist eines davon. Wobei das mit dem Bodenbelag nicht nur in Erfurt so ist. Geplant von Architekten, um schön auszusehen, aber nicht mit Praktikern und Nutzern abgestimmt, um zu funktionieren. Das hätte man mit gleichem Kostenaufwand auch gleich richtig machen können. So steht die Frage der kostenintensiven Nachbesserung im Raum.

    Der Zeuge Desiros schrieb:
    Die sollte einen zusätzlichen Hinterausgang zu einem oberhalb gelegenen Wohngebiet erhalten. Der würde aber nur genehmigt werden, wenn er barrierefrei errichtet würde - aufgrund der Topografie unbezahlbar! [...] die bestehende Unterführung wird jetzt auch niemand anfassen.
    Was wäre Deine Präferenz?? Den zusätzlichen Zugang einfach bauen (bei der Topographie wahrscheinlich auch sauteuer) und die mobilitätseingeschränkten Mitbürger, Radfahrerr und Kinderwagenschieber kommen die nächsten fuffzich Jahre nicht auf den Bahnsteig?? Zweiten Zugang bauen und dann später den Tunnel ebenso teuer neu bauen und Aufzug nachrüsten?? Oder vielleicht doch gleich die naheliegende Lösung wählen und den zweiten Zugang barrierefreundlich bauen?? Ich wäre für einmal richtig viel Geld ausgeben anstatt zwei Mal nur Geld ausgeben und das Problem ist gelöst. Und zwar im Sinne aller Nutzer. Selbst Dein Sohn, den wir hier schon oft bildlich bewundern konnten, könnte wie sein Papa sein Fahrrad dann einfach auf den Bahnsteig und zum hoffentlich barrierefreien Zug bringen...

    Der Zeuge Desiros schrieb:
    Ist das Redaktionsgebäude der Zeit barrierefrei zu erreichen? Ohne Stufen und schwellen, mit Blindenleitstreifen?
    Was tut das hier zur Sache?? Darf sich eine Zeitung erst dann zum Thema äußern, wenn sie selbst als leuchtendes Beispiel vorangeht?? Oder ist es nicht doch eine Aufgabe der Presse auf Missstände hinzuweisen, und zwar auch dann, wenn beim Thema schon Erfolge zu verzeichnen sind??

    Gruß Peter

    Der vernünftige Genuss der Gegenwart ist die einzig vernünftige Sorge für die Zukunft.
    Ludwig Feuerbach (1804–1872), deutscher Philosoph
    @ Hauptmann Mumm

    Erstmal vielen Dank für die Hinweise und Erläuterungen!
    Das die Eisenbahn nicht von der geforderten Barrierefreiheit des PBefG betroffen ist - überraschend. Aber okay. Bahn und Straßenbahn sind nicht nur zwei verschiedene Foren ;-) das ist bekannt. Ich freu mich dennoch über das Karlsruher Modell - aber hier nicht das Thema!
    Gut zu wissen, dass der 1.1.2022 keine Deadline für die Betriebserlaubnis ist! Das wäre an einigen Stellen auch gar nicht mehr zu schaffen (s.o.).

    ZitatZitat:
    Festhalten lassen sich aktuell zwei Dinge. Zum einen muss der barrierefreie Ausbau des ÖPV zügig fortgeführt bzw. vielerorts deutlich intensiviert werden. Zum anderen gibt es aber keinerlei Kausalzuhammenhang zwischen fehlender Barrierefreiheit und der Notwendigkeit von Stilllegungen von Eisenbahnanlagen (bzw. der Einstellung von PBefG-Verkehren)! Auch nicht zum 1.1.2022.
    So sehr ich mir wünsche, dass Du da Recht hast:

    Wenn investiert werden muss, aber kein Geld da ist, wenn es sich womöglich noch um ein ungeliebtes Kind handelt, welches nur noch Bestandschutz genießt, dann kann das schon Konsquenzen haben. Der fehlende kausale Zusammenhang ist dann eher eine juristische Betrachtung mit etwas Abstand zum weiteren Lauf der Dinge.

    Ich will dieses Thema auf keinen Fall auf dem Rücken der Inklusion oder UN-Barrierefreiheit diskutieren - egal ob betagt, mit Rad, Kinderwagen, gerade mit Gips oder Zugverspätung unterwegs - ein ebenerdig-leichter Zugang hat Vorteile für alle! Auch ohne vorhandenen Kausal-Zusammenhang kann man die Konsequenz an vielen anderen Stellen beobachten.

    Egal welche der Kriterien man fordert...
    - 100% Elektrifizierung
    - Umstellung auf Normalspur
    - Erhöhung des Standards für: max. Achslasten, Signalsysteme, max. Zuglänge
    ...oft gibt es am Ende neben der Zielsetzung die befürchteten Nebeneffekte.
    Dazu wird auch in diesem Portal hin & wieder die Einführung eines 2. Standards diskutiert [ohne link verbleibend - sorry].

    Hoffen wir das Beste - vor allem ohne Stilllegungen!
    InterRailer26+



    2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2020:05:15:02:42:26.

    Eine Funzel ist bei Neumond auch ein Licht...

    geschrieben von: bollisee

    Datum: 15.05.20 02:21

    Der Zeuge Desiros schrieb:
    Tag!

    "In einigen Bundesländern ist mehr als ein Fünftel nicht barrierefrei."
    Typisch deutsch. Wie wäre es zu schrieben "in den meisten Bundesländern sind vier von fünf Stationen barrierefrei"?

    Natürlich sind 100% ein anzustrebender Wert. Aber wenn ich sehe, wo wir noch vor wenigen Jahren standen und was für ein gigantischer (mitunter ja sogar völlig übertriebener) Aufwand betrieben wurde, um den Schienenverkehr barrierefrei zugänglich zu machen, dann ziehe ich meinen Hut! Wie immer auch "barrierefrei" am Ende konkret definiert wird: Deutschland braucht sich da nun wirklich nicht zu verstecken. Selbst in vermeintlichen Musterländern wie in Österreich oder in Skandinavien sieht es da oftmals noch sehr viel trauriger aus.

    [www.desiro.net]
    Mattighofen 2019 (vor Schreck kippt das Bild gleich etwas nach links)

    Aber der Deutsche schüttelt eben so lange den Kopf, bis das Haar in die Suppe fällt. Und dann findet er es und beschwert sich.
    Nun, Du kennst aber auch die Beispiele, wie lange es ging. Wenn nicht, mal kurz auf die Sprünge geholfen:
    2005 kam unter großem Beifall der neue Seehas mit Flirt an den Bodensee. Tolle Züge sehr bequem, sehr pünktlich und großer Anklang bei der Bevölkerung, sogar so groß, dass statt einer Ausschreibung eine Verlängerung des Vertrags gemacht wurde. Nur seine Strecke konnte keinesfalls Schritt halten. 55 cm Einstiegshöhe ohne Trittstufen passte einfach in den meisten Fällen gar nicht. Mal stieg man in die Wiese aus, mal vermutete man die Bahnsteigkante aus der Zeit der großherzoglich badischen Staatsbahn. Auch ein Bild dazu:

    https://igschieneschweiz.startbilder.de/1200/sbb-standard-meets-db-standard-durch-einen-545836.jpg

    13 cm offizielle Bahnsteighöhe, da dürfte so manch eine Oma in Böhringen-Rickelshausen über 13 Jahre weniger elegant als im Beispiel ausgestiegen sein... Ich weiß jetzt nicht so ganz, ob man die Einlösung eines Versprechens mit 13 Jahren Verspätung als Licht bezeichnen kann. Immerhin ist dieser Zug gegenüber den Bautrupps im Auftrag der DB deutlich pünklicher...

    Oder wenn Dich das noch nicht überzeugt... Schienenersatzverkehr Albbruck-Säckingen, kam in letzter Zeit häufiger vor. Da hat man es nicht geschafft, den Zug am Inselbahnsteig halten zu lassen, statt auf Gleis 1. Ironie der Geschichte, in Albbruck ist die Brücke über den Bahnhof behindertengerecht, aber der Zugang zum Inselbahnsteig ist es nicht. Dabei ist die Brücke neueren Datums, sogar für die Elektrifizierung vorbereitet. Keine Heldentat... Da dürfen sich mobilitätseingeschränkte Reisende schon auf jahrelange Freuden bei der Elektrifizierung einstellen. Der Hochrhein als Behindertenfeind. Wird noch lange gehen, bis hier das Licht angeht...

    Oder wenn Dich das noch nicht überzeugt. In Singen wurden die Aufzüge erneuert. Das Ausbauen ging schnell, aber dann waren die Bahnsteige 8 Monate ohne Aufzug, was eine peinliche Panne. Pech für die Rollifahrer... Umsteigen Fehlanzeige. Das ist die Realität. 80 Prozent Reisen ist halt immer noch nicht angekommen...

    Nun ja... immerhin passiert in BW unter Hermanns Ägidie endlich echter Fortschritt, weitaus mehr als in der Zeit der leeren Versprechen davor... Dennoch dürfte jeder Lokalpolitiker ein Lied des Leides singen können, insbesondere wie die Bahn selbst alles ausbremst.

    Ausbremsen durch die Bahn

    geschrieben von: fb1996

    Datum: 15.05.20 10:02

    bollisee schrieb:
    Dennoch dürfte jeder Lokalpolitiker ein Lied des Leides singen können, insbesondere wie die Bahn selbst alles ausbremst.

    Ein (unrühmliches) Beispiel an dieser Stelle: Friedrichshafen Stadt

    Re: Kein Grund das Problem herunterzuspielen

    geschrieben von: bauigel

    Datum: 15.05.20 11:59

    MD 612 schrieb:
    Oder vielleicht doch gleich die naheliegende Lösung wählen und den zweiten Zugang barrierefreundlich bauen??
    Netter Begriff, den du da erfunden hast, den gibt es aber nicht...

    Es gibt nur barrierefrei oder nicht barrierefrei - und letzteres ist eben pfui bäh, erst recht, wenn es die DB baut.
    Zumal man sich da ganz schnell verheddert. Wenn ein barrierefreier Zugang vorhanden ist, ist ein aufwendiger zweiter barrierefreier Zugang selten zuwendungsfähig. Und wenn der Zuschuss mit der Begründung "Station ist bereits barrierefrei zugänglich, Maßnahme mangels Notwendigkeit nicht zuwendungsfähig" abgelehnt wird, sind sämtliche anderen Finanzierungsmöglichkeiten mitgestorben. Für eine teure Maßnahme, die amtlicherseits als nicht notwendig deklariert wurde, Geld des Wirtschaftsunternehmens DB (egal ob Netz oder Station&Service) ausgeben? Für den unterschreibenden nicht ganz ungefährlich... Für eine nicht notwendige Maßnahme viel Geld bei anderen einsammeln? Schwierig...

    @Heiko:
    Ich hätte einen Lösungsansatz aus einem ähnlichen Fall. Wenn durch die zwei Zugänge eine "innerörtliche Fußwegeverbindung" entsteht, kann man es so verkaufen, dass es formal kein Bahnsteigzugang ist - und plötzlich tut die fehlende Barrierefreiheit nicht mehr so weh. Es muss dann aber die Kommune anstelle der DB als Bauherr auftreten und eine geschickt formulierte Finanzierungs- und Baudurchführungsvereinbarung zwischen DB und Kommune abgeschlossen werden. Wir planen gerade in so einer Konstellation - eventuell soll als Zugeständnis die optionale Nachrüstung eines Aufzugs planerisch vorgesehen werden (Entscheidung dazu steht aber noch aus...)
    Hallo Stefan, vielen Dank für den sachlichen und nicht nur theoretischen Bericht. Sicher würden einige Diskussionen anders geführt, wenn Du und andere Betroffene ihre Sicht auf die Dinge beitragen würden. Schön, dass Du Dir ein Herz gefasst hast... ;-)