Vor einiger Zeit hatten wir hier [
www.drehscheibe-foren.de] schon mal diskutiert, inwieweit Fernpendler die BahnCard 100 First (aktueller Preis 6.690 Euro) als Werbungskosten bei der Einkommensteuer geltend machen können.
Dazu zunächst den Hintergrund:
1. Grundsätzlich können Arbeitnehmer (ungeachtet der tatsächlich entstandenen Kosten) je Arbeitstag eine Entfernungspauschale in Höhe von 0,30 EUR/km Straßenentfernung Wohnort-Arbeitsort geltend machen (§ 9 Absatz 4 Nummer 4 Satz 2 EStG).
2. Wenn der Weg nicht mittels Kraftwagen zurückgelegt wird, ist die Entfernungspauschale auf 4.500 EUR/Jahr begrenzt (§ 9 Absatz 4 Nummer 4 Satz 2 EStG). Diese Grenze macht sich bei den üblichen 230 Arbeitstagen ab 66 km bemerkbar und betrifft fast ausschließlich Bahnpendler (denn nur wenige Steuerpflichtige dürften eine solche Entfernung ganzjährig per Bus, Straßenbahn, Motorrad, Motorroller, Moped, Fahrrad oder zu Fuß zurücklegen).
3. Sind die tatsächlichen Kosten für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel allerdings höher als die Entfernungspauschale, können die tatsächlichen Aufwendungen angesetzt werden (§ 9 Absatz 2 Satz 2). Das Schreiben IV C 5 - S 2351/09/10002 des BMF vom 01.09.2005 stellt in Punkt 1.3. klar, dass dann auch die Obergrenze von 4.500 Euro/Jahr
nicht gilt. Heißt im Klartext: Kosten die Fahrkarten Wohnort-Arbeitsort mehr als 4.500 Euro/Jahr können diese Kosten voll angesetzt werden.
Nun dürfte es bei Benutzung der 2.Klasse dank der BahnCard 100 (Preis derzeit 3.990 Euro) und ihrer Gültigkeit in zahlreichen städtischen Verkehrsmitteln und Regionalbussen nur wenige Fälle geben, in denen überhaupt Kosten dieser Größenordnung anfallen. Lediglich wenn jemand zusätzlich zur Bahn eine längere Busstrecke befährt, auf der die BahnCard 100 nicht gilt oder wenn jemand ungünstige Konditionen wählt (Kauf von Monatskarten statt Jahreskarten, BahnCard 100 in monatlicher Zahlweise etc.), ist es überhaupt möglich, diese Grenze von 4.500 Euro zu überschreiten.
Von daher hatte diese Regelung -so zumindest meine bisherige Auffassung- ihre überwiegende Relevanz bei Fahrgästen der 1.Klasse. Diese kommen auch schon mit Streckenzeitkarten oft über die Marke von 4.500 Euro im Jahr und können diese Kosten dann geltend machen.
Vor diesem Hintergrund wirkt das Urteil des Finanzgerichtes Nürnberg Az 4 K 258/10 vom 11.08.2011, das von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wurde (auch in diesem Forum nicht, korrigiert mich bitte, wenn ich falsch liege), überraschend:
Dort wurde entschieden, dass eine BahnCard 100 First eben nicht in voller Höhe von der Steuer abgesetzt werden kann, sondern nur die Entfernungspauschale in Höhe von 4.500 Euro. Sinngemäße Begründung: Die Begrenzung auf 4.500 Euro/Jahr ist nicht verfassungswidrig und gilt für Fahrgäste 1. und 2.Klasse gleichermaßen. Auf den Passus, dass bei tatsächlich höheren Aufwendungen diese Grenze eben nicht gilt, geht das Urteil gar nicht ein, zumindest nicht in den frei verfügbaren Zusammenfassungen (der Volltext ist nur kostenpflichtig zu erwerben). Lest selbst:
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www.haufe.de]
[
www.valuenet.de]
[
www.rheinpfalz.de]
Ich kann mir das nur so erklären, dass der Kläger sich eben gar nicht darauf berief, sondern stattdessen argumentierte, dass die Kappungsgrenze für die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel von 4.500 EUR für 1. Klasse-Passagiere um einen 1. Klasse-Zuschlag von 160 % (= 7.200 EUR) zu erhöhen sei. Das ist natürlich Unsinn und wurde zu Recht abgewiesen. Was aber meiner Meinung nach nichts daran ändert, dass 1.Klasse-Fahrkarten -und dazu zählt (in dem Moment wo sie billiger ist als die entsprechende Zeitkarte) auch die BahnCard 100 First- in voller Höhe abgesetzt werden können.
Ein bisschen mehr Licht ins Dunkle bringen diese beiden Links:
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www.derdienstwagen.de]
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www.lmat.de]
Demnach hatte der Steuerpflichtige gar keine tatsächlichen Aufwendungen von mehr als 4.500 Euro und demzufolge hatte er auch keine BahnCard 100 First, sondern er wollte einfach nur weil er 1.Klasse fuhr, Kosten bis zu 7.200 Euro absetzen ohne diese tatsächlich gehabt zu haben. Im zweiten Link steht: "Da Tickets für die 1. Klasse meist teurer sind, muss bei diesen der Nachweis über den tatsächlichen Preis geführt werden, um auch Beträge ab 4.500 € absetzen zu können. Das ist aber hinnehmbar, denn es liegt in der Natur der Sache, dass sich Pauschalregelungen bei verschiedenen Personen unterschiedlich günstig auswirken. (FG Nürnberg, Urteil vom 11.08.2011; Az.: 4 K 258/10)"
Das bedeutet dann aber auch, dass die vielen Artikel, die in Zusammenhang mit diesem Urteil in den letzten Tagen (deshalb poste ich im News-Forum) erschienen sind, eine falsche Aussage treffen, indem sie behaupten, die Kosten der BahnCard 100 First können nur bis zu einer Grenze von 4.500 Euro als Werbungskosten geltend gemacht werden. Diese Aussage wurde inzwischen auch schon bei Wikipedia übernommen. Dort steht im Artikel BahnCard unter 2.3.2 Steuerliches & Datenschutz: "Die BahnCard 100 der 1. Klasse kann im Umfang von bis zu 4500 Euro als Werbungskosten angesetzt werden."
Über eine Diskussion mit Betroffenen und Interessierten würde ich mich freuen, auch über Erfahrungen mit dem Finanzamt.
Bitte keine Beiträge à la "Entfernungspauschale und/oder 1.Klasse gehören abgeschafft" o.ä. Das mag ja alles ein, ist aber jetzt hier nicht das Thema. Danke!