DREHSCHEIBE-Online 

Anzeige

HIER KLICKEN!

 10 - Wagen-Forum 

  Neu bei Drehscheibe Online? Hier registrieren! Zum Ausprobieren und Üben bitte das Testforum aufsuchen!
Das Wagen-Forum ist Bestandteil des Angebotes von www.revisionsdaten.de im Verbund von www.drehscheibe-online.de. Bitte auch Revisionsdaten von Wagen in diesem Forum unterbringen.
Moderatoren: allgäubahn - MWF

LBE-Salonwagen(kasten) wiederentdeckt

geschrieben von: windbergbahn

Datum: 14.11.15 15:48

Im neuen EK habe ich schon über meinen Wagenfund berichtet, bei dem es sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um den Kasten des 3-achsigen Salonwagens der LBE (LBE 3), gebaut 1889 in Görlitz, handelt.
Da der EK der Meldung keine Fotos beigefügt hat, möchte ich dies hier nachholen und füge zur weiteren Verdeutlichung zwei vor wenigen Wochen aufgenommene Fotos des Wagens sowie die LBE-Wagenzeichnung bei.

http://up.picr.de/23704996bx.jpg

http://up.picr.de/23704997qj.jpg

http://up.picr.de/23704998bf.jpg

Interessant ist die Bemerkung „Umbau 1906 in Gotha“, da der Herzog von Coburg (Sachsen-Coburg-Gotha) ein zumindest baugleiches Fahrzeug desselben Herstellers und Baujahres besaß („Erfurt 10“), von dem er sich um 1910, zugunsten eines Neubaufahrzeuges trennte. Die Ähnlichkeit mit dem LBE-Salonwagen ist frappierend und legt den Verdacht nahe, dass es sich um ein und dasselbe Fahrzeug handelt. Dies kann jedoch zz. weder mit allerletzter Sicherheit bewiesen noch ausgeschlossen werden, da die Literaturangaben sich widersprechen: Dost führt in seiner Lieferliste im Buch „Der rote Teppich“ lediglich den Erfurt 10 auf und erwähnt den LBE-Wagen mit keiner Silbe. Dagegen werden im EK-Buch „160 Jahre Waggonbau in Görlitz“ beide Wagen genannt.

http://up.picr.de/23704999oy.jpg

Ein Telefonat mit dem heutigen Eigentümer ergab, dass der LBE-Wagen sich seit etwa 1936 im Besitz seiner Familie befindet. Dies unterstreicht auch meine Feststellung, dass der Wagen in den LBE-Reisezugwagen-Umzeichnungslisten der Reichsbahn nicht mehr auftaucht. Nach dem Verlust der Reichsfreiheit der Hansestadt Lübeck 1936 und erst recht nach der Verstaatlichung der LBE 1938 bestand sicher kein Bedarf mehr an einem eigenen Lübecker Salonwagen, so dass er wohl kurzerhand verkauft wurde.
Auch scheint der heutige Zustand relativ gut zu sein, wie Klaus Busse (unser „Preußenklaus“) angesichts der über dem Salon kaum eingefallenen Dachlinie vermutete und dies mit den im Salonwagenbau eingesetzten hochwertigsten Hölzern begründete. Wie der Besitzer bestätigte, besitzt der 10x3 Meter große Wagenkasten noch Teile der originalen Inneneinrichtung und ruht auf einem Fundament.
Wie mir der Eigentümer bestätigte, würde er sich von dem Wagenkasten trennen, wenn er in gute, verlässliche Hände käme. Die Zufahrt zum Grundstück und direkt zum Wagenkasten scheint auch für schwereres Gerät (Tieflader) von einer naheliegenden Straße aus möglich zu sein, so dass eine Bergung wohl kein allzu großes Hindernis darstellen würde.
Leider scheint weder das Landesdenkmalamt Kiel noch das für seine Sammlung Lübecker Zimmer berühmte St. Annen Museum in Lübeck Interesse an dieser Art „Salon“ zu besitzen. Trotz sofortiger Information herrscht dort bis heute das „Schweigen im Walde“, was sicher anders gewesen wäre, hätte ich den Bug einer Hansekogge entdeckt.
Aber den kundigen Umgang mit Technikhistorie müssen klassisch ausgebildete Landeskonservatoren und Archäologen wohl auch erst noch lernen…
Wegen des damit dokumentierten Desinteresses der offiziellen Stellen sehe ich auch nicht ein, mit meinem Wissen weiter hinter dem Berg zu halten und rufe zur Rettung dieses raren Schatzes auf. Sollte es also im musealen oder museumsbahnerischen Umfeld ernsthafte Interessenten an einer Befundung und ggf. anschließenden Bergung geben, möge man sich mit mir zeitnah in Verbindung setzen.
Meine eMail: windberg.hans-joerg@gmx.de
Dr. Jörg Windberg (windbergbahn)

Re: LBE-Salonwagen(kasten) wiederentdeckt

geschrieben von: Jens N.

Datum: 14.11.15 16:49

Hallo Jörg,

sehr interessante Nachricht und vielen Dank für Deinen Bericht!

Auch nach meinen Recherchen sind die Wagen LBE 3 (Wolfgang Theurich gibt für ihn übrigens die Nummer 1 an) und Erfurt 10 mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit identisch. Der letzte Beweis fehlt (mir) aber noch. Bei der KED Erfurt wurde der Wagen zu einem unbekannten Zeitpunkt vor 1906 in Erfurt 410 umgezeichnet. Dieser Wagen wurde zwischen dem 1. April 1906 und dem 31. März 1907 aus dem Bestand der Hofwagen gestrichen. Unterhaltungswerkstatt war zu diesem Zeitpunkt Gotha. Ein Umbau des Wagens in Gotha - egal ob für eine Nutzung im öffentlichen Verkehr oder für einen Verkauf - wäre damit zumindest plausibel. Ebenso erscheint ein Ankauf durch die LBE möglich. Es wäre nicht der erste gebraucht gekaufte Wagen der Gesellschaft.

Die Erstausgabe des LBE-Wagenparkverzeichnisses, Ausgabe vom 31.03.1910, enthält den Wagen m. W. bereits. Und zwar inkl. der Bemerkung zum Umbau in Gotha. Er blieb mindestens bis 1929 als Salonwagen im Bestand. Spätere Ergänzungen des Wagenparkverzeichnisses konnte ich bis dato noch nicht einsehen.
Der Wagen taucht 1938 in einer Aufstellung der LBE-Personen- und Bahndienstwagen, die von der Rbd Schwerin zu übernehmen seien, auf. Möglicherweise handelt es sich dabei jedoch um eine Verwechslung, da der nachweislich von der Rbd Schwerin übernommene Salon-/Revisionswagen 5513 (-> 10 384") in dieser Liste nicht enthalten ist. So oder so ist aber davon auszugehen, dass sich der Wagen No. 3 zu diesem Zeitpunkt nicht mehr im aktiven Bestand befand. Ein Verkauf erscheint daher möglich, vielleicht auch schon im Jahr 1936.

An Infos zum weiteren Verlauf Deiner Bemühungen wäre ich sehr interessiert! Zu meinem Bedauern kenne ich aktuell niemanden, der den Wagen (sinnvoll) in seine Obhut übernehmen könnte.

Viele Grüße
Jens (www.drg-salonwagen.eu)



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2015:11:14:20:32:11.

Re: LBE-Salonwagen(kasten) wiederentdeckt

geschrieben von: steilstrecke

Datum: 15.11.15 07:01

Hallo Jörg
Super Entdeckung die du da gemacht hast und ich wünsche Dir das sich jemand findet der diesen Schatz heben wird.
Gruß aus Essen von Andreas

werkfoto Salonwagen Erfurt 10

geschrieben von: Lalu

Datum: 15.11.15 13:49

Hallo,

ein Werkfoto des Salonwagen der Coburger Herzöge ist unter folgendem Link ersichtlich:

[www.initiative-stadtmuseum-coburg.de]

Als weiteren Ansatz zur Klärung des Wagenverbleibs dürfte das Staatsarchiv Coburg dienen. Hier sind noch umfangreiche Bestände aus der Zeit des Herzogtumes vorhanden.

Grüße,
Lalu



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2015:11:15:13:50:11.

Re: LBE-Salonwagen(kasten) wiederentdeckt

geschrieben von: Hardy Köhler

Datum: 15.11.15 14:28

Hallo zusammen,

wenn ich die Maße auf den beiden Zeichnungen vergleiche,kann ich mir kaum vorstellen, dass der Umbau in Gotha aus dem oben abgebildeten Waggon den unten dargestellten gemacht hat. Ein Umbau wäre sicherlich nur im Aufbau erfolgt. Dass man aber den Gesamtachsstand um 1 m verringert hat erscheint mir eher unwahrscheinlich. Klar, könnte die Reibung in Kurven verringern, aber der Komfort hätte doch sicher etwas gelitten.

Wenn die beiden abgebildeten Waggons also nicht identisch sind, würde ein Blick ins innere mit "...noch Teile(n) der originalen Inneneinrichtung..." sicher die unterschiedliche Aufteilung erkennen lassen. Mein Gefühl lässt mich eher auf den Wagen 10 tippen.

In jedem Fall ein interessanter und erhaltenswerter Fund.
Hoffentlich findet sich jemand, der das Teil rettet.

Viele Grüße,
Hardy aus Nordfriesland

Re: LBE-Salonwagen(kasten) wiederentdeckt

geschrieben von: Dennis Mellerowitz

Datum: 15.11.15 14:45

Hallo Jörg,

vielen Dank für die Nachricht über diesen interessanten Fund!

Schön, dass der Eigentümer den historischen Wert selbst erkennt und bereit ist, den Wagenkasten abzugeben, ohne dabei Zeitdruck zu machen. Ist der Rahmen noch unter dem Fahrzeug? Ansonsten dürfte ein zerstörungsfreies Anheben des Wagenkastens nach 80 Jahren sehr schwierig werden.

Mal die IG-Wagen ([www.ig-wagen.de]) kontaktiert? Wenn der Wagen wirklich Bezug nach Thüringen haben sollte, wäre er vielleicht was für die IG Hirzbergbahn. Entscheidend für den nachhaltigen Erhalt dieses historisch äußerst wertvollen Wagens ist dabei nicht etwa eine Perspektive auf eine (betriebsfähige) Restauration, sondern eine sichere, langfristige Konservierung der Originalsubstanz unter Dach. Da sehe ich gegenwärtig im norddeutschen Raum niemand zu Willens bzw. in der Lage, weder Museumsbahn noch allgemeines Museum. Vielleicht könnte man ihn im nahen BW Wismar unterbringen? Im dortigen Ringlokschuppen wäre noch Platz, ohne dass er dort die nächsten Jahre groß stören würde...

Schöne Grüße,

Dennis Mellerowitz.

Re: LBE-Salonwagen(kasten) wiederentdeckt

geschrieben von: windbergbahn

Datum: 15.11.15 15:13

>>kann ich mir kaum vorstellen, dass der Umbau in Gotha aus dem oben abgebildeten Waggon den unten dargestellten gemacht hat<<

Hallo Hardy,
das brauchst du dir auch nicht so vorzustellen, denn es war (wie beim sorgfältigen Lesen meiner Zeilen ersichtlich) genau umgekehrt. Und der Fund im Raum Schleswig-Holstein deutet darauf hin, dass es entweder LBE3 ex Erfurt 10 oder nur LBE 3 ist. Aber wohl niemals nur Erfurt 10 ;-))
windbergbahn

Re: LBE-Salonwagen(kasten) wiederentdeckt

geschrieben von: Jens N.

Datum: 15.11.15 17:44

Hallo Hardy,

auf die richtige Reihenfolge hat Jörg bereits hingewiesen (wenn die Verbindung korrekt ist: Erfurt 10 -> Erfurt 410 -> LBE 3). Ergänzen kann ich, dass die von Jörg gezeigte Skizze des Wagens Erfurt 10 aus dem Jahr 1892 stammt. Im Jahr 1906 besaß der Wagen (als Erfurt 410) bereits einen Achsstand von 7.000 mm. Da ist das gleiche Maß wie beim LBE-Wagen. Somit wäre 1906 auch keine Anpassung des Achsstandes notwendig gewesen.

Die Raumaufteilung wiederum wurde nur in geringem Maß geändert (die Grundrisse der beiden Skizzen sind zueinander um 180° verdreht). Und das Glätten der Seitenwandvertiefung auf Höhe des Abteils dürfte keinen hohen Aufwand bedeutet haben. Die Skizzen liefern aus meiner Sicht keinen Grund, an der Verbindung Erfurt 10/410 und LBE 3 zu zweifeln.

Viele Grüße
Jens

Re: LBE-Salonwagen(kasten) wiederentdeckt

geschrieben von: Hardy Köhler

Datum: 15.11.15 22:49

Mea culpa,
ich hatte mich durch die Reihenfolge der Zeichnungen verwirren lassen. Jetzt, beim nochmaligen Lesen und euren Erklärungen wird mir das klar.
(und das die Draufsichten um 180 grd. gedreht sind, war mir schon klar)

Viele Grüße,
Hardy aus Nordfriesland

Der Umbau auf 7000mm Achsstand erfolgte im August 1893.

geschrieben von: Lalu

Datum: 24.11.15 16:56

Der im Herbst 1889 in Betrieb genommene Salonwagen hatte nicht die gewünschte Laufruhe. Bei einer Inspektionsfahrt am im Juli 1893 zwischen Horka und Görlitz wurde durch den anwesenden Eisenbahnkommissar der Umbau vorgeschlagen.

Am 26. Juli ging ein Telegramm an die Verwaltung nach Reinhardsbrunn. "... Zur Beseitigung des schlechten Ganges des Salonwagens...vorgeschlagen...Vergroesserung des Radstandes auf 7M und Ersatz der vorhandenen Lenkachsen durch sogenannte freie Lenkachsen, ferner Anbringungung federnder Konsole. Kostenhöhe ca. 2600,-M..."

Am 29. Juli ging ein Telegramm nach Görlitz. "...Sind mit der vorgeschlagenen Änderung einverstanden..."

Am 31.08. vormittags war der Umbau fertig.

Somit besaß der Wagen ab diesem Zeitpunkt einen Achsstand von 7000mm. Der Umbau schien jedoch nur mäßigen Erfolg gehabt zu haben. Im Jahre 1895 beklagte man immer noch den unruhigen Lauf. In Görlitz vermutete man den stärker als vorgesehen belasteten Gepäckraum. Dieser befand sich ja am Wagenende.

Zur Identifikation des gefundenen Wagenkasten wären vielleicht Materialproben aus dem Objekt zielführend. In den Akten des Staatsarchives Gothas befindet sich ein Schreiben an die Waggonfabrik Görlitz mit Materialproben für die Innenausstattung. So lassen sich hier die Deckenverkleidung, Wandverkleidung, Polsterstoffe, Fußboden und die Fenstergardinen nachvollziehen.

Grüße,
Lalu

(Alle Angaben wurden persönlich den Akten des Oberhofmarschallamtes Gotha entnommen)