WK vom 25.06.2016 : [
www.weser-kurier.de]
Berlin. Schlappe für die Deutsche Bahn und den Bund: Das Staatsunternehmen und sein Eigentümer werden in Zukunft sicherstellen müssen, dass kein öffentliches Geld für die Infrastruktur zur Quersubventionierung der Verkehrstöchter missbraucht werden kann. Die bisherige Rechnungsführung des DB-Konzerns und seiner Tochtergesellschaften sei an dieser Stelle nicht transparent genug und müsse angepasst werden, befand am Donnerstag der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof (EuGH), Manuel Campos Sanchez-Bordona. Der deutsche Staat müsse nun sicherstellen, dass das auch tatsächlich geschieht. Bisher habe er dies versäumt.
Der Generalanwalt folgt damit in einem entscheidenden Punkt der Brüsseler EU-Kommission, die die Klage gegen Deutschland angestrengt hatte. Seine Einschätzung ist für den EuGH nicht bindend, in der Regel folgen die Luxemburger Richter jedoch der Auffassung des Generalanwalts. Ein endgültiges Urteil ist erst in der zweiten Jahreshälfte zu erwarten.
Zu dem Urteil sagte der Bundestagsabgeordnete und Verkehrsexperte Matthias Gastel (Grüne) dem WESER-KURIER: „Die Deutsche Bahn käme bei einer solchen Entscheidung des Gerichtshofes mit einem tiefblauen Auge davon.“ Für die Bundesregierung wäre ein solcher Gerichtsspruch eine Klatsche. „Denn der Europäische Gerichtshof würde klar bestätigen, was wir Grüne seit Jahr und Tag sagen: In Deutschland können die Milliardengewinne der öffentlich finanzierten Infrastruktursparten zweckentfremdet werden, um Unternehmen im Ausland aufzukaufen.“
In dem Rechtsstreit geht es im Kern um die Konstruktion der Deutschen Bahn (DB) als integriertes Eisenbahnunternehmen: Anders als viele Wettbewerber bietet die DB nicht nur den Transport von Passagieren und Gütern auf der Schiene an. Sie besitzt auch die komplette Infrastruktur, die dafür notwendig ist – also neben dem Schienennetz auch die Bahnhöfe und ein eigenes Bahnstromnetz. Die Bereiche sind jeweils in eigenen Tochterfirmen unter dem Dach der Konzernholding organisiert und führen ihre Gewinne an diese ab. Die Bahn sieht sich seit vielen Jahren dem Vorwurf von Konkurrenten und Verkehrspolitikern ausgesetzt, öffentliche Zuschüsse zwischen einzelnen Töchtern hin- und herzuschieben und damit ihre Position gegenüber Konkurrenten zu verbessern. Beim Verkehr steht die Bahn im Wettbewerb mit privaten Anbietern, bei der Infrastruktur ist sie Monopolist. Das EU-Recht schreibt vor, dass die Finanzströme in Eisenbahnunternehmen klar getrennt sein müssen.
Auch die EU-Kommission ist der Ansicht, dass es die Bahn an dieser Stelle mit den einschlägigen Vorschriften nicht allzu genau nimmt und der Bund dies sogar billigt. Ende 2012 eröffnete die Brüsseler Behörde deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland. Der zuständige Verkehrsminister hieß damals noch Peter Ramsauer (CSU). Eine Einigung auf dem Verhandlungswege kam nicht zustande, sodass die Kommission im November 2013 schließlich vor den EuGH zog.
Dort neigt sich das Verfahren mit dem Schlussantrag des Generalanwalts nun dem Ende zu. Campos Sanchez-Bordona schlug sich am Donnerstag aber nicht komplett auf die Seite der Kommission. Von insgesamt vier Rügen der Brüsseler Behörde bestätigte er nur diejenige zur Rechnungslegung.
Die Vereinbarungen zur Gewinnabführung, die der DB-Konzern mit seinen Töchtern geschlossen hat, griff der Generalanwalt nicht an. Er wies auch die Forderung Brüssels zurück, die Bahn müsse in ihren Rechnungen öffentliche Mittel für den Personenverkehr (etwa in regionalen Verkehrsverbünden) getrennt ausweisen. Dies verlangten die einschlägigen EU-Vorschriften nicht.
„Die Deutsche Bahn käme bei einer solchen Entscheidung mit einem tiefblauen Auge davon.“ Verkehrsexperte Matthias Gastel
Gruß aus dem Norden Bremens
"Ich besinne mich, dass es ihm in der Schule immer so schwer ward, die Commata und Puncta recht zu setzen. Sieht er,(...), wo der Verstand halb aus ist, setzt Er ein Comma; wo er ganz aus ist, ein Punctum, und wo gar keiner ist, kann er setzen was Er will." (Matthias Claudius - 1774)