In zeitlicher und inhaltlicher Nähe zu [
www.drehscheibe-online.de] RRX-Ausschreibungsverfahren: Vergabekammer bestätigt VRR locomotive breath 28.10.2014, 15:46:55
[
blog.vrr.de]
"RRX: VRR lehnt verpflichtenden Personalübergang ab
28. Oktober 2014 von VRR_Redaktion | Allgemein
von Martin Husmann, Vorstandssprecher der VRR AöR.
Gemeinsam mit dem Land NRW und weiteren SPNV-Aufgabenträgern veröffentlichte der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) im März 2014 die Ausschreibung des RRX-Vorlaufbetriebs, eines der größten deutschen SPNV-Verfahren seit der Marktöffnung im Jahr 1996. Das Verfahren stößt bei den Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) auf große Resonanz – ein Zeichen dafür, dass das Verfahren für die bietenden Unternehmen attraktiv gestaltet ist.
Seit einigen Wochen regt sich jedoch bei der Deutschen Bahn Widerstand gegen die Rand- und Rahmenbedingungen des Verfahrens: Nach Auffassung des EVU sollen die künftigen Betreiber zur Übernahme des heute auf den Linien fahrenden DB-Personals verpflichtet werden, und zwar zu den heutigen Konditionen und inklusive aller zusätzlichen Leistungen und Pflichten. Ein Wunsch, den das Land und die SPNV-Aufgabenträger wegen erheblichen rechtlichen und praktischen Bedenken ablehnen. Ein solcher Personalübergang brächte schlimmstenfalls den erfolgreichen Wettbewerb um die Betriebsleistungen zum Erliegen und trüge nachhaltig zu einer Schwächung der DB-Konkurrenten bei. Ein Szenario, das es im Interesse des SPNV-Wettbewerbs und der Nahverkehrskunden in NRW zu verhindern gilt.
Die Forderungen der Deutschen Bahn sind weitreichend, denn der ehemalige Monopolist sieht sich im Hintertreffen. So gehen Vertreter der DB davon aus – und kommunizieren dies auch entsprechend in der Öffentlichkeit –, dass die Personalkosten das entscheidende, wenn nicht das einzige Kriterium für Sieg und Niederlage in der Ausschreibung darstellen. Den Personalkostenvorteil der Konkurrenten beziffert das Unternehmen auf mindestens zehn Prozent und sieht sich so aufgrund vermeintlich höherer Verdienste der Belegschaft im Wettbewerb benachteiligt. Zudem warnt die DB davor, dass bei einem Betreiberwechsel 530 Arbeitsplätze in Gefahr seien, weshalb eine Übernahmeverpflichtung sinnvoll sei. So bittet die DB darum, „allen Bewerbern die Übernahme des Personals vom Altbetreiber aufzuerlegen“. Nur so könne sichergestellt werden, dass die RRX-Verkehre durch erfahrenes Personal erfolgreich betrieben würden. Zudem drohte die DB bereits mehrfach mit einem Marktaustritt, wenn sich an den Rand- und Rahmenbedingungen im Verfahren nichts ändern sollte.
Eine solche Argumentation entbehrt aus unserer Sicht jeder faktischen Grundlage. Das NRW-Tariftreuegesetz mit seinen hohen Sozialstandards greift auch bei dem Verfahren um den RRX-Vorlaufbetrieb und die bestehenden Tarifverträge der DB und der privaten EVU sind nachweislich annähernd gleichwertig. Dies belegen unsere Erfahrungen aus den letzten SPNV-Vergabeverfahren. DB Regio hatte nur bei einer einzigen von sechs Vergaben höhere Lohnkosten als alle anderen Bieter und konnte gerade dieses Verfahren trotzdem für sich entscheiden. In fünf Fällen ging ein anderes Eisenbahnverkehrsunternehmen mit den höchsten Lohnkosten ins Rennen. Der Wettbewerbsvorteil von DB-Konkurrenten ist folglich in der Regel nicht in den individuellen Gehältern des Fahrpersonals begründet, sondern in den flachen Hierarchien und dadurch im Vergleich zur Deutschen Bahn geringeren Overheadkosten und effizienteren Prozessabläufen. Auch die Aussage, Wettbewerbsbahnen griffen zur Besetzung offener Stellen in der Regel auf Langzeitarbeitslose zurück, deren Ausbildung noch dazu von den zuständigen Sozialleistungsträgern bezahlt würde, ist schlicht falsch.
Nach unserer Auffassung versucht die DB Regio AG mit der Forderung eines angeordneten Betriebsübergangs unter dem Deckmantel der sozialen Verantwortung ihre Personalkosten zu Lasten der im Wettbewerb obsiegenden EVU zu entlasten und den fairen Wettbewerb zu verhindern. Zumal von der Möglichkeit eines angeordneten Betriebsübergangs nur Zugführer und Zugbegleitpersonale betroffen wären, nicht aber die Werkstattmitarbeiter, da nach dem sogenannten NRW-RRX-Modell die Instandhaltung der Fahrzeuge von den Verkehrsdienstleistungen getrennt sind. Eine solche Anordnung im Rahmen des Vergabeverfahrens zur Fahrzeugbeschaffung und -instandhaltung ist bereits rechtlich unzulässig. Es würden also weitaus weniger Mitarbeiter als die von der DB behaupteten 530 von einer solchen Regelung profitieren. Es ist offensichtlich, dass das Verlangen der DB Regio AG auf Anordnung eines Betriebsübergangs nicht der sozialen Verantwortung geschuldet ist, sondern allein dazu dient, die eigenen Restrukturierungskosten auf die Wettbewerber abzuwälzen.
Die
Abellio GmbH, eines der beteiligten Wettbewerbsunternehmen,
lehnt die Forderung zum Betriebsübergang
ab und begründet dies damit, dass dieser die wesentlichen Elemente des Wettbewerbs zerstören und dazu führen würde,
dass Neubetreiber substanzielle Probleme des Altbetreibers lösen müssten. Nach Ansicht des EVU könnten Altbetreiber eine solche Regelung nutzen, um nicht marktfähige Personalstrukturen an Neubetreiber abzutreten. Es bestünde die Möglichkeit, indirekt Personal zu reduzieren – und zwar ohne betriebsbedingte Kündigungen, hohe Abfindungszahlungen oder einen Sozialplan. Zudem entfiele bei Neubetreibern der wichtige unternehmerische Gestaltungsspielraum bei der Auswahl und Einstellung von Mitarbeitern. Laut Abellio sind die Motivation und Qualifikation von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die wichtigsten Bausteine der Qualitäts- und Servicestrategie des Unternehmens und damit essenziell, um die bisherige Qualitätsführerschaft im SPNV behaupten zu können.
NRW-RRX-Modell sichert Arbeitsplätze
Die Eindrücke der Wettbewerbsteilnehmer und die Erfahrungen aus den ersten Verhandlungsrunden zeigen, dass die Rahmenbedingungen des Vergabeverfahrens nicht nur transparent gestaltet sind, sondern gleichzeitig den hohen Anforderungen des Vergaberechts genügen und den Wettbewerb im SPNV-Markt fördern. Die Behauptung, das vom Land NRW und den Aufgabenträgern gewählte Verfahren gefährde Arbeitsplätze, entspricht nicht den Tatsachen. Im Gegenteil: Das NRWRRX-Modell, das getrennte Verfahren zur Fahrzeugbeschaffung und zum Betrieb der RRX-Linien vorsieht, sichert über mindestens 30 Jahre Arbeitsplätze, in Nordrhein-Westfalen, und zwar unabhängig davon, welches EVU die Betriebsleistungen erbringt.
Die Aufgabenträger haben sich gemeinsam mit dem Land darauf verständigt, den EVU die Fahrzeuge für zwei Vertragsperioden und so über einen Zeitraum von 30 Jahren zur Verfügung zu stellen. Das bedeutet zwar, dass der Betreiber nach Ablauf des ersten Verkehrsvertrages im Wettbewerb ausgetauscht werden kann. Gleichzeitig verpflichtet sich der Hersteller und Instandhalter der Fahrzeuge aber, diese über 30 Jahren in einer oder in mehreren Werkstätten zu pflegen und zu warten. Während bei konventionellen Modellen somit nach Ablauf des Verkehrsvertrages der Verlust der Fahrzeuge, der Werkstätten und der Arbeitnehmer zu befürchten war, bringt das NRW-RRX-Modell volkswirtschaftliche und arbeitsmarktpolitische Vorteile mit sich.
Es wird sichergestellt, dass die Werkstätten auch nach Ablauf der ersten Vertragsdauer von 15 Jahren noch ausgelastet sind und nicht – wie es derzeit oft der Fall ist – unterhalb ihrer Kapazitäten genutzt werden. Somit sind die Arbeitsplätze in den Werkstätten nicht nur für 15, sondern für 30 Jahre im Rahmen von IG-Metall-Verträgen gesichert, was der durchschnittlichen Lebensarbeitszeit eines Arbeitnehmers entspricht.
Zudem bedeutet ein Betreiberwechsel insbesondere für Triebfahrzeugführer und Zugbegleiter nicht zwangsläufig den Verlust des Arbeitsplatzes, denn bereits heute greifen tarifliche Regelungen zum Schutz von Mitarbeitern. Es ist gängige Praxis, dass Neubetreiber Mitarbeiter des Altbetreibers übernehmen. Wie private Eisenbahnverkehrsunternehmen wie beispielsweise Abellio bestätigen, liegt dies in der Regel auch in deren Interesse, weil die Mitarbeiter des ehemaligen Betreibers die Strecken und den Linienbetrieb bis ins Detail kennen und somit eine fachliche Bereicherung für das neue EVU darstellen. Die
Erfahrungen aus den letzten Jahren zeigen, dass sich der SPNV-Markt in diesem Bereich selbst reguliert und fachlich kompetente Mitarbeiter auch nach einem Betreiberwechsel beste berufliche Perspektiven haben. Ohne einen angeordneten Betriebsübergang erhalten zudem auch andere, beispielsweise arbeitssuchende Lokführer eine Chance auf einen Dauerarbeitsplatz, was unserem Verständnis von sozialer Verantwortung entspricht.
Dass Wettbewerber ihren Mitarbeitern vergleichbare Arbeitsbedingungen und Standards bieten wie DB Regio, wurde im Jahr 2013 sogar unabhängig bestätigt. So
zeichnete die „Mobifair Zertifizierungs- und Beratungs- GmbH“ Abellio für die Einhaltung fairer Arbeitsbedingungen und vorbildlicher Lohn- und Sozialstandards aus. Viele ehemalige DB-Mitarbeiter haben deshalb in der Vergangenheit im Falle eines Betriebsübergangs die Stellenangebote von Abellio angenommen – und zwar unter Berücksichtigung der Berufserfahrung und Branchenzugehörigkeit sowie nach Festlegung eines festen Arbeitsortes.
Aufgabenträger setzen weiterhin auf SPNV-Wettbewerb
Wir sind davon überzeugt, dass die positive Entwicklung des SPNV mit kontinuierlich wachsenden Fahrgastzahlen und einem attraktiven Angebot für die zahlreichen Fahrgäste in NRW zu einem großen Teil auf die
Qualitätssteigerung durch den Wettbewerb zurückzuführen ist.
Dieser wäre mit einer Übernahmeverpflichtung durch erhebliche Unsicherheiten geprägt und würde im Zweifelsfall ausgebremst. Dies zeigt sich auch in aktuell laufenden SPNVWettbewerbsverfahren. Daher haben die verantwortlichen Aufgabenträger im Rahmen dieses größten verkehrspolitischen Projekts in NRW
bewusst auf eine nicht bindend vorgeschriebene Übernahmeverpflichtung verzichtet. Denn das NRW-RRX-Modell hat eine enorme Strahlkraft auf die künftige Ausgestaltung des SPNV-Wettbewerbs.
Die Zahl an Bietern bestätigt aus unserer Sicht, dass wir es – im Gegensatz zu anderen deutschen SPNV-Verfahren dieser Größenordnung – geschafft haben, unsere Verfahren so zu gestalten, dass sich sowohl etablierte Bieter wie DB Regio als auch Markteinsteiger um unsere Aufträge bemühen. Unser Ziel ist es, im Interesse eines leistungsstarken SPNV und eines weiterhin erfolgreichen Verlaufs der RRX-Vergabeverfahren allen Wettbewerbern faire und gerechte Rahmenbedingungen zu bieten. Wir haben in der Ausschreibung zum RRX-Vorlaufbetrieb,
wie bei allen bisherigen EVU-Ausschreibungen in den vergangenen 15 Jahren, auf die Anordnung eines Betriebsübergangs verzichtet, da der Wettbewerb nicht über die Lohnkosten entschieden wird und umfangreiche tarifliche Regelungen zum Schutz der Mitarbeiter vorliegen. Hierfür treten wir entschieden ein und sind uns der Unterstützung der anderen Aufgabenträger und des Landes Nordrhein-Westfalen sicher."
______________________________________________________________________________________________________________________________
So ganz 100% schlüssig ist die Argumentation nicht, aber diese Diskussion hatten wir schon mal, die braucht, wenn nicht
neue Argumente einfließen, nicht wiederholt zu werden.
Mit freundlichem Gruß an alle konstruktiv mitarbeitenden und alle passiv mitlesenden Forumsteilnehmer
locomotive breath ( oder kurz l.b. ) _________________________________
PS: Setzt bitte einen passende Themabeschreibung über euren Text!
Ein guter Titel über dem Beitrag ist das Tüpfelchen auf dem i für einen wirklich guten Beitrag oder eine wirklich gute Antwort!
Sed in primis ad fontes ipsos properandum! … Vor allem muss man zu den Quellen selbst eilen! (In Abwandlung von Erasmus von Rotterdam (1511))
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2014:10:28:21:14:03.