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heute geht es mit Teil 68 weiter.

Rückblick auf Teil 67 [www.drehscheibe-online.de]



Ansichtskarte vom Gasthaus Borschel um 1930 mit dem Bahnhof Burghofen.jpg

Ansichtskarte vom Gasthaus Borschel um 1930 mit dem Bahnhof Burghofen


Die Ahornallee der Bahnhofszufahrt am Bahnhof Burghofen (Foto H.J.Friske am 27.6.2012).jpg

Die Ahornallee der Bahnhofszufahrt am Bahnhof Burghofen (Foto: H. J. Friske am 27.6.2012)



Teil 68: Der Bahnhof Burghofen bis 1945


Nachdem am 2. November 1872 zwischen Waldkappel und Spangenberg mit den Vermessungen für die Bahnlinie begonnen wurde, kam dann im folgenden Jahr Leben in die sonst verschlafenen Dörfer Burghofen und Schemmern, weil im Frühjahr 1873 dann mit den ersten Bauarbeiten für die Bahn begonnen wurde. Dadurch kam es zu ersten Einquartierungen in den beiden Orten.

Da in deren Gemarkung auch ein Bahnhof errichtet werden sollte, gab es im Plan ein Kuriosum, das damit endete, dass das Bahnhofsgebäude auf Burghofener Grund lag und der Güterschuppen, der Holzlagerplatz und die Gütergleise mit der Laderampe sich in der Gemarkung von Schemmern befanden. Ganze 50 Meter trennten den Bahnhof davon, Bahnhof Schemmern zu heißen, nur weil das Empfangsgebäude auf Burghofener Grund und Boden lag.

Beschwerden über die Trassenführung selbst scheint es nicht gegeben zu haben, aber Schemmerns damaliger Bürgermeister Heinrich Brandau, sowie dessen Nachfolger Jakob reisten mit ihren Gemeindevertretern mehrmals zum Planungsbüro nach Treysa, um auch das Bahnhofsgebäude nach Schemmern zu bekommen, aber es blieb beim ursprünglichen Plan des „geteilten“ Bahnhofs.

Unter den am Bahnbau beschäftigten Arbeitern befand sich auch der Urgroßvater des früheren Ortsvorstehers Gerhard Franz aus Burghofen. Dieser wurde in Gottsbüren im Reinhardswald geboren, war in Schemmern hängen geblieben und hatte während des Bahnbaues dort eingeheiratet. Der weitaus größte Teil der am Bahnbau im Raum Burghofen beschäftigten Arbeiter stellten die Italiener. Dieses starke Kontingent an italienischen Arbeitern rührte wohl daher, weil auch ein Tunnel gebaut werden musste und diese Spezialisten im Tunnelbau waren.

Bei den ausländischen Arbeitern am Bahnbau war immer etwas los und in den Gaststätten der Umgebung wurde so mancher „Strauß“ ausgespielt. Je mehr Bauarbeiter kamen, desto mehr Gaststätten und Kantinen gab es in den Dörfern. Ab 1875 gab es dann auch Kantinen an der Trasse und am Tunnel, die die Arbeiter dort an Ort und Stelle mit Speisen und Getränken versorgten. Aber nicht nur die Wirte profitierten vom Bahnbau, sondern auch andere Handwerker und Geschäftsleute machten in den Jahren gute Geschäfte. Da sind vor allem Schmiede, Wagenbauer, Schneider, Schuster und Fuhrleute zu nennen.

Der damalige Pfarrer von Schemmern konnte ein Lied davon singen, dass der Bahnbau den Menschen im Dorf nicht nur zum Segen gereichte, sondern durch das verschwenderische Leben, das infolge der einsetzenden guten Verdienste nun begann, viele Handwerker in tiefe Verschuldung oder sogar den Ruin getrieben hatte. Der Pfarrer war seinem mühseligen Amt im Orte, das mit der Betreuung mehrerer „Filialen“ verbunden war, die nur über beschwerliche Wege zu erreichen waren, nicht gewachsen und hatte sich nach nur 5 Jahren in Schemmern um eine andere leichtere Pfarrstelle bemüht.

Ebenfalls im Jahre 1875 kam es während des Bahnbaues zur Errichtung der ersten Bahnhäuser. Da ist zunächst das Doppelhaus in der Plätsche 5 und 7 zu nennen, das zunächst als Büro und Lager gedient hatte und in denen nach Beendigung der Bauarbeiten Eisenbahner vom Bahnhof Burghofen gewohnt hatten.
So wohnte in der Plätsche 5 zunächst ab dem Jahre 1879 der Bahnwärter Joh. Schneider mit seiner Frau Erna, geb. Heil. Der nächste Bewohner wird schon im Jahre 1882 mit dem Bahnwärter Georg Adam mit seiner Frau Barbara, geb. Schäfer, genannt. Ihm folgte im Jahre 1888 der Bahnwärter Jakob Görke mit seiner Frau Elise, geb. Seibert. Im Jahre 1896 wurde als Wohnungsinhaber der Weichensteller Josef Arke mit seiner Frau Karoline, geb. Münscher, genannt. Ihnen folgte noch im Jahre 1910 Linnenkohl, im Jahre 1921 Pfeil, im Jahre 1932 Reichmann und im Jahre 1935 folgte noch Jakob Schenk mit Frau Anna, geb. Aschenbrenner. Ob die zuletzt genannten Namen auch Eisenbahner waren, geht aus der Unterlage nicht hervor. Im Jahre 1938 trennte sich die Reichsbahn schließlich durch Verkauf von dem Gebäude.
Im Nebengebäude In der Plätsche 7 wohnte ab dem Jahre 1879 der Bahnwärter Josef Oppelt mit seiner Frau Marie, geb. Gunkel. Im Jahre 1884 folgte der Weichensteller Wilhelm Pense mit Frau Wilhelmine, geb Beinebach. Im Jahre 1891 war wieder ein Wechsel zu verzeichnen. Für W. Pense kam mit dem Bahnwärter Beuermann und seiner Frau Martha, geb. Ruelberg ein neuer Bediensteter ins Haus. Diesem folgte dann im Jahre 1903 der Bahnwärter Hubner, im Jahre 1912 der Bahnwärter Angersbach, der im Jahre 1922 nach Mörshausen an den dortigen Schrankenposten versetzt wurde. Im gleichen Jahr kam mit Karl Geßner und Frau Elise, geb. Trinter ein Nachfolger ins Haus, bei dem es nicht sicher ist, ob er Eisenbahner war, bevor die Reichsbahn das Gebäude im Jahre 1938 anscheinend an August Geßner und seiner Ehefrau Hedwig geb. Siebald veräußert hatte.
Die beiden Gebäude stehen heute noch, sie sind aber nicht mehr als Bahnhaus zu erkennen, da im Laufe der Jahre etliche An- und Umbauten erfolgt sind.
Das dritte Gebäude entstand im Fischbach direkt hinter der Bahnunterführung bei Km 69,01. Es wurde vom Gastwirt Münscher als Behelfshaus für eine Kantine während des Bahn- und Tunnelbaues im Jahre 1875 errichtet, wo gleichzeitig ein Materiallager für den Gleis- und Tunnelbau entstand. Nachdem das Grundstück schließlich im Jahre 1890 durch Heinrich Arnecke erworben wurde, entstand dort auch ein Wohn- und Wirtschaftsgebäude. Als im Jahre 1930 Heinrich Mänz nach noch einer weiteren Veräußerung schließlich das Anwesen erwarb, entstand dann der noch heute gebräuchliche Name für das Gehöft. Seitdem ist daraus der „Mänzer Hof“ geworden, da dieser sich bis in die heutige Zeit im Besitz der Familie befindet.

Der Bahnhof Burghofen war einer der alten Bahnhöfe entlang des Kanonenbahn-Abschnitts zwischen Leinefelde und Treysa und wurde am 15. Mai 1879 gemeinsam mit dem Streckenabschnitt Waldkappel – Malsfeld als Bahnhof 4. Klasse seiner Bestimmung übergeben. Allerdings war er wohl der kleinste Bahnhof an diesem Abschnitt und befand sich bei Km 68,50 in einer Höhe von 306 Meter über NN.

Am Eröffnungstage selbst fuhr der erste Zug von Waldkappel her kommend morgens um 6.30 Uhr im Bahnhof Burghofen ein, worauf um 9.30 Uhr der erste Zug aus Richtung Spangenberg folgte.

Die Fertigstellung des Bahnhofsgebäudes lag nicht im Limit und war ebenso wie die Güterrampe zum Zeitpunkt der Streckeneröffnung noch nicht fertig gestellt. Trotzdem lief der Zugbetrieb an.

Der Bahnhof lag abseits gelegen inmitten eines Umfeldes von kleinsten Dörfern und hatte daher wirtschaftlich keine größere Bedeutung zu erwarten, nur die Dorfbewohner aus der Umgebung benutzten ihn, um mit der Bahn zu ihrer Arbeitsstätte in der Stadt (Kassel, Eschwege oder Waldkappel) zu gelangen bzw. um ihre handwerklich gefertigten Produkte an den Mann oder die Frau zu bringen beziehungsweise um dafür Rohmaterialien zu erwerben. Das größte Frachtaufkommen, das hier verladen wurde, waren land- und forstwirtschaftliche Produkte, die sich schon bald nach der Eröffnung der Strecke als das Rückgrat des Frachtaufkommens am Bahnhof entwickelten. Diese bestanden aus Kartoffeln und Getreide, überwiegend aber wurde am Bahnhof Burghofen Holz verladen. Entladen wurde hier vor allem Kohle, Baumaterialien aller Art und gelegentlich eine Maschine, Ersatzteile und Stückgut.

Mit dem Bahnhof erhielten die Dörfer Schemmern und Burghofen den Anschluss an die große weite Welt.
Dieser wurde vor allem montags stark von Arbeitern frequentiert, die mit der Bahn nun ihren Arbeitsplatz in Kassel oder Eschwege leichter und schneller erreichen konnten. Da die Arbeiter über die Woche überwiegend am Arbeitsort übernachteten, war der Betrieb am Bahnhof an den restlichen Werktagen vergleichsweise gering.

Am Bahnhof gab es direkt vor dem Empfangsgebäude bei Km 68,5 einen 102 m langen Bahnsteig, während der Zwischenbahnsteig etwas weiter nach rechts in der Mitte zwischen dem Streckengleis und dem Begegnungsgleis bei Km 68,45-68,57 gelegen, sogar eine Länge von 115 Metern besaß. Auf dem Zwischenbahnsteig befand sich zumindest noch Ende der 20-er Jahre ein Postenhäuschen (wie auf der Postkarte ersichtlich), zu dem auch vom Empfangsgebäude her eine Fernsprechleitung hin führt. Bereits bei Km 68,28 trennte sich das Streckengleis vom Begegnungsgleis noch vor dem Bahnhof mittels der ersten Weiche. Bei Km 68,45 befand sich am Ende der Bahnhofsauffahrt der Bahnhofsgarten, an den sich das Spritzenhaus mit den Stallungen anschloss, während das Toilettenhaus direkt am Anfang des Hausbahnsteiges stand. In diesem Gebäude soll auch die Feuerwehrspritze untergebracht gewesen sein. Die Grundmauern davon sind bis heute zu sehen. In der Mitte der Zufahrtsstraße befand sich auch die mit einer Laterne versehene Müllgrube und vor den Stallungen stand zum Bahnsteig hin das Gartenhaus. Bei Km 68,55 ging die erste Bahnhofsweiche vom Streckengleis nach links zu den beiden Gütergleisen (Gleis 3 und 4) ab, um mit einer weiteren Weiche in den Gütergleisen bei Km 68,64 einzumünden. Das Gleis 3 endete vor dem Güterschuppen, Gleis 4 an der Freiladerampe bei Km 68,8. Auf Gleis 3 stand nur wenige Meter hinter dem Güterschuppen das Lademaß vom Bahnhof Burghofen. Hinter der Gemarkungsgrenze zwischen Burghofen und Schemmern bei Km 68,71 ging von Gleis 4 bei Km 68,73 eine weitere Weiche ab, die bei Km 68,85 hinter der Güterrampe wieder in das Streckengleis einmündete. Bei Km 68,84 mündete das Begegnungsgleis (Gleis 2) wieder in das Streckengleis in Richtung Spangenberg ein.

Aus den ersten Betriebsjahren blieb eine Anekdote aus der Umgebung des Bahnhofs erhalten: In der Zeit, als hier die ersten Züge fuhren, hat es eine längere Schlechtwetter-Phase gegeben. Wie heutzutage die Flugzeuge und Raketen Schuld am schlechten Wetter sind, waren es damals die dampfenden und zischenden Lokomotiven. Ein Bauer aus dem Schemmergrund, der sich Sorge um seine Ernte gemacht hat, soll gesagt haben: „Des kimmet aales nur vom verreckten Damp, deen de neie Isenboone in de Looft mecht.“

Im Bahnhofsgebäude von Burghofen gab es auch eine Bahnhofsgaststätte, die aber schon sehr früh, bereits kurz vor Beginn des Ersten Weltkriegs einging, vermutlich aus Mangel an Gästen. Sie befand sich vermutlich im linken Trakt des Empfangsgebäudes, in dessen Räumen in späteren Jahren Dienstwohnungen untergebracht waren.

Nach der Betriebseröffnung des Bahnhofes Burghofen gab es zunächst nur eine Straßenverbindung von Burghofen her zum Bahnhof, die Bauern und Handwerker aus Schemmern und den umliegenden Orten mussten ihre Fracht über Burghofen oder den Fischbach zum Bahnhof bringen. Für die Bahnreisenden von dort gab es an der Flurgrenze zwischen Schemmern und Burghofen allerdings einen Trampelpfad. Diesem Zustand wurde erst im Jahre 1904 ein Ende gesetzt, als endlich von Schemmern her eine Straße zum Bahnhof gebaut wurde, die im wesentlichem dem alten Trampelpfad folgte und die mit der Straße, die von Burghofen her zum Bahnhof führte, verbunden wurde. Daraufhin wurde im Jahre 1906 schließlich die herrliche Ahornallee an der Bahnhofstraße angepflanzt, die bis heute existiert.

Zugkreuzungen gab es am Bahnhof Burghofen vor dem Ersten Weltkrieg um das Jahr 1910 herum etwa vier bis fünfmal am Tag.

Da die Dorfbewohner, die damals noch viele Kinder hatten, waren die Eltern in der Zeit froh, wenn sie einige ihrer Töchter nach Kassel oder in andere Städte als Hausmädchen „in Stellung“ geben konnten. Da diese Mädchen durch ihre Lehrherren auch Unterricht in Sprache und Anstand erhielten, redeten diese bald nur noch hochdeutsch und nicht mehr das ortsübliche Plattdeutsch. Daher fühlten sich diese Mädchen, denen aus dem Ort haushoch überlegen.

In diesem Zusammenhang wird in Schemmern eine Anekdote erzählt, bei der der damalige Bahnhofsvorsteher Klebe eine Rolle spielt. Da heißt es:
Es war an einem Samstag - Nachmittag, als ein in Stellung befindliches Mädchen mit dem 1/2 4 Uhr-Zug aus Richtung Waldkappel kommend, am Bahnhof Burghofen ausstieg, während der Gegenzug aus Spangenberg bereits auf dem Überholgleis wartete. Nachdem das Mädchen den Bahnhofsvorsteher in ein längeres Gespräch verwickelt hatte, stellte dieser fest, dass beide Züge noch im Bahnhof standen. Daraufhin schnappte er, diensteifrig wie er war, seine Kelle und sagte zu ihr mit der Stimme eines Beamten: „Warte einen Moment, ich muss erst mal einen fahren lassen.“ Worauf er zum Bahnsteig eilte.
Das Mädchen war sichtlich entsetzt über die ungepflegte Aussprache des Beamten. Daraufhin verließ sie die Nase rümpfend den ungehobelten Klotz und begab sich auf den Weg zu ihren Eltern.

Nachdem im August 1914 der Erste Weltkrieg ausgebrochen war, wurde überall im Land die Latrinenparole verbreitet, dass sich etwa 25 französische Autos im Land befänden, dessen Fahrer Geld nach Russland bringen sollten. Daraufhin befahl der Landrat des Kreises Eschwege, jedes verdächtige Fahrzeug anzuhalten und siehe da, eines Tages kam tatsächlich auf der Straße von Waldkappel her ein solches Automobil ohne Nummernschild angefahren. Sofort wurde die Straße unmittelbar vor dem Dorfeingang von Schemmern mit einem Erntewagen versperrt und die Insassen des Kraftfahrzeuges kontrolliert, die aus einem Hauptmann und zwei gemeinen Soldaten bestanden. Obwohl sich der Hauptmann ausweisen konnte, glaubte man, der Ausweis sei gefälscht. Als es dann beinahe zu tätlichen Ausschreitungen zwischen den beiden Parteien gekommen war, wurde der Gendarm aus Waldkappel hinzu zitiert, der die Angelegenheit dann aufklärte. Der Königliche Landrat war zufällig ebenfalls vor Ort und wollte gerade die Bahnwachen kontrollieren, als sich der Hauptmann bei ihm über das Verhalten der Bevölkerung beschweren wollte. Darauf soll der Landrat ihm geantwortet haben, dass er (der Hauptmann) die Situation durch sein Auftreten und Benehmen gegenüber den Leuten selbst herbeigeführt hätte. Außer dem Hauptmann wurden auch noch etliche harmlose Landstreicher ein Opfer dieser Latrinenparole.

Am Ortseingang von Schemmern standen zeitweilig zwei Wachposten mit geladenen Gewehren. Dabei sollen einige dieser Gesellen unschuldig ums Leben gekommen sein. Dabei hatte auch das Kirchspiel Schemmern ein Opfer zu beklagen, wobei der aus Eltmannsee stammende 19-jährige Joh. Klaus um sein junges Leben gebracht wurde. Er war gerade auf Wache an einer Eisenbahnbrücke bei Berneburg an der Bebra-Göttinger Eisenbahn, während sein Kollege aus Diemerode zum Spaß auf ihn anlegte und ihn tödlich traf, als sich dabei ein Schuss gelöst hatte.

Die französische Standuhr aus dem ehemaligen Museum im Bahnhof Eschwege-West, die in den Jahren 1879/1880 zur Grundausstattung aller Kanonenbahn-Bahnhöfe gehört hatte, die heute in einem Eschweger Depot aufbewahrt wird und auf einen neuen Ausstellungsplatz in einem der Eschweger Museumslandschaft zugeordneten neuen Eisenbahnmuseum wartet, stammt aus dem Bahnhof Burghofen.
Sie hat bis zur Stilllegung der Bahn hier stets zeitgenau ihren Dienst versehen. Diese Uhr war mittels eines Gestänges und einem komplizierten Mechanismus, von dem auch noch Teile erhalten sind, direkt mit der außen angebrachten Bahnhofsuhr verbunden. Daher konnten beide Zifferblätter stets exakt die gleiche Zeit anzeigen. Diese Uhr ist seitdem leider verschollen.

Als Bahnhof 4. Klasse (im Jahre 1929) eingestuft, verfügte der Bahnhof Burghofen als kleinster Bahnhof an der Strecke nur über ein geringes Verkehrsaufkommen, während Bahnhöfe wie z.B. Waldkappel oder Spangenberg, die ein wesentlich höheres Frachtaufkommen besaßen und über ein größeres Fahrgastpotential verfügten, als solche dritter Klasse eingestuft wurden und die daher auch mit einem höheren Personalbestand ausgestattet waren.

Anfang der 30-er Jahre ließ der Burghofener Gastwirt Karl Borschel eine Postkarte erstellen, auf der nicht nur die Gastwirtschaft, sondern auch eine Dorfansicht sowie der Bahnhof abgebildet wurde. Auf diesem Bild sind eine ganze Reihe heute nicht mehr bekannte Details zu erkennen.

Am 14. November 1934 wurden am Bahnhof Burghofen 192 Zentner Kartoffeln verladen, die für das Deutsche Winterhilfswerk gespendet worden waren.
Im Jahre 1937 wurde Heinrich Knierim zum Bahnhofsvorsteher von Burghofen ernannt. Am Telefon meldete er sich immer mit einem tiefen kehligen lang gezogenen „Kniiie-riiiem mit Knie wie Knie und Riem wie Riemen“. In seiner Freizeit war er Bienenzüchter und so hatte er seine Bienenstöcke offenbar auf einer Wiese zwischen dem Überholgleis und dem Waldrand stehen, die mit zum Gelände des Bahnhofes gehörte. Die Buchsbäumchen, die vor den Bienenstöcken standen, hatte er akribisch zu dem Spruch in Form gebracht: „Volk flieg“ Heute lässt sich nicht mehr sagen, ob dieser Spruch nicht auch etwas ironisch auf das Zeitgeschehen zu Beginn des Zweiten Weltkriegs gemünzt war.

Schon lange hatte die Bevölkerung der Orte an der Kanonenbahn es geahnt und auch befürchtet, mit dem 26. August 1939 wurde es zur Gewissheit. Die ersten 17 voll ausgebildeten Soldaten aus Schemmern bekamen ihren Bescheid, sich bei ihrer Einheit zu melden. In der folgenden Nacht wurde dann in einer sprichwörtlichen Nacht- und Nebel-Aktion in Schemmern die Shell-Tankstelle beschlagnahmt und sofort darauf entleert.

Am Tag darauf, den 27. August, trafen auf Leiterwagen die ersten Flüchtlingsfamilien in Schemmern ein, die aus Windsberg/Saarpfalz (heute Rheinland/Pfalz) kamen, einem Ort im damaligen Saarpfälzer Grenzgebiet. Die 162 Personen waren von dort evakuiert worden und mit einem Transport nach Waldkappel gelangt, wo sie gemeinsam mit Einwohnern aus Ensheim entladen worden waren, bevor sie nach Schemmern weiter geleitet wurden.

Während die Orte Schemmern und Burghofen die Zeit des 2. Weltkriegs relativ unbeschadet überstanden hatten, kam in der Phase des Vormarsches der Amerikanischen Streitkräfte um den 1. April 1945 die ganze Gewalt des Krieges über die beiden Dörfer herein. Schemmern war voll mit Deutschen Soldaten belegt, deren Hauptmann der Infanterie nichts Besseres zu tun hatte, als seine Akten im Badeofen des Pfarrhauses zu vernichten. In der Nacht vom 29. auf den 30. März (Karfreitag) 1945 verließen die auf dem Rückzug befindlichen Deutschen Soldaten fluchtartig den Ort, da die Amerikaner bereits an der Stölzinger Höhe und am Eisberg in der Nähe des Eisenbahntunnels um die Überfahrt des Gebirges kämpften. An der Stölzinger Höhe hatten die Deutsche Wehrmacht gemeinsam mit RAD-Männern Panzersperren angelegt, die dann vergeblich versucht hatten, die Amerikaner dort aufzuhalten. Es kam zu einem kurzen Gefecht, bei dem die beiden Orte Gehau und Eltmannsee beinah zerstört worden waren. Die Amerikaner machten kurzen Prozess, schossen die Deutschen Panzer nebst Besatzung sowie die RAD-Männer einfach zusammen, bevor sie ihren Weg ins Tal der Schemmer fortsetzten. Dabei trieben die Amerikaner versprengte Deutsche Landser vor sich her, die sich zu Fuß oder mit Pferdewagen auf der Flucht befanden. Von Spangenberg her durchquerte am Mittag noch ein langer Zug Russischer Kriegsgefangener den Ort. Unter der Dorflinde und auf dem Hof von der Schiede Werner wurden die Gefangenen noch einmal aus Feldküchen verpflegt. Im Dorf standen an allen möglichen und unmöglichen Stellen verlassene Munitionsfahrzeuge sowie Proviantwagen herum, während feindliche Flugzeuge ständig über dem Ort kreisten. Schließlich luden diese Flugzeuge ihre Bombenlast über dem Ort ab, bei dem etliche Gebäude total zerstört wurden. Das Chaos im Ort war perfekt, Deutsche Soldaten und Russische Kriegsgefangene rannten Schutz suchend planlos umher, während der Ortspfarrer Paul Riemann noch Akten und Kirchenbücher aus dem Pfarrhaus in Sicherheit brachte. Es war wie ein Wunder, dass bei dem Angriff keine Verletzten oder sogar Tote zu beklagen waren.

Als Pfarrer Riemann am späten Samstagnachmittag (31. März) in den Garten des Pfarrhauses ging, sah er am östlichen Horizont einen riesigen Rauchpilz emporsteigen, worauf er sich keinen rechten Reim machen konnte. Erst später erfuhr er, was es mit dem Rauchpilz auf sich hatte und dass es sich dabei um die Detonation eines Munitionszuges und die totale Zerstörung des Waldkappeler Bahnhofes gehandelt hatte. Soldaten hatten berichtet, dass sie im Krieg viele Trümmerstätten gesehen hätten, aber dass ihnen während des ganzen Kriegsverlaufs keine so radikale Vernichtung unter gekommen wäre.

Am Ostersonntag, den 1. April wurden Vorbereitungen getroffen, um auf dem Kirchturm und an weiteren Stellen von Schemmern weiße Fahnen aufhängen zu können. Doch da kam erneut ein Tiefflieger und belegte den Ort mit Salven aus seinem MG, wobei erneut ein Hof in Flammen aufging. Dabei hatten die verbliebenen Männer im Ort noch genug damit zu tun, die Brände vom Vortag zu löschen bzw. in Schach zu halten. In der Zwischenzeit hatten die Dorfbewohner überall an den Hausgiebeln und auch auf dem Kirchturm weiße Fahnen angebracht.

Am Ostermontag, den 2. April 1945 konnten ebenso wie am Ostersonntag keinerlei Gottesdienste abgehalten werden, da die Bewohner von Schemmern wichtigere Dinge im Kopf hatten. Lediglich mehrere Taufen, zumeist Haustaufen, konnten in Schemmern abgehalten werden. Als Pfarrer Riemann sich gegen15 Uhr von der letzten Haustaufe auf den Heimweg machte, waren bereits die ersten amerikanischen Panzerspitzen in den Ort eingefahren und die Fahrer der Jeeps legten gerade an der noch brennenden Schmiede eine Kaffeepause ein, wobei sie das Wasser über den noch brennenden Balken des Gebäudes zum Kochen gebracht hatten. Vor dem Ortseingang hatte der Renitentenpfarrer Schlunk die amerikanischen Truppen darüber informiert, wie sich die Bewohner gegenüber Kriegsgefangenen, Nichtnazis und anderen von offizieller Seite her nicht beliebten Menschen verhalten hatten.

Wahrscheinlich dadurch wurde der Ort im Gegensatz zu Burghofen und Friemen (vorläufig) nicht besetzt, die jungen Frauen brauchten sich nicht vor den Amerikanern zu verstecken und es mussten auch keine Häuser geräumt werden. Die Truppen durchfuhren Schemmern einfach nur und das geschah ohne Unterbrechung Tag und Nacht von der Stölzinger Höhe her. Somit kann davon ausgegangen werden, dass auch der Bahnhof Burghofen noch am gleichen Nachmittag spätestens gegen 16.30 Uhr von amerikanischen Truppen besetzt worden war. (Hermann Josef Friske)

Viele Grüße
Edgar
von
werra-meissner-bahnen

Weiter zu Teil 69 [www.drehscheibe-online.de]

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