Sicher habt ihr bemerkt, dass die GFM-Schmalspurstrecken wegen des spannenden und vielseitigen Rollmaterialparks wie auch wegen des intensiven Güterverkehrs eine grosse Faszination auf mich ausübten. Aber an dieser Stelle mache ich mal Halt, um eine erste Westschweizer Privatbahn in Normalspur vorzustellen. Die nur vier Kilonmeter lange Bahn von Orbe nach Chavornay (OC) wurde zwar erst 1894 eröffnet, dafür fuhr sie von Anfang an elektrisch! Das eigene Kraftwerk lieferte zu Beginn eine Stundenleistung von 45 kW in Form von 600 Volt Gleichstrom in die Fahrleitung.
Der Betrieb begann mit zwei zweiachsigen Triebwagen, dem Gepäcktriebwagen Fe 2/2 1 und dem 32plätzigen Personentriebwagen Ce 2/2 11, sowie dem Personenwagen C 12, der wagenbaulich mit dem Tw 11 identisch war. Der Verkehr entwickelte sich ausgesprochen erfreulich. Schon 1895 folgte ein Personentriebwagen mit Gepäckabteil CFe 2/2 1 (Doppelbesetzung!). Alle bisher erwähnten Fahrzeuge stammten von SIG Neuhausen. Der Güterverkehr nahm innert weniger Jahre unglaubliche Ausmasse an, mit mehreren Anschlussgleisen ab der einzigen Zwischenstation Les Granges. 1902 lieferte SWS Schlieren den Gepäcktriebwagen Fe 2/2 32. Für die immer wieder vorkommenden Gesellschaftsfahrten kaufte die OC 1905 zwei gebrauchte Personenwagen von der jungen SBB und setzt sie bis 1950 als C 22-23 gelegentlich ein.
1908 oder 1909 wechselten der Ce 2/2 und der CFe 2/2 die Nummer, die beiden Fe 2/2 erhielten die neuen Nummern 31 und 32, der einzige Personenwagen erhielt die Nummer 21, also: Ce 2/2 1, CFe 2/2 11, C 21-23 und Fe 2/2 31-32. 1915 und 1920 baute SWS Schlieren für die OC je einen vierachsigen Triebwagen CFe 4/4 12 und 13. Deshalb konnte der Ur-Tw Ce 2/2 im Jahre 1919 demotorisiert werden, fortan lief er als Personenwagen C 24. Schon 1922 musste für den stetig anwachsenden Güterverkehr ein dritter Gepäcktriebwagen Fe 2/2 33 angeschafft werden. Er kam wiederum aus Schlieren. 1950 wurden die beiden altertümlichen Gesellschaftswagen C 22-23 mit Baujahr 1862 durch den C 25 ex Sihltalbahn C 22 (SIG Neuhausen, 1892) ersetzt. Zur gleichen Zeit machte der aus dem Eröffnungsjahr stammende Fe 2/2 31 endgültig schlapp. Im Personenverkehr wechselten sich ab 1950 die beiden CFe 4/4 12 und 13 ab, für den Güterverkehr wurden sowohl Fe 2/2 32 und 33 benötigt. Als Zusatzwagen für den Personenverkehr standen C 21, C 24 (ex Ce 2/2 1) und C 25 (ex Sihltalbahn) zur Verfügung.
Weil täglich zwei Tfz für den Güterverkehr benötigt wurden und der zweiachsige CFe 2/2 11 von 1894 ab 1969 auch als Reservefahrzeug nicht mehr zu gebrauchen war, leistete sich die OC im Jahre 1970 den Kauf von zwei modernen elektrischen Rangierlokomotiven Ee 2/2 1 und 2. CFe 2/2 11 wurde als Ausstellungsobjekt an das Verkehrshaus der Schweiz in Luzern abgegeben. Fe 2/2 32 wurde für den Verschub von Güterwagen in Orbe stationiert, Fe 2/2 33 als Notreserve in Les Granges. Die drei verblieben Personenwagen kamen praktisch nie mehr auf die Strecke. In diesem Zustand besuchte ich die Bahn mehrmals ab 1973. Tw 12 von 1915 war schon früh in der neuen Warnfarbe Orange gestrichen. Meine ersten Bilder stammen von einem trüben Tag im April 1976. Bereitstellung und Ausfahrt aus Orbe.
Nachschuss in Les Granges, bei strömendem Regen.
Im März 1979 musste BDe 4/4 12 mit einigen erst grundierten Flicken auf die Strecke, als Folge einer Streifkollision mit einem Strassenfahrzeug.
Einfahrt Les Granges.
Im Laufe der Jahre gelangen mir vom BDe 4/4 12 auch ein paar Schönwetteraufnahmen. Hier steht er in Gesellschaft von Ee 2/2 2 und De 2/2 32 in Orbe. Vor der elektrischen Rangierlokomotive stehen die beiden einzigen Dienstwagen X 41 (Schneepflug) und X 42 (Unkrautvertilgung).
Man beachte den Blumenschmuck am Bahnhofgebäude!
Ausfahrt aus Orbe. Im weissen Gebäude befindet sich die OC-Werkstätte.
Auf dem Viadukt über die Orbe. In der Schlucht steht das Kraftwerk der „Usines d’Orbe“, der Besitzerin und Energielieferantin der kleinen Bahn.
Unmittelbar nach dem Viadukt kreuzt die OC die steile Route de St-Eloi. Hier befindet sich auch die nur im Personenverkehr bediente Haltestelle St-Eloi.
Tw 12 der OC spiegelt sich in der vom letzten Regenguss noch feuchten Strassenoberfläche.
OC BDe 4/4 12 überquert die kanalisierte Thielle, einen wichtigen südlichen Zufluss des Neuenburgersees.
In Chavornay müssen die Fahrgäste auf die Züge der SBB umsteigen. Die Gleichstromfahrleitung endet hier.
Das waren meine Bilder vom BDe 4/4 12, Baujahr 1915. Das ehrwürdige Fahrzeug wurde 2002 abgebrochen.
Fortsetzung folgt.
Gruss Werner
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