Moin,
von einem Kurzbesuch in den o.g. Ländern vom 23. – 25.5.1978 sind einige Fotos auf Lager, die ich Euch zeigen möchte. Nachdem im DB-Bereich der Dampfbetrieb zu Ende war, mußte man sich zwangsweise auswärts umschauen. Irgendwie kam zusammen mit einem Kollegen – er im Bw Haltingen, ich früher auch ganz in der Nähe davon – die Idee auf, einmal 57er mit Ölfeuerung zu fotografieren, die das Bw Haltingen ja nur mit Kohlefeuerung hatte. Also auf nach Rumänien; auf dem Rückweg sollte auch in Ungarn einiges an Dampf mitgenommen werden. Da wir damals beide aktive Eisenbahner waren, fielen keine Fahrtkosten an, ansonsten wäre diese Tour für drei Tage vom finanziellen Aufwand her wohl unvertretbar gewesen.
Die Anfahrt erfolgte mit D 229 „Johann Strauss“ von Frankfurt nach Wien, dort weiter mit Ex 263 „Orient-Express“ über Nacht durch Ungarn bis nach Simeria in Rumänien, wo wir morgens gegen 6.30 Uhr eintrafen. Doch zuerst einmal eine Karte, damit man die Lokalität einordnen kann:
Ausschnitt aus der Karte „Rumänien, Bulgarien“ aus dem DB-Auslandskursbuch 1982. Lököshaza und Curtici sind die Grenzbahnhöfe, über die der Orient-Express Rumänien erreichte. Von Curtici nach Simeria sind es gem. Kursbuch 175 km.
In Simeria fotografierte ich zwar auch, der Film wurde mir jedoch am nächsten Tag in Ungarn gestohlen; dazu späte mehr. Von meinem Kollegen Ronald Krug gibt es zwei Fotos in Simeria, die leider unter katastrophalen Wetterbedingungen aufgenommen wurden - soll heißen, die Fotos haben dokumentarischen Charakter, für einen Fotowettbewerb sind sie hingegen nicht geeignet.
Immerhin erwischten wir noch eine rumänische P 8 im Einsatz, hier 230.034 am 23.5.1978 in Simeria, fotografiert mit 1/30 sec aus dem fahrenden Zug.
Ebenfalls in Simeria aus dem fahrenden Zug wurde die G 10 mit der CFR-Nummer 50.191 erwischt.
Nach ca. 2 Stunden traten wir die Rückfahrt in Richtung Ungarn an, wohl auch nach dem Motto „Schlimmer kann das Wetter eigentlich woanders auch nicht sein“. Daß es nicht nur eine Fahrt, sondern streckenweise ein Fußmarsch werden sollte, ahnten wir noch nicht. Bei Halta Nadas, etwa nach 2/3 der Strecke von Simeria nach Arad, wurden Schienen ausgewechselt. Der Zug hielt auf freier Strecke und die Reisenden wurden zum Verlassen des Zuges aufgefordert. Der Fußmarsch von ca. 2 km erfolgte zuerst im Schotter, dann über einen Feldweg zur parallel verlaufenden Straße und schließlich auf der Straße bis zum nächsten Haltepunkt – das Ganze, um das Erlebnis abzurunden, im strömenden Regen.
Wer schon kein Fahrgeld bezahlt, der soll auch zu Fuß gehen.
Bis hierher und nicht weiter.
„Fahrgäste“ der CFR.
Fröhliches Beisammensein.
Nach etwa 3 Stunden kam ein Personenzug langsam rückwärts geschoben aus Richtung Arad an, um die Steh- und Fahrgäste aufzunehmen. Die Einheimischen nahmen das alles ganz ruhig und gelassen; sie waren offenbar einen derartigen Kundendienst der Eisenbahn gewohnt – wir damals noch nicht. Gegen 16 Uhr erreichten wir Arad, d.h. für die 158 km von Simeria waren wir rund 7 Stunden unterwegs.
Meine ersten beiden SW-Fotos in Arad entstanden auf Ilford HP5, auch Doppelkorn-Film genannt (1 schwarzes und 1 weißes Korn), die restlichen zum Glück auf FP4.
Eine Lok der Baureihe 040 EA, die ihre schwedische Herkunft kaum verleugnen kann, Arad 23.5.1978.
Ebenfalls schwedischen Ursprungs ist die 6-achsige Baureihe 060 EA, Arad 23.5.1978. Mehr Details über diese Baureihe gibt es hier: [
www.trenulete.ro]
Eine ex preuß. G 10 mit Öl-Zusatzfeuerung, deren Nummer 50 236 oder 50 238 heißen könnte, Arad 23.5.1978.
wie vor
Ronald Krug lichtete eine CFR 50 in Farbe ab, Arad 23.5.1978, wobei ich nicht weiß, ob es sich um die gleiche Nummer wie bei den Schwarzweißfotos vorher handelt. Das beige/grüne Fahrzeug rechts dürfte ein VT sein.
Eine Fuhre aus mehreren Dieseltriebwagen und Beiwagen, Arad 23.5.1978.
60-1209 der Baureihe 060 DA (6 Lok von SLM Winterthur, Rest in Rumänien in Lizenz gebaut), Arad 23.5.1978
040-EC-050 (ASEA-Lizenzbau bei Koncar in Jugoslawien), hinten rechts ein Diesel der Baureihe 060 DA, Farbfoto von Ronald Krug, damit man auch einmal die Farben der CFR sieht, Arad 23.5.1978.
Zwei Lok der Baureihe 060 DA vor einem längeren Reisezug, Arad 23.5.1978.
Im weiteren Fahrtverlauf war auch die Grenzkontrolle in Curtici bemerkenswert. Daß wir gefilzt wurden als vermeintliche westliche Spione, mag aus dem Horizont der dortigen „Organe“ noch verständlich sein; u.a. wollten die Schergen uns unterstellen, Devisen außer Landes zu schmuggeln. Aber anscheinend trauten sich die „sozialistischen Brüder“ gegenseitig auch nicht. Wie da der Zug vor der Abfahrt nach Ungarn überprüft wurde, einschließlich Schäferhund unter den Wagen durchlaufen lassen, das stand der Prozedur in Gerstungen oder Oebisfelde nicht nach.
Zur besseren Übersicht in Ungarn hier erst einmal das Streckennetz mit den rot markierten, für unsere Tour relevanten Bahnhöfen:
Karte „Ungarn“ aus dem DB-Auslandskursbuch 1982.
In Lököshaza, immer noch am 23.5.1978, konnte diese Dampflok im Vorbeifahren abgelichtet werden. Durch den Dampf ist keine Nummer erkennbar, das Fahrwerk ist zu dunkel, vermutlich ist es eine 1‘C1‘.
V 43.1226 und zwei weitere V 43, eine in Ungarn von Ganz gebaute Baureihe mit 379 Stück, Lököshaza 23.5.1978.
Nach der Übernachtung in Szolnok wurde im dortigen Bahnhof am 24.5.1978 die V 43.1016 aufgenommen.
Ronald Krug lichtete in Szolnok diese vermutlich bereits ausgemusterte Dampflok ab.
Hier [
www.drehscheibe-foren.de] findet sich ein Hinweis von Helmut auf die Baureihe.
Dank an Sandor für die endgültige Aufklärung, nachdem es sich um folgende Lok handelt: GySEV Lokomotive 403.507 (Budapest 5068/1930; 1'D-h2 -> DSA 140.07 -> 1932: MÁV 403.507 -> 1957: GySEV).
Ebenfalls in Szolnok erwischte er diese Dampflok unter der Bekohlung, vermutlich eine 1‘C1‘ der Reihe 375.
Von Szolnok ging die Fahrt über Budapest nach Komárom. In Budapest mußten wir umsteigen. Der Aufenthalt betrug rund eine ¾ Stunde, es entstanden aber keine Fotos vom Bahnsteig aus, vermutlich weil es dort von Schergen nur so wimmelte. Die Fotos in Budapest wurden alle aus dem fahrenden Zug heraus fotografiert.
Eine Rangierlok der Baureihe M 44, Budapest 24.5.1978.
Mehrere V 43 warten auf neue Arbeit, Budapest, unmittelbar vor der Einfahrt in den Bf Keleti pu., 24.5.1978.
Fast an der gleichen Stelle schoß Ronald Krug dieses Dia, damit man auch einmal sieht, wie die V 43 damals angestrichen waren.
Wesentlich interessanter als die vermastete M44 dürfte hier der Schienen-Lkw nebst Anhänger sein, Budapest 24.5.1978.
Ausfahrt aus Budapest mit abgebügelter V 43 und Vorspann M 62 bis Budapest-Ferencváros wegen Fahrleitungsarbeiten.
Von der Rampe zur Donaubrücke konnte eine Straßenbahn abgelichtet werden, Budapest 24.5.1978.
Fast so schön wie in Köln mit der alten Rheinuferbahn.
Und nochmal vom Fluß aus gesehen.
Up de schäl Sick, um im Kölner Jargon zu bleiben, liegt der Bahnhof Budapest-Kelenföld, wo M 40.228 mit ihrem Personenzug parallel zu unserem Zug fuhr.
411.179 im Az-Dienst bei Bicske, 24.5.1978. Die Reihe 411 ist eine amerikanische Lieferung nach dem 2. Weltkrieg, siehe: [
en.wikipedia.org]
Von der Tenderseite gesehen hieß die gleiche Lok 411.302, was vermutlich auf einen Tendertausch ohne Änderung der Nummer zurückzuführen ist.
424.287 im Bereich von Gleisbauarbeiten bei Bicske am 24.5.1978. Die Reihe 424 war so eine Art Universallok, gebaut von 1924 bis 1958 in über 500 Exemplaren, siehe: [
en.wikipedia.org]
Dieselbe von anderen Seite.
Bei einem Zwischenhalt in Almásfüzitö kam Ronald Krug die 424.335 mit ihrem Personenzug nach Esztergom vor die Linse. Aussprachevorschläge für „Almásfüzitö“ werden gern entgegengenommen.
520.008 in Komárom am 24.5.1978. Die Herkunft dieser Baureihe darf ich als bekannt voraussetzen.
Im Bw Komárom steht vor dem Schuppentor 424.297, dahinter eine weitere 424, die Lok rechts daneben dürfte der Reihe 324 (1‘C1‘) angehören.
Auf Ronald Krugs Dia ist im Hintergrund die Donau (hier Grenzfluß), die Straßenbrücke und ein Teil des Ortes Komárno in der CSSR zu sehen. Dem Rost nach scheint die 324 außer Betrieb zu sein.
Die Lokaufstellung von der anderen Seite zeigt eine weitere Lok der Reihe 324 mit reichlich Blumenerde auf dem Tender, die noch im Einsatz ist, wie Dampf und Qualm beweisen.
Nach diesem letzten Foto des Bw verließen wir hier die Fußgängerbrücke und wurden, nachdem wir kaum 5 Minuten auf dieser Brücke verbracht hatten, bereits von irgendwelchen militaristischen „Organen“ in Empfang genommen und vorläufig festgenommen. Man konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, rund die Hälfte der Bevölkerung sei mit Bespitzelung und Denunziation beschäftigt. Nachdem nach rund einer Stunde ein Dolmetscher herbeigeschafft worden war, wurde uns von dem Obermilitaristen „selbstverständlich“ Spionage vorgeworfen. Wir konnten anscheinend irgendwie glaubhaft machen, daß unser Tun, das Fotografieren von 30 bis 70 Jahre alten Dampflok, eher als harmlos einzustufen ist. Dennoch wurde mir ein belichteter Diafilm aus der 6x6-Kamera weggenommen, angeblich, weil man nicht sicher sein könne, daß nicht doch „kompromittierendes Material“ darauf sei; rechtlich werte ich das als Diebstahl. Meine kleine Rollei 35 hatte Ronald Krug vorher rechtzeitig in seinem weiten Jackenärmel verschwinden lassen, so daß meine SW-Fotos vollständig gerettet wurden.
Bei der Abfahrt aus Komárom nach Györ ließ ich mir es freilich nicht nehmen, die CSD S 499 008 zu fotografieren. Die Lok ist im Prinzip wie eine Modell-Lok aufgebaut: Metall-Fahrwerk mit Plastik-Gehäuse, siehe auch: [
de.wikipedia.org]
Zwischen Györ und Celldömölk benutzten wir diesen Zug mit einer 424. Kann zufällig jemand die Örtlichkeit anhand des Kilometersteins (477) feststellen?
Im weiteren Verlauf der Fahrt von Celldömölk nach Szombathely, wo wir erst abends nach 21 Uhr eintrafen, fungierte eine M 62 als Zuglok.
Nach der Übernachtung in Szombathely begaben wir uns am nächsten Morgen, dem 25.5.1978, an die Ausfahr-/Einfahrkurve nördlich vom Bahnhof an der Strecke nach Celldömölk, wo uns als erster dieser Zug mit 424.198 vor die Linse kam. Da wir von den Nachstellungen durch irgendwelche „Organe“ die Nase voll hatten, bevorzugten wir nun die „Spionagetätigkeit“ im freien Feld.
Nachschuß auf den gleichen Zug.
Der nächste Zug war verdieselt mit M 62.218 ...
... und hatte am Schluß einen VT mit zwei Anhängern.
Gegen 11.30 Uhr verließen wir Szombathely in Richtung Sopron. Aus dem abfahrenden Zug wurde noch eine nicht identifizierbare 424 mit einem Güterzug fotografiert.
Dieselbe, rechts daneben ein VT, Szombathely am 25.5.1978.
Zwischen Bük und Lövö mußten wir wegen Gleisarbeiten einen Bus benutzen. In Lövö gelang Ronald Krug diese Aufnahme einer offensichtlich ölgefeuerten 424, hinter der wir die Reise nach Sopron fortsetzten.
Bei der Einfahrt in Sopron erlegte Ronald Krug diese 424 von der Breitseite.
Im Bw stand eine 424 und eine 520 vor dem Schuppen; Foto Ronald Krug, Sopron am 25.5.1978.
Um 15 Uhr machten wir uns auf die Rückfahrt nach Györ. Wenige Kilometer südöstlich von Sopron, im Bf Fertöboz, zweigt eine 1972 gebaute Pioniereisenbahn in 760 mm Spurweite nach Nagycenk ab, siehe: [
de.wikipedia.org]
Im Vorbeifahren, leider gegen die Sonne, erwischte ich zufällig den Schmalspurzug.
In Csorna konnte ich aus dem fahrenden Zug 424.241 mit einem Güterzug ablichten.
Ronald Krug fotografiert die ölgefeuerte 424.150 vor dem EG, Csorna am 25.5.1978.
Gegen 16.30 Uhr erreichten wir Györ, wo ich im Vorbeifahren 324.503 und 411.192 aufnahm, die den rostigen Radreifen nach offenbar schon länger nicht mehr unter Dampf waren.
Ebenfalls in Györ gelang diese Aufnahme einer ausfahrenden 424 mit einem Personenzug.
Nach 17 Uhr nahmen wir den nächsten Zug zum Grenzbahnhof Hegyeshalom, wo im Bahnhof die Ausreisekontrolle stattfand, bevor man den Zug nach Wien besteigen konnte. Hier wurde uns zwar nichts konkret unterstellt, aber ohne jegliche Schikane wollte man uns doch nicht aus dem Land entlassen, indem man uns die Pässe abnahm und erst nach ungebührlich langer Zeit zurückgab. Der Zug nach Wien wurde jedoch noch erreicht.
Ab Wien erfolgte die Rückfahrt mit Ex/D 222 „Wien-Holland-Express“. Da wir uns die vergangen drei Tage landestypisch ernährt hatten, behielten wir bis Koblenz, wo wir ausstiegen, unser Abteil für uns allein. Mehrere Reisende hatten zwar die Abteiltür geöffnet, sie jedoch sekundenschnell wieder geschlossen. Da muß wohl ein leichter Knoblauchduft im Raum gewesen sein.
Fazit der Reise: Es gab viel vorher Unbekanntes zu sehen, insofern war es eisenbahntechnisch auf jeden Fall interessant und lohnenswert. Die übrigen Begleitumstände jedoch, die die osteuropäischen Parteidiktaturen mit sich brachten, veranlaßten mich nach der Reise zu dem Beschluß, diese Länder nicht wieder zu betreten. Wo man von Staats wegen bespitzelt, schikaniert, beklaut und der Freiheit beraubt wird, muß ich nicht unbedingt meine Freizeit verbringen. Heute könnte man diesen Beschluß zwar revidieren, aber es gibt ja dort keinen Dampfbetrieb mehr.
Gruß
Willi
2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2011:06:20:10:24:51.