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 04 - Historisches Forum 

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Bilder, Dokumente, Berichte und Fragen zur Vergangenheit der Eisenbahn und des öffentlichen Nahverkehrs - Bilder vom aktuellen Betriebsgeschehen bitte nur im Zusammenhang mit historischen Entwicklungen veröffentlichen. Das Einstellen von Fotos ist jederzeit willkommen. Die Qualität der Bilder sollte jedoch in einem vernünftigen Verhältnis zur gezeigten Situation stehen.
Dies ist KEIN Museumsbahnforum! Bilder, Meldungen und Fragen zu aktuellen Sonderfahrten bitte in die entsprechenden Foren stellen.
Hallo Gemeinde,
unser heutiger Ausflug führt uns im Juni 1990 in den Norden Argentiniens, genauer gesagt, in die staatliche Zuckerfabrik Ledesma und damit in die
SCHMUDDELIGSTE WERKSTATT DER SÜDLICHEN HEMISPHÄRE:

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Die meterspurige Henschel DH220 im Hintergrund (26592/1956) war zum Besuchszeitpunkt defekt abgestellt.
Zusammen mit zwei Freunden besuchte ich seinerzeit meinen Freund Kralli, der in Salta an seiner Doktorarbeit werkelte. Damit hatten wir den riesigen Vorteil, einen Begleiter zu haben, der nicht nur Sprache sondern auch landestypische Verhandlungstechniken perfekt beherrschte. Übereinstimmende Berichte in „World Steam“ und „Dampf&Reise“ sprachen von einem Rest-Dampfbetrieb in Ledesma. Nach einer längeren Sitzung im Büro des indischstämmigen PR-Managers bekamen wir Einlaß ins Werk (Kralli hatte bereits vorher das Wesentliche mit dem Werkstattchef geklärt, hielt es aber für angebrachter, den Dienstweg einzuhalten). Auf dem meterspurigen Anschluß zur Staatsbahn teilte sich ein amerikanischer Kleindiesel die Arbeit mit Loc 14 (O&K 1920, dahinter Lok 11 und eine weitere abgestellt):

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Damit wäre ja eigentlich alles schön gewesen, wenn ich mich nicht an diesem Abend total verguckt hätte (Lok 18, Henschel 28456/1959):

http://www.dampfhappi.de/argentinien/ledesma18a.jpg

Naja, für den nächsten Tag war eine Besichtigung der 700mm-Plantagenbahn ausgemacht, deren Netz rund 200km umfassen sollte. Dampf war vage vereinbart, und so war ich eigentlich guter Dinge, als wir uns am nächsten Morgen wieder einen Weg durch den Ölschlamm bahnten. Leider gab es keinen Dampf, da man in der zurückliegenden Erntepause auf den Fahrgestellen dreier O&K-D-Kuppler aus den 20ern selber Dieselloks gebaut hatte, auf die man sehr stolz war. Unter Verwendung von Teilen aus Zuckerrohr-Erntemaschinen wurde beidseitig ein außen liegender Antrieb über Rollenketten konstruiert.

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Extra für uns hatte man auch eine Probefahrt anberaumt:

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Zwei der drei Loks kehrten von dieser Fahrt nicht mehr mit eigener Kraft zurück:

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Inzwischen war mein Frust, für die dicke Henschel offensichtlich zu spät gekommen zu sein, ins Unermessliche gewachsen (Tenor: „Dieselloks gibt’s bei uns auch, dafür brauche ich nicht um die halbe Welt zu fliegen"), den Ausfall der Diesel konnte ich dann auch nur mit bitterem Spott begleiten. Mein Koller mündete nach bewährter „Ich halte die Luft an“-Methode in der Aussage „Ich gehe hier nicht weg, bevor so eine Henschel läuft – und wenn ich sie selber anheizen muß“. Jetzt zeigte sich, was ein guter Freund wert ist (obwohl ich eigentlich allen ziemlich auf den Keks ging). Kralli übersetzte den Kern meiner Aussage, nicht ohne hinzuzufügen „Ich kenne den, der macht das tatsächlich ...“
Mein implizites Angebot der Mitarbeit muß den Werkstattchef wohl so beeindruckt haben, dass wir einige Tage später noch einmal kommen durften. Nach 9 Monaten Standzeit hatte man die 18 in die Werkstatt geholt. Erstmal musste der Stutzen für die Wasserbefüllung mit sanfter Gewalt geöffnet werden:

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Eigentlich hatte ich mir das Ganze einfach vorgestellt: 14 daneben, mit Fremddampf die ölgefeuerte 18 aufblasen, Brenner zünden – fertig. Nun, die 14 war weit und breit nicht zu sehen, dafür gab es nach erfolgtem Anheizen im ganzen Werk keine alten Paletten mehr ...
Die Ölausgabe bestand übrigens aus einem der auf Bild 1 zu sehenden Fässer, das über einem Graben lag. Kanne drunter halten, Faß drehen, bis Öl kommt ... Später habe ich gelesen, dass die Luttermöller-Antriebe der Endachsen um die 40 Liter Öl benötigen, noch heute ist mir das „Mucho! Mucho!“ im Ohr, mit dem ich beim Abschmieren auf die Trichter hingewiesen wurde. Das Werkstatt-Personal verlor dann endgültig die Fassung, als Marcus meinte, die Lok waschen zu müssen.

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Endlich ging es los. Wir hatten zwar um einen fotogenen Leerzug gebeten, uns aber damit mitten in ein Politikum begeben. Offiziell hatte man ja neue Dieselloks, also durfte es keinen Zuckerrohrzug mit Dampf mehr geben. Wenigstens durften wir die beiden Personenwagen mitnehmen.

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Zwischendurch musste von allen Seiten kontrolliert werden.

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Kurz vor Einbruch der Dunkelheit und vor Erreichen des Werks sah es dann wirklich aus wie bei einer (schlecht bedienten) Öllok.

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Die ganze Aktion hatte uns nur ein abendliches Grillen mit dem Werkstattpersonal gekostet. Meines Wissens war das der letzte Einsatz der 18. Vor einigen Jahren wurde sie im Internet zu Kauf angeboten. Da ich weder eine 700mm-Strecke zur Hand habe, noch mein Garten groß genug ist, konnte ich nicht zugreifen. Die Diesel sind wohl nie ans Laufen gekommen ...



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2006:06:09:21:27:26.

Ein lesenswerter Beitrag!

geschrieben von: HelmutW

Datum: 09.06.06 21:34

Hallo dampfhappi!

Deinen Bericht, garniert mit gelungenen Fotos, hat mir sehr gut gefallen! Prima Beitrag!

Gruß aus Oberhausen von Helmut Wülfing

klasse :) (o.w.T)

geschrieben von: Joachim Leitsch

Datum: 09.06.06 21:44

(Dieser Beitrag enthält keinen Text)
Das sind Erlebnisse, die spannend zu lesen sind und dazu hast Du sie mit sehr schönen Bildern unterlegt.

Klasse!

http://www.guidorademacher.de/Banner.jpg

Ein Genuss in Bild und Wort !

geschrieben von: Marina´s Heizer

Datum: 09.06.06 22:53

Klasse Beitrag - so etwas ist ein echter Sinnesgenuss.
Danke für Dein gut gestaltetes und informatives Posting !

Beste Grüße, Michael :-) https://abload.de/img/mk201402sr40g127satt1guj69.jpg ... und immer schön die Kurbel fest im Griff !

Re: ´s is scho´a Wahnsinn...! (o.w.T)

geschrieben von: Ossi

Datum: 09.06.06 23:02

(Dieser Beitrag enthält keinen Text)
Grüße aus Ostfriesland
Helmut

Klasse Bericht!

geschrieben von: Volker

Datum: 09.06.06 23:06

Super Story, ebensolche Bilder. Die Diesel sehen auch sehr abenteuerlich aus - es wäre erstaunlich gewesen, wenn sie wirklich funktioniert hätten ;-)
Nur eins kann ich mir kaum vorstellen - wie aus dieser "Dreckfabrik" etwas halbwegs Genießbares kommen sollte...

Gruß, Volker
Das ist mal wieder so ein Beitrag nach einem Geschmack. Es geht nichts über Sweat Steam. Die Luttermöller O&K kommt mir sehr bekannt vor, siehe Kediri, Ost-Java. Ich will dieses Jahr im September da hin.

Eine Schande sind diese "Diesellokumbauten", auf was für Ideen die kommen, unfassbar!

Schmutzigste Bahnwerkstatt der südlichen Hemisphäre? Also ich denke da können die Dipo Lokomtiv auf Java locker mithalten...!

Übrigens kommen die Fotos auf nserem neuen 82er TFT-Fernseher mit angeschlossenem Multimedia-Conmputer voll gut rüber!!! So macht Hifo noch mehr Spaß.

kondensierte Grüße, Stefan

https://www.drehscheibe-online.de/foren/file.php?099,file=190387
Kondenslok.de (temporär offline) + Industrial Railways of Indonesia SIG (fc)
Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. Wer sich über Signaturen aufregt, hat sonst nix zu sagen.




2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2006:06:10:07:59:36.

Alle Achtung ...

geschrieben von: 03 1008

Datum: 10.06.06 14:27

... vor so viel Hartnäckigkeit!

Hier noch ein paar Angaben zu den Meterspur-Dampfloks aus CRJ 80, S. 258:

11 Ct O&K 9414/1920
13 Bt O&K 9908/1922
14 Ct O&K 10092/1926

Dem Bericht zufolge waren die #14 und die 700 mm # 16 (Henschel 28454/1959) und # 18 im September 1989 in Betrieb. Der Beitrag enthält auch eine schöne Betriebsaufnahme der # 16 (leider sehr spitz aufgenommen) von A. Eaton. Wenn Du den Bericht nicht kennst, lasse es mich bitte hier wissen. Ich setze mich dann mit Dir in Verbindung.

Ganz herzlichen Dank für dieses Super-Posting mit den eindrucksvollen Bildern!

CRJ? - Gerne!

geschrieben von: dampfhappi

Datum: 10.06.06 14:34

Danke für die Blumen! An einer Kopie oder einem Scan des mir unbekannten CRJ-Artikels wäre ich sehr interessiert (dampfhappi ätt gmx.de).

Eine Wahnsinnsgeschichte ...

geschrieben von: Bernhard Terjung

Datum: 11.06.06 11:04

... eine von denen, die man nie vergisst, wenn man dabei war! Und tolle Bilder; mein Favorit ist das vorletzte Bild mit "Straßenbahn"

Re: Ledesma "18"

geschrieben von: Christian Kamrath

Datum: 13.06.06 17:43

Sagenhafte Geschichte und sehr nette Fotos von "dampfhappi".

Zum Bau/Lieferjahr (womit die Problematik schon umrissen ist) der Et "18" hätte ich aber
noch eine Frage: HENSCHEL, ADtranz (und wahrscheinlich auch BOMBARDIER) nennen als
letzten Dampflokneubau immer die "Hibernia 59-D" von 1958. Bei den Loks He 28454 - 28456/59
steht auch in der LR-Lieferliste "bereits 1948 gebaut?". Nun ist auf den Fotos von 1990 auch
kein Lok-/Rahmenfabrikschild zu erkennen. Ist aber wenigstens bekannt, was "genau" auf dem
Kesselschild steht/stand? Sonstige Informationen wären aber auch willkommen.

Mit freundlichen Grüßen
Christian Kamrath

Kesselschild 1959!

geschrieben von: dampfhappi

Datum: 14.06.06 19:19

Das Kesselschild sagte definitiv 1959! Lok 16 war zum Zeitpunkt des Besuchs angeblich kaputt, Lok und Tender waren von einander getrennt, Lok 17 sah noch halbwegs manierlich aus.
Ein astreiner Artikel !!!

Die Bilder sind ja erschreckend. Das ist ja die übelste Dorfschmiede die ich je gesehen habe.