Anzeige
04 - Historisches Forum
Bilder, Dokumente, Berichte und Fragen zur Vergangenheit der Eisenbahn und des öffentlichen Nahverkehrs - Bilder vom aktuellen Betriebsgeschehen bitte nur im Zusammenhang mit historischen Entwicklungen veröffentlichen. Das Einstellen von Fotos ist jederzeit willkommen. Die Qualität der Bilder sollte jedoch in einem vernünftigen Verhältnis zur gezeigten Situation stehen.
Dies ist KEIN Museumsbahnforum! Bilder, Meldungen und Fragen zu aktuellen Sonderfahrten bitte in die entsprechenden Foren stellen.
Dies ist KEIN Museumsbahnforum! Bilder, Meldungen und Fragen zu aktuellen Sonderfahrten bitte in die entsprechenden Foren stellen.
Oberallertalbahn: Wie alles begann (viel Text, m.B)
geschrieben von: Thomas Teuteberg-Kempf
Datum: 19.09.05 19:42
Guten Abend, liebe Hifo-Besucher,
heute möchte ich an eine Strecke erinnern, auf der sich seit gut zehn Jahren überhaupt nichts mehr tut: an die "Oberallertalbahn" von Celle nach Gifhorn Stadt, deren Streckenverlauf nachstehende Karte zeigt:
Nach ersten Initiativen zum Bau 1866 vergingen 47 Jahre bis zur Betriebsaufnahme 1913. Noch im Jahr 1910 wurde beispielsweise über die nördliche oder südliche Einführung in den Celler Bahnhof gestritten...
Machmal beschleubigen sich langwierige Entscheidungsprozesse durch das tatkräftige Handeln eines Einzelnen. Das dies auch bei der Oberallertal der Fall war, zeigt ein "Besuch" in Lüneburg im Jahr 1905:
"Ein Brief des Regierungspräsidenten
Herr von Oertzen ist ungnädig. Das Wetter in Lüneburg an diesem Novembertag im Jahre 1905 ist schlecht und zu allem Überfluß hat ihm sein Sekretär diesen Vorgang mit der Eisenbahn auf den Tisch gelegt. Schon von seinem Vorgänger übernommen und immer noch nicht erledigt! Können die sich denn nicht von allein einigen? Wie lange geht das eigentlich schon? Mit spitzen Fingern blättert der Regierungspräsident in dem umfangreichen Ordner. Er sucht das Datum auf dem ersten Schriftstück, das schon leicht vergilbt ist. Sapperlot! Das Schreiben stammt aus dem Jahr 1866 und ist damit bereits 39 Jahre alt. Unglaublich! Das geht nun entschieden gegen seine Ehre als preußischer Beamter. Er wird es den Kerlen schon zeigen! Das wird unverzüglich erledigt! Er ruft seinen Sekretär und diktiert ihm einen Brief, den die erstaunten Empfänger wenige Tage später in den Händen halten.
„Es ist erwünscht, die noch immer schwebende Frage der Erbauung einer Staatsbahn von Celle nach Leiferde oder aber von Celle nach Gifhorn durch eine Verständigung der beiderseitigen Interessenten endgültig zum Abschluß zu bringen, wenn anders nicht die Hoffnung auf baldigen Ausbau der Oberallertalbahn aufgegeben werden soll.
Ich habe deshalb, um eine solche Einigung herbeizuführen, einen Termin auf Sonnabend den 18. d. Mts. in Celle (Rathaus, Sitzungssaal) 3 Uhr nachmittags anberaumt.
Den Kreisausschuß ersuche ich, sich an der Besprechung zu beteiligen und zu diesem Zwecke drei Vertreter nach eigenem Ermessen zu bevollmächtigen.
gez. von Oertzen“
Herr von Oertzen entläßt seinen Sekretär und betrachtet die Welt mit anderen Augen. Der Fall würde nun ein für allemal gelöst werden, da ist er sicher. Er lehnt sich in seinem Schreibtischstuhl zurück und überläßt sich für einen Augenblick den Erinnerungen an die Vergangenheit. Wie war das damals mit dem Transport von Reisenden und Gütern?
Da gab es doch unter anderem die Flößerei, die ungefähr von 1659 bis 1878 auf lse, Aller und Ortze betrieben wurde. Viel Holz gelangte so über die Aller zu den Schiffsbaubetrieben nach Bremen und führte zu schönen Steuereinnahmen .
Doch für den Personentransport taugte die Flößerei nur bedingt und deshalb bedienten sich Reisende damals der „fahrenden Post“. Die Linie zwischen Celle und Gifhorn wurde am 1.10.1779 eingerichtet und zweimal wöchentlich befahren. Bald langte das nicht mehr und vom 1.1.1824 an verkehrte die Postkutsche Celle - Langlingen - Gifhorn sogar an drei Tagen in der Woche bis Fallersleben.
1847 änderte sich die Linienführung etwas und am 1.12.1872 mußte die Verbindung sogar eingestellt werden. Grund dafür war der Bau der Eisenbahnlinie von Lehrte über den Bahnhof Meinersen nach Berlin. Mit der Inbetriebnahme dieser Strecke am 1.11.1871 verlor die Postkutschen-Verbindung zwischen Celle und Gifhorn innerhalb eines Jahres völlig an Bedeutung
Eine Postkutsche beförderte damals sechs oder acht Reisende, aber schon die erste Eisenbahn von Nürnberg nach Fürth schaffte 1835 mit einer einzigen Fahrt zweihundert Menschen
Herr von Oertzen beendet ein wenig nachdenklich seine Träumerei. In seiner Jugend war er selbst noch mit der Postkutsche gefahren und es hatte ihm gut gefallen, aber die Überlegenheit der Eisenbahn war so eindeutig und riesengroß, daß es endlich Zeit wurde, eine Verbindung von Celle nach Gifhorn zu schaffen. Dafür würde er schon sorgen!"
Nach diesem kleinen Ausflug in die Verkehrshistorie darf natürlich auch ein zeitgenössisches Bild nicht fehlen: Bahnbau bei Wilsche im Jahr 1912
Fortsetzung folgt
Gruß an alle
Thomas
heute möchte ich an eine Strecke erinnern, auf der sich seit gut zehn Jahren überhaupt nichts mehr tut: an die "Oberallertalbahn" von Celle nach Gifhorn Stadt, deren Streckenverlauf nachstehende Karte zeigt:
Nach ersten Initiativen zum Bau 1866 vergingen 47 Jahre bis zur Betriebsaufnahme 1913. Noch im Jahr 1910 wurde beispielsweise über die nördliche oder südliche Einführung in den Celler Bahnhof gestritten...
Machmal beschleubigen sich langwierige Entscheidungsprozesse durch das tatkräftige Handeln eines Einzelnen. Das dies auch bei der Oberallertal der Fall war, zeigt ein "Besuch" in Lüneburg im Jahr 1905:
"Ein Brief des Regierungspräsidenten
Herr von Oertzen ist ungnädig. Das Wetter in Lüneburg an diesem Novembertag im Jahre 1905 ist schlecht und zu allem Überfluß hat ihm sein Sekretär diesen Vorgang mit der Eisenbahn auf den Tisch gelegt. Schon von seinem Vorgänger übernommen und immer noch nicht erledigt! Können die sich denn nicht von allein einigen? Wie lange geht das eigentlich schon? Mit spitzen Fingern blättert der Regierungspräsident in dem umfangreichen Ordner. Er sucht das Datum auf dem ersten Schriftstück, das schon leicht vergilbt ist. Sapperlot! Das Schreiben stammt aus dem Jahr 1866 und ist damit bereits 39 Jahre alt. Unglaublich! Das geht nun entschieden gegen seine Ehre als preußischer Beamter. Er wird es den Kerlen schon zeigen! Das wird unverzüglich erledigt! Er ruft seinen Sekretär und diktiert ihm einen Brief, den die erstaunten Empfänger wenige Tage später in den Händen halten.
„Es ist erwünscht, die noch immer schwebende Frage der Erbauung einer Staatsbahn von Celle nach Leiferde oder aber von Celle nach Gifhorn durch eine Verständigung der beiderseitigen Interessenten endgültig zum Abschluß zu bringen, wenn anders nicht die Hoffnung auf baldigen Ausbau der Oberallertalbahn aufgegeben werden soll.
Ich habe deshalb, um eine solche Einigung herbeizuführen, einen Termin auf Sonnabend den 18. d. Mts. in Celle (Rathaus, Sitzungssaal) 3 Uhr nachmittags anberaumt.
Den Kreisausschuß ersuche ich, sich an der Besprechung zu beteiligen und zu diesem Zwecke drei Vertreter nach eigenem Ermessen zu bevollmächtigen.
gez. von Oertzen“
Herr von Oertzen entläßt seinen Sekretär und betrachtet die Welt mit anderen Augen. Der Fall würde nun ein für allemal gelöst werden, da ist er sicher. Er lehnt sich in seinem Schreibtischstuhl zurück und überläßt sich für einen Augenblick den Erinnerungen an die Vergangenheit. Wie war das damals mit dem Transport von Reisenden und Gütern?
Da gab es doch unter anderem die Flößerei, die ungefähr von 1659 bis 1878 auf lse, Aller und Ortze betrieben wurde. Viel Holz gelangte so über die Aller zu den Schiffsbaubetrieben nach Bremen und führte zu schönen Steuereinnahmen .
Doch für den Personentransport taugte die Flößerei nur bedingt und deshalb bedienten sich Reisende damals der „fahrenden Post“. Die Linie zwischen Celle und Gifhorn wurde am 1.10.1779 eingerichtet und zweimal wöchentlich befahren. Bald langte das nicht mehr und vom 1.1.1824 an verkehrte die Postkutsche Celle - Langlingen - Gifhorn sogar an drei Tagen in der Woche bis Fallersleben.
1847 änderte sich die Linienführung etwas und am 1.12.1872 mußte die Verbindung sogar eingestellt werden. Grund dafür war der Bau der Eisenbahnlinie von Lehrte über den Bahnhof Meinersen nach Berlin. Mit der Inbetriebnahme dieser Strecke am 1.11.1871 verlor die Postkutschen-Verbindung zwischen Celle und Gifhorn innerhalb eines Jahres völlig an Bedeutung
Eine Postkutsche beförderte damals sechs oder acht Reisende, aber schon die erste Eisenbahn von Nürnberg nach Fürth schaffte 1835 mit einer einzigen Fahrt zweihundert Menschen
Herr von Oertzen beendet ein wenig nachdenklich seine Träumerei. In seiner Jugend war er selbst noch mit der Postkutsche gefahren und es hatte ihm gut gefallen, aber die Überlegenheit der Eisenbahn war so eindeutig und riesengroß, daß es endlich Zeit wurde, eine Verbindung von Celle nach Gifhorn zu schaffen. Dafür würde er schon sorgen!"
Nach diesem kleinen Ausflug in die Verkehrshistorie darf natürlich auch ein zeitgenössisches Bild nicht fehlen: Bahnbau bei Wilsche im Jahr 1912
Fortsetzung folgt
Gruß an alle
Thomas