Nachdem Michael schon mal die Geschichte der umbauenden Firma dargestellt hat, gibt’s nachfolgend die beiden schweizer Normalspur-Baldwins und die Geschichte des Auffindens.
Im September 2004 war ich mit Gunnar in der Schweiz. Hier Auszüge aus seinem Reiseprotokoll:
14.09.2004
Wir sind nach Collombey-Muraz gefahren, um dort bei dem Schrotthändler Trottet SA nach einer Schöma zu suchen. Wir haben sie nicht gefunden, aber am anderen Ende des Industrieanschlußgleises im Gewerbegebiet gab es eine dicke Überraschung. Dort stand am Prellbock eine von Baldwin gebaute amerikanische Heeresfeldbahndiesellok, die nach dem Ersten Weltkrieg vermutlich in Frankreich auf Regelspur umgebaut wurde. Leider war die Lok in relativ schlechtem Zustand und es gab auch keinerlei Schilder, die zur Klärung ihrer Identität beitragen könnten. Die Aufbauten der Maschine befinden sich noch weitgehend im Originalzustand.
Die Farbgebung und Korrosion könnten darauf hindeuten, daß die Maschine früher in einem Kalkwerk eingesetzt wurde - das ist aber reine Spekulation!
Da nicht weit entfernt eine solche Lok in der Literatur gemeldet wurde, beschlossen wir, noch einmal ein kleines Stück ins Rhonetal zurückzufahren, um zu schauen, ob es sich bei dem Fund um diese Lok handeln könnte.
Salanfe SA, Usine de Mieville, Vernayaz
Hier wußten wir eigentlich überhaupt nicht, was uns eigentlich erwartet. Wir trafen auf ein Wasserkraftwerk, das aus einem Gebäude mit Umspannanlagen und einem großen Lagerplatz bestand. Von dem Lagerplatz aus führten zwei Gleise durch zwei Tore in den Berg hinein. dabei handelte es sich um das regelspurige Anschlußgleis und ein schmalspuriges Gleis mit 750 mm Spurweite. Auf dem regelspurigen Gleis stand die zweite amerikanische Heeresfeldbahnlok des Tages, allerdings in deutliche besserem Zustand als die erste, deren Herkunft somit irgendwie unklar ist.
206 Baldwin ?/191x, umgebaut
Diese Maschine trägt wie die Maschine aus den Vogesen ein Fabrikschild der Firma Val de Maizet. Das Füherhausoberteil wurde auch stark umgebaut.
Interessant ist die Kraftübertragung: Vor der Vorderachse befand sich früher eine Blindwelle, die ihre Kraft mittels einer kurzen Stange VON AUSSEN (geht ja auch nicht anders) auf die Vorderachse übertrug. Durch die Umspurung sind die Räder aber so weit von dem Rahmen weggerückt, daß man auf die Blindwellenachse und die Vorderachse je ein Zahnrad aufgezogen hat. Bei der Blindwellenachse liegt diesen Zahnrad ausserhalb des Rahmens, auf der Vorderachse zwischen Rahmen und Rad, so daß die Kette hinter dem Rad "verschwindet".
Die Maschine verfügt über einen relativ modernen Deutz-Dieselmotor.
Da gerade die Mittagspause vorbei war, sprachen wir einen Arbeiter an und fragten, was es mit dem Schmalspurgleis auf sich habe. Daraufhin gab es eine kurze Führung durch das Kraftwerk. Das Schmalspurgleis führt in eine kleine Kaverne, in der die Druckleitung vom auf 1925 m Höhe gelegenen Stausee Lac de Salanfe ankommt. In der Kaverne stand eine kürzlich grundlegend modernisierte Diesellok mit einem Wagen. Hinter der Kaverne führt das Gleis noch einige Meter weiter und geht dann in eine Sandseilbahn über. Laut Erzählung und ausgehängten Schaubildern schließt sich an die Standseilbahn ein Stollen an, in dem das Gleis elektrifiziert ist. Danach gibt es einen weiteren Schrägaufzug, der an der Staumauer endet. Von dort aus führen dann Stollen zu verschiedenen Punkten an der Staumauer. Außer der unten gesichteten Diesellok soll es auf der mittleren Strecke zwei E-Loks von Stadler, sowie ganz oben eine weitere baugleiche Diesellok geben. Da es sich bei der angetroffenen Lok um eine modernisierte ältere handelte, dürfte es sich bei ihr um eine der folgenden beiden handeln, wobei die andere dann vermutlich die Lok auf dem oberen Niveau ist:
Brockville 3517/1949/BMD-8
Brockville 3518/1949/BMD-8
Anschließend durften wir noch einen kurzen Blick in die Turbinenhalle werfen, wo Pelton-Turbinen zwei Generatoren mit zusammen 60 MW antrieben. Durch das Tor mit dem Regelspurgleis erreichten wir danach wieder das Tageslicht. Den Schautafeln vor dem Eingang war noch zu entnehmen, daß die ganze Anlage im Jahr 1950 in Betrieb genommen wurde und daß das Kraftwerk 452 m hoch liegt.
Nachfolgend noch eine Funktionsskizze des Kraftwerkes:
Und da wir gerade so herrlich unhistorisch sind, zu guter Letzt noch ein Bild der stark modernisierten Schmalspurlok:
Ich hoffe, Ihr verzeiht mir meinen "unhistorischen" Exkurs!