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 21 - Stuttgart 21 

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Chaos im Gemeinderat

geschrieben von: Traumflug

Datum: 07.12.16 22:48

Heute war Gemeinderatssitzung mit gleich 3 Tagesordnungspunkten zu Stuttgart 21: die Forderungen der DB, 3. Bürgerbegehren, 4. Bürgerbegehren. In der StZ ist dazu dieser hübsche Artikel erschienen:

[www.stuttgarter-zeitung.de] Kurz, aber knackig.

Fangen wir mal unten an:
Zitat:
Zum Thema Leistungsrückbau hat sich Kirchbergs Ansicht seit seinem ersten Gutachten 2015 geändert. „Der Schienenverkehr geht die Stadt nichts an, das ist außerhalb ihrer Reichweite“, sagte er jetzt.
Kirchberg, einer der Anwälte der Stadt, hat also gemerkt, dass es nicht ausreichend ist, für ein eigenes Gutachten bei der PSU anzurufen und sich das Ergebnis diktieren zu lassen. Dabei war vor einem Jahr bekanntlich herausgekommen, dass die Leistungsfähigkeit des Tiefbahnhofs hervorragend sei. Nachdem jetzt auch das Land vorgerechnet hat, dass es mit der doppelten Leistungsfähigkeit nichts wird, musste er sich was Neues überlegen.

Zitat:
Ein Ausstieg aus dem Finanzierungsvertrag sei nicht einfach möglich, sagte Anwalt Winfried Porsch für die Stadt. Nicht Kündigung, sondern Vertragsanpassung sei der erste Schritt. Der ebenfalls von der Stadt beauftragte Anwalt Christian Kirchberg sagte, die Partner seien verpflichtet, Anpassungen des Vertrags zu versuchen.
Die beiden Anwälte sind sich also einig, dass ein Ausstieg aus dem Vertrag möglich ist. Was wiederum bedeutet, dass die Vertragsgrundlage zumindest teilweise weggefallen ist. Schliesslich gibt es kein Gesetz, nach dem man eine Einigung über die fehlenden Vertragsteile erzwingen kann.

Zitat:
Das hatten die Gegner bereits in einem Bürgerbegehren („Storno“) behauptet. Es war vom Gemeinderat aber abgelehnt worden. Der Rat wird den Widerspruch gegen die Ablehnung an diesem Donnerstag abermals verwerfen, weil die Begehren rerchtswidrig seien.
Ein Ausstieg aus dem Vertrag ist also ggf. notwendig, das Bürgerbegehren mit genau diesem Anliegen soll aber rechtswidrig sein. Naja.

Zitat:
Der Staatskonzern hat auf 180 Seiten begründet, warum er zur Not unbegrenzt Geld von der Stadt haben will. Der Verteilungsschlüssel von 65 Prozent, die die Partner, und 35 Prozent, die die Bahn zu bringen hätten, solle „auch für diese weiteren Mehrkosten gelten“.
Aha. Es gibt also konkrete Forderungen aus Berlin und die liegen wohl auch nicht erst seit gestern vor. Wurde m.W. bislang nicht kommuniziert, schon gar nicht veröffentlicht. Wie war das nochmal mit der Transparenz?

Zitat:
„Die Bahn schildert sich als Getriebene, aber das ist eine Geschichte für die Naiven“, sagte OB Fritz Kuhn (Grüne) zu den 180 Seiten Anspruchsbegründung.
Sich über die Vertragspartner lustig zu machen ist immer eine prima Idee! Die DB beteuert, S 21 gar nicht gewollt zu haben. Offensichtlich ganz wie Rüdiger Grube von diesem Vortrag zitiert wurde.

Zitat:
Er halte an Stuttgart 21 fest, weil er die „Folgeschäden“ bei einem Ausstieg überschauen könne, so Kuhn.
Überschaubare Ausstiegsschäden? Dann nichts wie raus da! Insbesondere, wenn es um ein Projekt geht, für das man nicht einmal zuständig ist (siehe erstes Zitat) und über das man sich auch nicht mehr einig ist.

Ansonsten belaufen sich die Forderungen der DB an die anderen Projektpartner auf satte 1,45 Milliarden Euro. Die Forderung umfasst also auch das, was Kefer selbst 2012 noch als seinen eigenen Rechenfehler bezeichnet hatte. 292 Millionen soll die Stadt zahlen. Jeder Projektpartner müsste seinen Zuschuss also glatt verdoppeln. Und diese Forderung ist nur vorläufig, es werden jetzt schon ausdrücklich weitere Kostensteigerungen angesprochen. Bislang noch mit dem Adjektiv "mögliche".

Re: Chaos im Gemeinderat

geschrieben von: mental

Datum: 08.12.16 07:10

Heftig:
Zitat:
Die Bahn will bis Jahresende Klage einreichen. Für die Stadt geht es um 292 Millionen Euro. Allerdings nur vorerst. Der Staatskonzern hat auf 180 Seiten begründet, warum er zur Not unbegrenzt Geld von der Stadt haben will. Der Verteilungsschlüssel von 65 Prozent, die die Partner, und 35 Prozent, die die Bahn zu bringen hätten, solle „auch für diese weiteren Mehrkosten gelten“. Der Verwaltungsausschuss beschloss, die Kanzlei Dolde Mayen (Stuttgart, mit Anwalt Porsch) mit der Klageabwehr zu beauftragen.

So in Prozent ist die Forderung doch ein echter Hammer.

Liebe Befürworter hier im Forum, habt ihr Lust euch an meinem nächsten Hausbau mit 65% zu beteiligen? Als reine Mitbezahler?

Re: Chaos im Gemeinderat

geschrieben von: Kelle

Datum: 08.12.16 09:30

Wenn dann tausende Personen pro Tag bis zu ner Stunde sparen, gern.

Und wenn Du so baust, dass in bester Lage 100 Hektar frei werden, Leute ne brauchbare Verbindung zum Flughafen bekommen usw.

Re: Chaos im Gemeinderat

geschrieben von: graetz

Datum: 08.12.16 10:19

Kelle schrieb:

Wenn dann tausende Personen pro Tag bis zu ner Stunde sparen, gern.

Und wenn Du so baust, dass in bester Lage 100 Hektar frei werden, Leute ne brauchbare Verbindung zum Flughafen bekommen usw.

Zitat:
"Dass man für 20 Minuten zwölf Milliarden Mark ausgeben muss, will uns nicht in den Kopf", sagte Mehdorn.
[www.spiegel.de]

S21 alleine ist nirgends für "eine Stunde" Fahrzeitverkürzung verantwortlich. Und Du siehst, dass selbst die Bahn nicht für Fahrzeitverkürzung um jeden Preis ist. Weil die Geld verdienen MÜSSEN. Selbst mein bescheidenes Zwei-Familenhaus liefert mehr Gewinn als S21. Eine "brauchbare" Verbindung zum Flughafen gibt es schon jetzt. Die hat kein Problem mit Überfüllung oder der Fahrzeit und hält direkt unter dem Terminal und nicht irgendwo weit weg mit langem Fussweg. Und Stuttgart sollte erstmal sein Feinstaubproblem lösen, bevor die Stadt weiter zugebaut wird.

Re: Chaos im Gemeinderat

geschrieben von: Klaus am Zuge

Datum: 08.12.16 11:58

Kelle schrieb:
Wenn dann tausende Personen pro Tag bis zu ner Stunde sparen, gern.
Bei mir ergeben sich Fahrzeitverlängerungen. Bei welcher Stelle kann ich mir Geld erstatten lassen, bitte?


Kelle schrieb:
Und wenn Du so baust, dass in bester Lage 100 Hektar frei werden, Leute ne brauchbare Verbindung zum Flughafen bekommen usw.
Wo werden momentan noch nicht bebaute 100 ha frei?


Mein jüngster Flug ab Stuttgart, ein Zubringerflug nach Frankfurt, geschah auf dringendes Anraten des Reisebüros. Falls Flieger verspätet in Frankfurt, Airline muß mich kostenfrei umbuchen; ICE verspätet wäre mein Problem. Laut Fahrplan und ohne DB-Risikokomponente hätte ich mit Variante Zug deutlich später losfahren können.

Re: Chaos im Gemeinderat

geschrieben von: mobaz

Datum: 09.12.16 08:32

Wenn ein Fahrgast durch bessere Anschlüsse 1 STunde spart und 999 ander dafür zwische +20 und -20 Minuten Fahrzeit haben, haben 1000 Fahrgäste bis zu einer Stunde Fahrzeit gespart. Ein Leistungsversprechen mit "bis zu" anzugeben bedeutet lediglich, dass das eintreten kann, aber Niemand die Garantie dafür übernimmt. Wenn du die Adresse von diesem Niemand erkundest, kannst ihn ja mal fragen, wie er dieses Verprechen einhalten will.
Schönen Gruß
Maik

Re: Chaos im Gemeinderat

geschrieben von: Traumflug

Datum: 09.12.16 10:54

Wenn ich das Gemunkle aus dem Buschfunk über dies Gemeinderatssitzung richtig verstehe, dann ist das Argument "Wegfall der Geschäftsgrundlage" auch bei den Befürworterparteien und bei RA Kirchberg nicht mehr völlig der Welt entrückt. Die Argumentation geht jetzt wohl etwa so:

1. Eine Verpflichtung, diverse hundert Millionen mehr zu bezahlen, wäre in der Tat ein teilweiser Entfall der Geschäftsgrundlage.

2. Diese Verpflichtung liegt jedoch noch nicht vor, die Ankündigung dieser Verpflichtung reicht nicht.

3. Das von der DB angestrebte Gerichtsverfahren würde diese Verpflichtung herstellen, wenn die DB das Verfahren gewinnt.

4. Weil die Geschäftsgrundlage noch nicht entfallen ist, müssen die Bürgerbegehren jetzt schon abgelehnt werden.

5. Davon abgesehen wäre man verpflichtet, bei Entfall der Geschäftsgrundlage zu versuchen, diese Grundlage durch Verhandlungen und Vertragsanpassungen wieder herzustellen.

Ich finde, das ist eine "interessante" Konstellation, die man sich da zurecht gebastelt hat. Ohne Gerichtsbeschluss sieht man keinen Grund, zu verhandeln und mit Gerichtsbeschluss gibt es dann nichts mehr zu verhandeln. Denn ein Urteil ist bekanntlich keine Diskussionsaufforderung, sondern ein festgelegtes Ergebnis.

Man nimmt sich also vollständig selbst den Wind aus den Segeln und baut der DB sogar einen doppelten Boden, ihre Vorstellungen durchzusetzen. Einmal durch Abwarten des Urteils und dann noch durch die selbst auferlegte Verpflichtung zu Verhandlungen.

Re: Chaos im Gemeinderat

geschrieben von: mental

Datum: 09.12.16 13:09

Traumflug schrieb:
Ich finde, das ist eine "interessante" Konstellation, die man sich da zurecht gebastelt hat. Ohne Gerichtsbeschluss sieht man keinen Grund, zu verhandeln und mit Gerichtsbeschluss gibt es dann nichts mehr zu verhandeln. Denn ein Urteil ist bekanntlich keine Diskussionsaufforderung, sondern ein festgelegtes Ergebnis.

Man nimmt sich also vollständig selbst den Wind aus den Segeln und baut der DB sogar einen doppelten Boden, ihre Vorstellungen durchzusetzen. Einmal durch Abwarten des Urteils und dann noch durch die selbst auferlegte Verpflichtung zu Verhandlungen.

Gut beschrieben. So funktioniert S21 und Realpolitik heute.

Und beides funktioniert so lange, bis der Krug zerbricht. Sowohl S21 als auch unsere Demokratie zeigen derzeit schon recht große Zerfallserscheinungen.