20 Jahre habe ich an jedem Tag in meinem Büro für einen Moment auf die Weltkarte an der Wand gegenüber geblickt und von dieser Reise geträumt. Aus der Mitte Europas einmal quer durch Asien, so mein Plan. Vom Markwald (mein kuschliger Stadtteil in Mühlheim am Main) zum Mekong. Nicht mit dem Flieger wie immer sondern mit Bus und Schiff, aber vor allem mit der Bahn. Kein Hopping von den Highlights zu der nächsten Sehenswürdigkeit. Was gilt ist einzig der Weg und die Neugier auf die Menschen entlang der Route.
Ende 2015 Rente und meine Phantasien können endlich Realität werden, auch Dank der Unterstützung der Bahnagentur Schöneberg, die sich zuverlässig um die Fahrkarten von Helsinki bis Kunming (ab da kenne ich mich gut aus) und die Visa gekümmert hat.
Am Tag nach der US-Wahl ging es los. Oder beinahe doch nicht. Trolley und Rucksack waren gepackt.
Weil ich bis 7 Uhr morgens Wahl auf CNN geglotzt hatte, wachte ich gegen 15 Uhr auf. Kein Problem: Der ICE Richtung Lübeck sollte in Hanau um 19.14 Uhr abfahren. Die S-Bahn um 18.36 Uhr ab Mühlheim sollte reichen. Zum Glück habe ich nochmal auf bahn.de nachgeschaut: Ein Oberleitungsschaden zwischen Hannover und Hamburg. Die Züge Richtung Norden hatten 90 Minuten Verspätung. Der Anschluss in Lüneburg wäre eh perdu. Also schnell duschen. Kurzer Check von Tasche und Tickets und meine nette Mitbewohnerin im Haus hat mich im Auto nach Hanau gebracht. Zum Glück hatte der 16.29 Uhr wie immer eine leichte Verspätung. Zu einem Foto des ersten Zugs auf der Reise hat es nicht mehr gereicht. Nebenbei: Am Vortag habe ich einen Pilz im Objektiv meiner Kamera entdeckt. Wie ein Blick durch Milchglas. Da blieb auf die Kürze nur die kleine Lumix.
Umsteigen in Göttingen. Eine dieser genormten Stationen: Relay, Burger King, Billig Bäcker etc. Trotzdem: die Fish und Chips sowie das Bier während meines einstündigen Aufenthaltes haben geschmeckt.
Naja. Wenigstens verband der ICE Göttingen mit Lübeck direkt.
Umsteigen in Lübeck in den Bus nach Travemünde
Auf der Fähre waren nur drei Duzend Passagiere. Meist Trucker. Im Minibus vom Terminal zur Fähre war ich der einzige Fahrgast. Und da die Decks leer waren, brachte mich der Chauffeur direkt bis zum Aufzug.
Meine Kabine teilte ich mit einem russischen LKW Fahrer, der während der Reise nicht einmal sein Bett verlies. Seine drei Worte Englisch "No Problem", "Breakfast" und "OK" gab mir einen Vorgeschmack auf manch Sprachproblem östlich von Moskau. Und als der Mini-Bildschirm an der Wand den neuen US-Präsidenten Trump zeigte, reckte er seinen Daumen in die Höhe.
Ansonsten: Die Kabine hat alles was man braucht, inklusive Dusche und Toilette:
Auf der Überfahrt konnte ich noch einmal richtig entspannen.
Einfahrt in den Hafen von Helsinki. Blick aus dem Speisesaal. Eine richtig gute Idee war zur Kabine zusätzlich ein Essenspaket zu buchen. Beim Abendessen Fisch sehr gut und satt inklusive Getränke. Von dem Brunch hätte man sich eine Woche ernähren können. Das Frühstück vor der Ausschiffung hätte jedes gute Hotel geschmückt.
In Helsinki Bus, Metro und Straßenbahn zum Hotel
Abends dann (und der Grund für den Schlenker über Finnland) ein Besuch des Konzerts mit Procol Harum "A Whiter Shade of Pale". Und es hat sich richtig gelohnt.
Danach noch in einem Irish Pub gelandet mit zwei netten Finnen ein paar sündhaft teure Bier getrunken und mir angehört, dass jetzt Deutschland in Europa führen müsse.
Am nächsten Tag: Mit dem Allegro nach St. Petersburg:
Noch ein Foto vom Nachbargleis
Nach einer Fahr durch eine herrliche Winterlandschaft in St. Petersburg mit der Metro von der Finnland-Station zum Moskauer Bahnhof
Einen Happen Essen
Und bevor es mit dem Sapsan, bei uns ICE, nach Moskau weitergeht ein paar Bahnfotos
Moskau. Zwei Tage ist natürlich zu knapp. Kreml, ein paar Kirchen und Ikonen und einmal ins GUM. Das war es.
Aber natürlich ist das Stromern durch die Moskauer Metro-Stationen ein Muss.
Blick aus dem Zimmer. Mit meinem Hotel in Moskau hatte ich richtig Glück. Vier-Sterne mit einem sehr guten Frühstück 45 Euro die Nacht. Nichts zu meckern.
Weiter ab, soweit ich mich erinnere von der Paveletskiy Station Richtung Wolgograd
Was erst mal nicht so einfach war. Auf den Gleisen standen drei Schlafwagenzüge. Im Lautsprecher tönte eine nette Dame im fünf Minuten Abstand auf Englisch "Der Zug nach Wolgograd stände zum Einsteigen bereit". Aber keine Zugschilder, keine Schaffner vor den Wagen. Auf meine Frage "Wolgograd?" immer nur Achselzucken bei den Rangierern. Bis mich ein Älterer angrinste: "Stalingrad - dort".
Bis dreißig Minuten später das Personal die Waggons zum Einsteigen öffneten Zeit, um (in der Kälte) ein paar Fotos zu machen.
Manche Einheit hätte ich gerne frontal geknipst. Aber es war immer ein Spagat zwischen Motiv und Entfernung von meinem Gepäck.
Mein Heim für eine Nacht
Glück. Ich hatte ein Abteil für mich alleine. Zunächst textete mich die Schaffnerin auf Russisch zu. Ich nickte immer nur. Und offenbar waren ihre Worte nicht nur Sicherheitshinweise sondern auch die Bestellung für das Essen, das im Tarif inklusive war. Ich hatte mich, ohne es zu wollen, für Huhn entschieden. Es hat geschmeckt.
Und nebenan im Speisewagen gab es noch Bier.
Nach einem guten Schlaf am nächsten Morgen vorbei am Denkmal für die Opfer der Schlacht von Stalingrad Einfahrt in den Bahnhof von Wolgograd
Ab jetzt beginnen zwei Wochen jenseits unserer europäischen Routinen:
Wer Interesse hat an der Reise mit mehr Infos zu Land und Leuten aber wenig Eisenbahn
[
www.matthiasmueller1950.com]
2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2017:01:02:17:37:29.