1969- Jahr des Atomunfalles in Lucens und ein „Mann im Mond“!
Teil 3….
Nun geht es wieder Nordostwärts!
Unterhalb Kehlhof kämpft sich die MThB-Dampflok mit ihrem Zug den Seerücken hoch.
Etwas weiter westlich wollten Kraftwerksbetrieber den Rhein bei Hemishofen stauen und ein Kraftwerk errichten, doch die Bevölkerung wehrte sich, weshalb am 23. März 1969 in Hemis-hofen auf freiem Feld eine Protestkundgebung stattfand. Ein Extrazug mit 12 SBB-Wagen, gezogen auf der nicht elektrifizierten Strecke durch die Winterthurer Bm 6/6 brachte viele Teilnehmer her. Die planmässigen Züge mit dem Dm 2/4-Triebwagen wurde mit zwei weiteren Mitteleinstiegswagen verstärkt. Das Bild wurde vom SBB-Schwimmbad am Etzwiler Ufer her in Richtung Hemishofer Ufer aufgenommen. Die Dieselloks auf der Strecke wurden vielfach durch die BV-Lokführer (Beschränkt Verwendbar = Rangierlokführer) des Depot Schaffhausen geführt.
Am 5. April stand Romanshorn auf dem Programm, Der Zug mit der Ae 4/7 10986 steht abfahrbereit neben einem BT-Pendelzug.
Einer der beiden „Vorortspendelzüge“ der BT, hier der Steuerwagen ABt 142 mit dem Trieb-wagen BDe 2/4 42, welcher aus dem BCFe 2/4 42 umgebaut und später nochmals modernisiert wurde. Das fehlende Sickendach unterscheidet den Zug von den Nummern 41/141. Die mit 599 kW Leistung versehenen Züge versahen jahrelang vor allem den Vorortsdienst zwischen Wittenbach und Herisau, kamen aber auch darüber hinaus in Dienst.
Drei verschiedene Reisezugswagen der Bodensee-Toggenburg-Bahn BT in Herisau, links Mitteleinstiegswagen B 323, der hochbeinig erscheinende B 328, sowie der B 314 mit offenen Plattformen.
Der BT-AB 302 wurde abgestossen und vom Wärter in der blauen Bluse mit der Handbremse am richtigen Ort zum stehen gebracht. Dies braucht Gefühl und Kenntnisse sowie auch etwas Kraft.
Hier der B 324 am 5. April 1969 in Herisau – ein klassisch schöner Leichtstahlwagen!
Im VBZ-Depot 3, Burgwies finden wir einen „Laubfrosch“, welcher zum Manövrieren der An-hängewagen genutzt wird. Dieser Triebwagen kam aber in Spitzenzeiten mit einer Anzahl (wohl drei Wagen) jeweils ins Abstellgleis parallel zur Uetlibergbahn am Bahnhof Selnau. Dort wurden die Wagen dann den „schwachen“ Pedaler der ersten Serie an- und wieder abgehängt. Die Wagen 1515 und 1518 leisten ihm nebst zwei weiteren Kollegen Gesellschaft.
Ja – und das Depot hatte Mühe mit seiner Telefonnummer, die naheliegende psychiatrische Klinik Balgrist hatte eine Telefonnummer, welche nur in der letzten Zahl um eine „Eins“ daneben lag. So kam es vor, dass beim Tramdepot „das gääli Wägäli“ bestellt wurden . . . ;-)
Zusammentreffen der beiden mit SLM-Lenkgestell ausgerüsteten dreiachsigen „Geissböcke“ am 27. April 1969 beim Depot Kalchbreite. Zu sehen sind jeweils je eine Seite, interessant auch die beiden Nummergrössen. Der links gekuppelte Vierachs-Anhängewagen wurde so nie gefah-ren, da diese 2/3-Triebwagen mit alter Zweiachsmotorwagentechnik zu schwach auf Steigungs-strecken gewesen wären. Sie verkehrten lange auf der Linie 8, später wanderten sie auf die Spitzenverkehrslinie 21 ab. Der 1032 blieb im Verkehrshaus erhalten, das Fahrgestell des an-dern Fahrzeuges ging an das Technorama.
Von der Kalkbreite sind es nur ein paar Schritte bis zum tiefergelegten Bahnhof Wiedikon.
Die Ae 4/7-Lok mit ihrem Güterzug von Altstetten herkommend, fährt soeben von der Vierspur her in den dreigleisigen Bahnhof Wiedikon ein.
Dem RBe 4/4 1471 auf’s Dach geschaut, ist wohl edler, als unter den Rock zu „spienzeln“. Im Bild hinten ist die Trennung der Strecken nach Altstetten und Zürich HB ersichtlich.
ABe 4/4 501 mit WR und B auf dem Wiesenerviadukt als Exkursionsfahrt des SEAK aus Zürich.
Solche Fahrten sind heute mit den Bahnunternehmungen finanziell gar nicht mehr möglich, das Aussteigen auf freier Einspurstrecke können sich die Quereinsteiger in den Verwaltungen gar nicht mehr vorstellen – die werden die Hände „verrühren“, ein postsowjetisches „Niet“ die Folge sein.
In Poschiavo ab es freie Besichtigung ohne Warnwesten, Sicherheitsschuhe, Helm und Brille!
Man wusste Erstens, wie man sich auf Bahngebiet zu verhalten hatte und Zweitens wusste die Bahn, dass es keine Probleme geben würde. Die Lok 182 war damals noch im vollen Einsatz!
Nichts Schöneres als eine Dampfschneeschleuder, hier jene der RhB in Poschiavo, welche einen eigenen Antrieb besass und sich somit ohne Schub bewegen konnte. Die Schneiden musste man früher von Hand umstellen und verriegeln, dies muss man bei den modernen heutigen Schleuderaggregaten nicht mehr. Somit fällt viele Schwerarbeit im Schneegestöber und Kälte weg. Auch das kräftezerrende Kohleschippen kann man sich heute kaum mehr vorstellen . . .
Auf der am 28. Juni 1969 stattfindenden Dampffahrt der RhB mit den beiden „grossen“ Dampf-lok G 4/5 mussten die Heizer Schwerarbeit leisten. Zur Freude vieler mitreisenden und fotogra-fierenden Dampffreunden gelang die Dampffahrt auf den mit 38 ‰ steilen Rampenstrecken der Albula vortrefflich!
Dem gleichen Zug wird hier in Preda geradezu gehuldigt und umschwärmt. Das Foto gelang auch erst nach dem Einsteigen der Fahrgäste . . . Soeben wird der Zug unter unseren Füssen in den Albulatunnel einfahren und uns im Dampf einhüllen!
Von der grossen kleingeschriebenen RhB im Osten geht es weiter zur kleinen grossgeschrie-benen RHB – der Rorschach – Heiden – Bergbahn mehr nordwestlich in die Bodensee-Region und dessen Anhöhen. Hier einer der beiden Zahnradtriebwagen ABDeh 2/4 23 und 24, gebaut 1953 und 1967 in der Bergstation Heiden, Vorn zwei abschliessbare Sperrschuhe, welche ein Entlaufen von Wagen verhindern. Die Bahn hat eine Steigung von 94 ‰ und überwindet 393 Höhenmeter auf einer Streckenlänge von 5,8 km eigenem Gleis, fährt aber von der Seebleiche (beim RHB-Depot) bis zum Rorschacher Hafen noch zusätzliche 1,82 km auf SBB-Gleisen.
Montiert ist eine Riggenbach-Zahnstange. Damit die Zahnräder der Fahrzeuge nicht mit den Zugsicherungsmagneten Signum in Berührung kommen, mussten diese auf der zu befahrenen Strecke etwas tiefer montiert werden.
Güterzugsbegleitwagen Db waren einmal Mode! Sie wurden auf ausrangierten Güterwagen-untergestellen mit neuen Rollenlagern aufgebaut. Allerdings waren sie für das Personal nicht „das Gelbe vom Ei“, obwohl Licht und autonome Heizung vorhanden war. Einmal habe ich beim Fotografieren im Immensee einen durch Re 6/6 gezogenen Güterzug mit am Schluss gereihten „Sputnik“ (so nannte man sie) erlebt: Der Wagen „flog“ in allen Himmelsrichtungen hin und her – Komfort sieht anders aus!
Das TMZ, Tram-Museum Zürich“, früher nannte sich der Verein so und nicht das später eröff-nete „Museum“, besuchte im August 1969 die Basler Verkehrsbetriebe. Ich organisierte beim verstorbenen VBZ-Werkführer Paul Huber eine Tafel mit den beiden wappentragenden Züri-Leuen – dem damaligen VBZ-Signet, um in Basel etwas „Züri-Touche“ zu geben. Der TCB revanchierte sich später auf die gleiche Art. Damals war die Verbundenheit beider Vereine noch voll intakt, ein intensiver Austausch noch möglich, was heute mit der abgehobenen Zürcher Leitung nicht mehr der Fall ist. Autistisch sagt man dem, oder?
Solche Anlässe, meist organisiert durch den Sihltalbähnler Hans Waldburger, zogen die Mit-glieder in Scharen an, 120 Teilnehmer waren keine Seltenheit, was auch das eingesetze Roll-material bedingte. So konnten die beiden ersten Tramklubs der Schweiz zusammen tolle Ex-kursionen mit vielen Fotogelegenheiten und Extrafahrten zum Nutzen Aller anbieten.
Die besuchten Unternehmungen boten auch immer ein tolles Programm, Werkstätte, Depots standen offen, vielfach stellte man Fahrzeugaufstellungen vor’s Depot, holten selten gebrauchte Dienstwagen aus versteckten Ecken des Gleisnetzes, wobei auffiel, dass viele der Fahrzeuge ganz ähnliche dreifenstrige Fronten aufwiesen . . . Ob da spioniert wurde?
In den Werkstätten konnte man das Können und die Leistungsfähigkeit von Unternehmung und Mitarbeiter erkennen. Man wusste noch, wie man Holzkästen herstellte oder bearbeitete, genau so war man in Sachen Metallbearbeitung „à jour“, von der Malerei her gesehen sowiso – denn Farbschäden gehören zum grössten „Arbeitsvorräten“ der Tram-Werkstätten!
Um welchen Triebwagen es sich beim unten gezeigten Bild vom 7.9.1969 handelt, weiss der Fotograf nicht mehr. Falls Jemand eine Nummer nennen kann, würde mich dies freuen!
Wieviel Arbeitsstunden zum Wiederaufbau dieses Führerstandes mussten wohl aufgewendet werden, bis zur Wiederinbetriebsetzung des Fahrzeuges. Man bedenke: Als Erstes muss alles defekte entfernt werden, Kabel abgetrennt und allenfalls zurückgezogen werden, Sämtlich Apparate, Leitungen und Rohre demontiert werden, dies notfalls repariert und wieder getestet werden, Dann folgt der Aufbau des Kasten, egal ob in Metall, Holz oder in gemischter Bau-weise. Das Holz muss mit Hartgrund oder Farbe imprägniert werden, auch Stahl muss grundiert werden, notfalls je nach Örtlichkeit ist auch bereits der Endanstrich nötig, weil man anschlies-send kaum mehr hinkommt! Dann dürfen die Mechaniker Rohre, Befestigungen, Kästen etc. neu erstellen und montieren. Die Elektriker müssen ihre neuen oder noch brauchbaren Kabel wieder einziehen, befestigen, nach der Montage von Kontroller, Dachautomaten, Steuerele-menten und Apparaten kann mit dem Anschliessen begonnen werden. Dass Hand in Hand ar-beiten, um in möglichst kurzer Zeit das Fahrzeug wieder in Fahrt zu bringen, ist deshalb wichtig! Zum Schluss darf der Maler noch mit Farbe den „Pfusch“ der Andern überdecken! Nein, dies ist ein etwas makaberer Spruch, welcher gerne benutzt wird, um die Wichtigkeit einer jeden Arbeit zu untertreichen. Klar, der Maler gibt dem Fahrzeug den letzten Schliff, so dass es glänzend den Fotografen sich präsentiert. Aber jedes Fahrzeug wird getestet, elektrisch (mit der drei-fachen Spannung!), mechanisch, es folgen Bremsprobefahrten, deren Ergebnisse protokolliert und dem BAV abgeliefert werden müssen. Jetzt kommt die Gretchenfrage: „Wieviele Arbeits-stunden? Errechne?“
Viele Zeitgenossen machen sich gar nie Gedanken, eine Gruppe von Abgehobenen sehen da nur Zahlen, welche es zu senken gilt. Was dahinter steckt, wollen sie gar nicht wissen, heute kann man ja alles mit dem Klapprechner machen – selbst Fahrzeuge bauen sich so selber, Häuserbau beendet man von Anbeginn an mit Gedrücke auf der Tastatur! Jetzt aber: Sarkasmusmodus aus!
Dies war zumindest 1969 definitiv noch nicht der Fall . . .
Viel Spass – bis zum nächsten Teil
Urs Nötzli