Nachdem wir kürzlich den
Bahnhof Klecken besichtigt haben, schauen wir uns heute auf einer benachbarten Betriebsstelle um: in Hittfeld!
Hittfeld erhielt bereits bei Eröffnung der „Rollbahn“ 1874 einen Bahnhof, der allerdings ortsfern in der Feldmark lag. Die Station wuchs und gedieh; in ihren besten Zeiten verfügte sie unter anderem über zwei durchgehende Haupt- und vier Überholungsgleise. 1964 löste ein Drucktastenstellwerk die mechanischen Stellwerke „Ho“ und „Hit“ ab, 1968 wurde der elektrische Zugverkehr aufgenommen. Seit der Streckensanierung 2004 ist der einst stolze Bahnhof nur noch ein lausiger Haltepunkt.
Kommt mit und schaut euch an, wie es vor dem infrastrukturellen Kahlschlag in Hittfeld aussah!
Bild 1: Wir beginnen unseren „Lerngang im Bahnhof“ in der Nordeinfahrt, wo uns am 20. September 1996 der Freitags-D 1738 (Flensburg–Düsseldorf Hbf) begegnet. Soeben haben 110 436 und ihr Anhang das Einfahrsignal F passiert und legen sich nun in den für Rollbahn-Verhältnisse engen Linksbogen.
Bild 2: In die Gegenrichtung ist am 26. Oktober 1993 der IC 822 „Nordfriesland“ (Regensburg Hbf–Rheinland–Westerland [Sylt]) unterwegs.
Bild 3: Dieses Foto des IC 733 „Graf Luckner“ (Köln Hbf–Hamburg-Altona) am 3. Juli 1994 wurde bereits
an anderer Stelle gezeigt, wobei der Fokus auf der Lokomotive lag. Heute interessiert die Infrastruktur, deren einstiger Umfang hier gut erkennbar ist: Von links nach rechts zeigen sich Gleis 9 mit asphaltierter Trafoverladestelle, Gleis 7 (beide zeitlebens Nebengleise), Gleis 1 (früher Überholungsgleis mit Hausbahnsteig), Gleis 2 (abgebaut), Gleis 3 (unter dem Zug, durchgehendes Hauptgleis Richtung Hamburg) sowie die Gleise 4 bis 6 am rechten Bildrand.
Bild 4: Blick von der Ladestraße in Richtung Norden am 27. Juni 1992. Der Zweiwegebagger parkt im Gleis 9a, die K-Wagen im Hintergrund im Gleis 7. Der örtliche Güterverkehr war zu dieser Zeit längst eingestellt; ich habe auch – bis auf eine Ausnahme, zu der ich gleich komme – niemals weitere Fahrzeuge in diesen Gleisen gesehen. Mit Ausbau der Weiche 22 im Dezember 1996 wurde dieser Teil des Bahnhofs Hittfeld von der Schienenwelt abgeknipst.
Bild 5: Vom ehemaligen Hausbahnsteig fällt am 27. Juni 1992 der Blick auf das östlich der Gleise errichtete Empfangsgebäude. Vor dem Güterschuppen endet das Gleis 7a am Prellbock, rechts erstrecken sich die verbliebenen Personenverkehrsanlagen in Gestalt des Mittelbahnsteigs zwischen den Überholungsgleisen 4 und 5.
Bild 6: Neben dem oben gezeigten Zweiwegebagger und den K-Wagen verirrten sich 1992 noch weitere Fahrzeuge in die Hittfelder Nebengleise, nämlich diese beiden Doppelstockwagen der Lübeck-Büchener Eisenbahn, die in diesem Forum schon häufiger thematisiert wurden, beispielsweise
hier und
dort. Ein Privatmann hatte geplant, im Bahnhofsgebäude ein Telefonmuseum einzurichten, in das auch die LBE-Oldtimer einbezogen werden sollten. Dazu kam es nicht: Nachdem ein Brand den blauen Dosto am 30. Dezember 1996 zerstörte, wurden im darauffolgenden Frühjahr beide Fahrzeuge an Ort und Stelle verschrottet.
Bild 7: Vom Nordende des Mittelbahnsteigs blicken wir am 10. Januar 1998 der 110 372 vor RE 3324 (Hamburg Hbf–Bremen Hbf) in die Augen. Man beachte die Zugbildung aus Abteilwagen, Mint- und Silberlingen sowie einem Dosto!
Bild 8: Gleicher Standort, Blick in die Gegenrichtung. Am 14. Mai 2005 ist der vormalige Bahnhof Hittfeld nur noch Haltepunkt, wobei der Bahnsteig in bisheriger Lage modernisiert wurde. Die Überholungsgleise 4 und 5 wurden zur freien Strecke, die durchgehenden Hauptgleise 3 und 6 verschwanden von der Bildfläche. 143 838 und ein halbes Dutzend n-Wagen sind als RB 24414 (Hamburg-Harburg–Tostedt) unterwegs.
Bild 9: Etwas über ein Jahr früher, am 28. März 2004, präsentierte sich Hittfeld noch als vollwertiger Bahnhof. 634 621 alias RB 34645 (Hamburg-Harburg–Soltau–Hannover Hbf) fährt auf Hp 2 nach Klecken aus. Eine Woche später quittierten mit Beginn der Umbauarbeiten sämtliche Signale in Hittfeld ihren Dienst. Der Triebzug tat es ihnen im Dezember gleich und ließ sich z-stellen, bevor er 2006 ausgemustert und zerlegt wurde.
Bild 10: Blick vom Bahnsteigaufgang in Richtung Hamburg. Es ist
Freitag, der 13. April 1995 und 110 277 donnert mit D 1732 (Flensburg–Köln Hbf) durch Gleis 6.
Bild 11: Kein besonders schönes Motiv, aber eine Situation, die man nur in der kurzen Zeit zwischen Betriebsaufnahme der Metronom Eisenbahngesellschaft (Dezember 2003) und dem Start der Streckensanierung (April 2004) auf Bild bannen konnte. Am 28. März 2004 durchfährt ME 81423 (Bremen Hbf–Hamburg Hbf) den Bahnhof Hittfeld über Gleis 3.
Bild 12: Auch nicht wirklich schön, aber selten. Zwei Züge in einem Gleis gab es in Hittfeld so gut wie nie zu bewundern. Am 26. November 2000 bot sich dieser ungewöhnliche Anblick gleich mehrfach, denn aufgrund der Inbetriebnahme des ESTW Hamburg-Harburg wurden sämtliche Regionalexpresse und -bahnen aus Richtung Bremen, Tostedt und Soltau in Hittfeld gewendet, so dass mitunter drei Züge gleichzeitig in den beiden Bahnsteiggleisen weilten.
Bild 13: Begeben wir uns kurz in den Untergrund – in die Bahnsteigunterführung. Diese ging beim Bahnhofsumbau 1922 in Betrieb und verband das Empfangsgebäude mit dem Mittelbahnsteig. Erst fast 60 Jahre später erfolgte der Durchstich zur Westseite der Gleise, wo sich nach dem Zweiten Weltkrieg ein ausgedehntes Wohngebiet entwickelt hatte. Am 19. Dezember 1998 präsentierten sich der alte gewölbte und der neue rechteckige Tunnel ein wenig nackt. Wenig später wurde die Unterführung als „Bunter Bahnhof Hittfeld“ mit Kunstwerken aus den örtlichen Kindergärten und Schulen aufgepeppt.
Bild 14: Zurück ins Tageslicht, hinein ins Gleis 3! Wir schreiben den 9. April 2004, vier Tage zuvor ist die Streckensanierung angelaufen. Die Oberleitung des Gleises 3 ist bereits demontiert, während in Gleis 4 ein Zug aus abzutransportierenden Holzschwellen aus dem schon teilweise abgebauten Streckengleis Hittfeld–Harburg steht. Am linken Bildrand erkennen wir den pragmatisch in die Einhausung der Treppenabgänge integrierten Warteraum. Im Rahmen der Bahnsteigmodernisierung wurde dieser zugemauert; die Reisenden müssen seitdem mit zwei gläsernen Wetterschutzhütten Vorlieb nehmen.
Bild 15: Fünf Tage zuvor tobte auf den Hittfelder Gleisen noch das pralle Leben. Am 4. April 2004 um 14.01 Uhr fährt ICE 927 (Kiel Hbf–Rheinland–Regensburg Hbf) durch Gleis 6. Es ist einer der letzten sonnigen Momente über den noch intakten Gleisanlagen von Hittfeld. Genau sechs Stunden später ging die Sonne unter und weitere vier Stunden später wurde die Strecke Harburg–Buchholz zum Baugleis erklärt.
Bild 16: Beim Sichten der Fotos für diesen kleinen Bericht fiel mir auf, dass ich kein vorzeigbares Bild von der Südausfahrt des Bahnhofs Hittfeld besitze. Als Ersatz muss diese künstlerisch angehauchte Aufnahme vom 20. Dezember 1998 dienen, die den in die tiefstehende Sonne fahrenden IR 2334 „Fehmarn“ (Puttgarden–Saarbrücken Hbf) zeigt. Vorn der südliche Abschnitt des Bahnsteigs, links die beiden Gleise Richtung Hamburg, rechts diejenigen nach Bremen, im Hintergrund die Ausfahrsignale.
Bild 17: Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Die vor dem Stellwerk „Hif“ aufgestellten Container lassen erahnen, dass sich hier bald einiges ändern wird. Am 3. April 2004 steht der Beginn des Streckenumbaus unmittelbar bevor. Auf Gleis 4 ist RB 24415 (Tostedt–Hamburg-Harburg) mit am Zugschluss laufendem Karlsruher Kopf zum Halten gekommen.
Bild 18: Wenn wir uns das Hittfelder Stellwerk schon von außen anschauen, müssen wir natürlich auch einen Blick hineinwerfen. Auf dem Foto vom 21. Juli 1999 erkennen wir sowohl auf dem Stelltisch als auch dem Monitor der Zugnummernmeldeanlage eine eingestellte Fahrstraße von Harburg nach Gleis 5. Nachvollziehen lässt sich anhand der beiden leeren Tischfeldreihen mit den „in der Luft hängenden“ Nebengleisen 7 und 9 auch die Lage der abgebauten Überholungsgleise 1 und 2. Neben den Gleisen und Signalen im Bahnhof herrschte der Fahrdienstleiter ursprünglich über jeweils drei Selbstblocksignale in den ablaufenden Gleisen Richtung Klecken (links) und Harburg. Im Zuge der neuen Einfädelung der Rollbahn in den Bahnhof Harburg wurde die freie Strecke Hittfeld–Harburg 1993 mit Zentralblock ausgestattet und Gleiswechselbetrieb eingerichtet, während es zwischen Hittfeld und Klecken beim Signalisierten Falschfahrbetrieb blieb. Mit Inbetriebnahme des ESTW Harburg Ende 2000 wurde der GWB stillgelegt und bis zum Streckenumbau nicht mehr in Betrieb genommen.
Bild 19: Stillleben auf „Hif“ am 30. November 1999. Zu Füßen des Stellwerks existierte bis etwa 1980 eine elektrische Vollschranke, die von einem kleinen Pult am Fenster bedient wurde. Nach Aufhebung des Bahnübergangs nahm den Platz des entbehrlichen Steuerpults ein Ventilator ein, dem in der Vorweihnachtszeit ein winziger Tannenbaum Gesellschaft leistete. Dass in jener Ecke des Stellwerks keine Verteilersteckdose vorhanden war, störte dabei weder den Ventilator noch den Baum, da beide Gerätschaften niemals zeitgleich betrieben wurden.
Bild 20: Dieser Blick bot sich den Hittfelder Fahrdienstleitern jahrzehntelang. Am 19. Mai 1999 fährt 141 444 mit SE 5341 (Tostedt–Hamburg Hbf) nach Gleis 4 ein.
(Da ich nicht direkt am Fenster stand, spiegelt sich das frische Umgebungsgrün in der Scheibe, und das natürlich ausgerechnet vor der Lok – aber zu dokumentarischen Zwecken reicht’s.) Auf einem 20 Jahre älteren Foto gäbe es zwei zusätzliche Gleise am linken sowie die kreuzende Straße „Am Bahnhof“ am unteren Bildrand zu sehen.
Bild 21: Wir sind im Südkopf des Hittfelder Bahnhofs angelangt. Am 16. Mai 2004 laufen die Arbeiten zur Streckensanierung, Signale und Oberleitungsanlagen sind mit Ausnahme der Maststümpfe entfernt. Die Einfahrweiche aus Richtung Klecken im Vordergrund diente zum Aufnahmezeitpunkt noch dem Bauzugverkehr, weshalb das Stellwerk bis August 2004 besetzt blieb. Unter der Brücke, deren Geländer rechts und links zu erkennen ist, verläuft seit Anfang der 1980er Jahre die Emmelndorfer Straße, die den Bahnübergang am Stellwerk ersetzt.
Bild 22: Unmittelbar vor der soeben gezeigten Weiche befindet sich am 22. April 1995 der bunte E 3337 (Bremen Hbf–Hamburg Hbf).
Bild 23: Und das ist das südliche Ende des Bahnhofs Hittfeld! Am 16. Mai 2004 steht der Fotograf im Gleis Bremen–Hamburg und knipst gen Süden. Die Strecke verläuft hier auf einem bewachsenen Damm und schlängelt sich auf den folgenden Kilometern durch die östlichen Ausläufer der Harburger Berge, bevor sie die platte Nordheide erreicht und weitgehend schnurgerade auf Bremen zuhält. Hier halte ich es jedoch mit Altmeister Michael Ende: „Aber das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden.“
Und wie immer gilt: Ergänzungen, Anregungen und Kritik sind stets willkommen!
Gustav
4-mal bearbeitet. Zuletzt am 2017:11:29:17:17:55.